Tag 35 [19.05.2016]

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Stegi P.o.V.

Gelangweilt saß ich im Unterricht. Wiederholt stellte ich mir die Frage, wer diesen Mist namens "Schule" erfunden hatte. Tagtäglich heißt es im Halbschlaf rechtzeitig in den Unterricht zu kommen, um sich dort dann das unnötige Gerede der Lehrer anzuhören. Total unnötig würde ich sagen.

Als es nach der 8. Stunde endlich klingelte, stürmten alle aus dem Raum. Nur Tobi und ich waren noch hier. Wir waren gerade dabei aus dem Raum zu laufen, um nach einem viel zu anstrengenden Tag nach Hause zu kommen. "Was hast du gestern eigentlich so gemacht?"

Ich überlegte kurz. Sollte ich ihm das mit Tim erzählen? Entschlossen fing ich an, von A bis Z Alles zu erzählen. Es sollte Schluss sein mit den Lügen.

"Ich bin gestern auf den Spielplatz in der Nähe gegangen, wo Tim und Ich letztens zusammen eine Art Date hatten. Irgendwann ist Tim halt auch gekommen, als er eigentlich auf dem Weg zum Fitnesscenter war. Wir haben dann halt in der Korbschaukel gelegen und... Gekuschelt. Na ja und viel geredet. Jedenfalls sind dann so zwei Typen gekommen die uns Schwuchteln genannt haben und was weiß ich. Tim ist ausgetickt und hat den einen verprügelt. Ich konnte irgendwie nichts machen und dann ist Tim einfach gegangen. Ohne was zu sagen. Na ja und was hast du so gemacht?"

Tobi sah mich nur ziemlich perplex an. Wir standen noch im Flur der Schule, aber aus irgendeinem Grund war niemand mehr hier. Nur der Hausmeister lief noch durch die Gänge und schloss die Klassenzimmer ab. Alle anderen schienen sich schon aus dem Staub gemacht zu haben.

"Habt ihr euch deswegen nicht mal angesehen? Man man man... Stegi ihr müsst miteinander reden. Ganz dringend. Ich denke nicht, dass er sauer auf dich war oder so, also bitte, rede mit ihm." 

Es verwirrte mich etwas, wieso er nicht ausrastete, sondern auch noch versucht mich dazu zu bringen, mit Tim zu korrespondieren. Vielleicht hatte er ja tatsächlich eine gespaltene Persönlichkeit. Ausschließen wollte ich das jedenfalls noch nicht.

Ergeben nickte ich. "Na gut, aber jetzt zähl du, was hast du gestern gemacht?"

Er grübelte einen Moment. "Eigentlich nix außer Musik zu hören und zu zocken. Ich habe halt einfach so kein Bock auf die ganzen Arbeiten, die wir noch schreiben, nachdem jetzt relativ lang gar nichts war."

Mein Weg führte aus dem Schulgebäude, wo ich schon von weitem die Bushaltestelle sah, an der schon seit etwa 10 Minuten kein Bus mehr stand. Es regnete, aber der nächste würde erst in einer halben Stunde kommen. Ich beschloss nach Hause zu laufen, doch dies schien wohl auch nicht ganz so zu klappen. Ein schwarzer Jeep fuhr neben mir durch eine Pfütze. Das Wasser spritze auf mich und durchnässte meine eh schon feuchte Kleidung nun vollkommen.

Ich sah zum geöffneten Fenster des schwarzen Autos und erkannte den Fahrer. Es war kein anderer, als der Typ, der sich gestern meinetwegen geprügelt und mich dann stehen gelassen hat.

"Soll ich dich Heim fahren?", fragte er mich unsicher. Ich sah ihn mit großen Augen und leicht geöffnetem Mund an. Wir würden miteinander im Auto reden müssen. Aber das mussten wir so oder so. Ein Gespräch war jetzt von größter Wichtigkeit.

"Ja oder nein?", fragte Tim nochmals nach, wieder ziemlich unsicher und schüchtern. Das kannte ich überhaupt nicht von ihm. 'Sag jetzt bloß nichts Falsches!' Riet mir mein Unterbewusstsein. 'Sonst könnte alles, was ihr die letzte Zeit aufgebaut habt schneller kaputt sein, als du gucken kannst!'

"Gerne."

Ich öffnete die schwere Tür des Wagens und setzte mich auf den Beifahrersitz, wobei ich das schwarze Leder mit meiner Hose etwas durchnässte.

"Tut mir leid wegen gestern."

Der Wagen bremste abrupt ab. Ich wurde in den Gurt gedrückt und erschrocken sah ich zu Tim, der mich mit Tränen in den Augen ansah.

"Wieso entschuldigst DU dich hier? Wenn sich jemand entschuldigen muss, dann ich. Nach dem, was gestern passiert ist, zweifle ich an meiner Entscheidungskraft. Und meiner Intelligenz. Und durchgehend frage ich mich, ob ich die Dummheit mit Löffeln gefressen habe. Gott, ich war so dumm gestern! Wie-"

"Jetzt halt mal die Luft an. Wieso ich mich entschuldige? Weil ich nichts gemacht habe und du mich vor diesen zwei Spasten beschützt und verteidigt hast. Ich war der kleine dumme Schisser der es verbockt hat, ich muss mich entschuldigen weil du was viel Besseres verdient hast."

Tim sah mich erschrocken an. "Inwiefern was Besseres?"

Mein Herz klopfte wie verrückt und drohte aus meiner Brust zu springen. "Etwas Besseres als Mich. Ich bin ein Niemand und dann kommt der wohl coolste Typ der ganzen Schule und will mit einem kleinen Nichtsnutz was zu tun haben. Du verdienst etwas Besseres."

Eine einzelne Träne kullerte mir die Wange hinunter. Es tat so unfassbar weh diese Worte auszusprechen. Es tat aber noch viel mehr weh zu wissen, dass es die Wahrheit war.

Tim starrte auf die Straße und schien in Gedanken verloren. Der Regen prasselte noch immer gegen die Scheiben des Autos. Der Motor heulte auf und das Auto fuhr weiter.
Ich wusste nicht was jetzt war. Aber vor allem, was zwischen Tim und mir war. Nachdem wir gestern in dieser Schaukel gelegen hatten, dachte ich wirklich, dass da etwas zwischen uns ist. Inzwischen war ich mir da nicht mehr sicher.

Vor dem Haus meiner Eltern hielt er und sah mich eindringlich an. "Es muss dir nicht leidtun. Ich hätte nicht abhauen dürfen. Und dass ich dich verteidigt habe, ist selbstverständlich. Außerdem konnte mir nichts Besseres passieren, als du Stegi."

Verwundert schnallte ich mich ab und beugte mich zu ihm rüber, um ihn zu umarmen. Er drückte mich fest an sich und es schien, als wäre ich sein einziger Halt.

"Ich schätze wir sehen uns in der Schule. Bis... Bis dann." 

Ich löste mich von ihm, stieg aus und schloss die Tür mit einem Ruck. Jedoch nicht ohne ihm noch ein Lächeln zu schenken.

Ich lief schnell zur Haustür, wo ich der Versuchung jedoch nicht widerstehen konnte, mich nochmal umzudrehen. Der Jeep stand an der gleichen Stelle wie vor zehn Sekunden und der Motor lief noch immer. Tim sah mir in die Augen und lächelte mir zu. Ich lächelte zurück, bis mir jedoch klar wurde, was ich da tat.

Ich ging hoch zur Haustür, schloss diese auf und verschloss sie wieder.



Damn, he is gay! | Stexpert (Reupload)Where stories live. Discover now