Tag 34 [18.05.2016]

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Stegi P.o.V


Ich war ja absolut gegen Schule, einfach schon wegen den Lehrern, die tierisch nervten. Natürlich gab es da auch noch diese komischen Mitschüler, auf die man nie Bock hatte, aber nun gut. Ausnahmsweise konnte ich die Lehrer unserer Schule sogar tatsächlich leiden, was aber mehr damit zusammenhing, dass sie heute einen Lehrerausflug oder sowas machten und wir somit Schulfrei hatten. Ziemlich genial, könnten die ruhig öfter machen.

Ich stand um 10 Uhr irgendwas auf und erwartete, meine Eltern unten anzutreffen. Allerdings fand ich nur einen Zettel vor, auf dem notiert war, dass sie sich einen schönen Tag zu zweit machen und gegen Abend wieder kommen würden. Ich gönnte es ihnen von Herzen, immer hin hatte ihre Arbeit sie auch ziemlich voneinander getrennt. Wenn man es so sieht, ist es ziemlich bemerkenswert, dass sie trotz ihrer Arbeit und den seltenen Abenden zu zweit noch so eine glückliche Ehe führten.

Da ich nicht wirklich kochen konnte und die Küche nicht durch ein dummes Missgeschick abfackeln wollte, machte ich mir einfach eine Schüssel mit Cornflakes und aß diese. Nebenbei ließ ich das Radio laufen, dass in unserer Küche stand und sang teils mit vollem Mund bei guten Liedern mit. Ob mich jemand durch das gekippte Fenster hören konnte, war mir herzlich egal.

Unkreativ wie ich war, schmiss ich mich danach aufs Sofa und überlegte, was ich produktives tun könnte, während ich nebenbei Fern sah.

Nach längerem Überlegen musste ich an Tims und mein Date auf dem Spielplatz denken und den kleinen Jungen. Ich beschloss mich fertigzumachen und mir ein Eis zu holen und mich danach auf den Spielplatz zu setzen. Einfach ein wenig in schönen Erinnerungen schwelgen.

Nachdem ich mir eine schwarze Radler und ein weißes Sweatshirt angezogen und meine Haare ein bisschen gestylt hatte, zog ich mir meine Schuhe an und machte mich zu Fuß auf den Weg. Das Wetter war angenehm warm, keine 30°C aber auch nicht zu kalt. Es war genau perfekt und für Eis war ich sowieso immer zu haben.

Inzwischen war schon 3 Uhr Mittags, wo war die Zeit nur geblieben? Automatisch fiel mir das Lied aus meiner Kindheit wieder ein. "Wer hat an der Uhr gedreht, ist es wirklich schon so spät?..."
Ich musste über meine eigenen Gedanken lachen und wurde von ein paar Leuten seltsam gemustert. Mir sollte es egal sein. Es war allgemein so, dass mir Tim irgendwie durch ein Wunder zu mehr Selbstbewusstsein verholfen hatte.

An der kleinen Eisdiele angekommen, kaufte ich mir eine Kugel Waldmeister und eine Kugel Schokolade. Ich konnte gar nicht verstehen, was Tim gegen dieses leckere grüne Eis hatte. Na ja, so sind die Geschmäcker. War ja auch gut so.

Mein Eis essend, setzte ich mich auf eine Bank auf dem Spielplatz. Es waren nicht viele Kinder hier, wo das Wetter doch so schön war. Wenige Kleinkinder mit ihren Eltern waren bei der Rutsche und schrien vor Freude. So jung und unbeschwert. Das musste toll sein.

Ungefähr eine Stunde später waren bis auf zwei etwa 12-Jährige niemand mehr da. Ich entschied mich, in der Korbschaukel etwas herumzuliegen, da die Bank auf Dauer echt unbequem war.
Durch diese Plastikdrähte war die Schaukel auch nicht unbedingt angenehmer, doch das war mir jetzt egal. Besser als jetzt wieder zurück zur Bank zu laufen.

So viele Gedanken gingen mir durch den Kopf. Ein kleiner Schmetterling landete auf meinem linken Bein. Ich versuchte ihn zu berühren, doch er flog schon wieder weiter. Ob Tobi gerade über meine Dummheit und die ganzen Lügen nachdachte? Interessieren würde es mich ja, doch ich hielt es nicht für angebracht ihn jetzt anzurufen und danach zu fragen.

Ich schloss die Augen und stellte mir vor, wie Tim und ich uns küssten. Ob er wohl weiche Lippen hatte? Oder eher spröde Lippen? Wie würde es sein? Ich konnte keine der Fragen beantworten, doch ich nahm mir fest vor, es bald herauszufinden.

Plötzlich verdunkelten sich meine Augenlider von innen, weshalb ich die Augen öffnete. Über mir sah ich das Gesicht eines brünetten, gut aussehenden Typen, der sich bei näherem Hinsehen, als Tim entpuppte.

"Was machst du denn hier?", fragte ich mit fragendem Gesichtsausdruck, als ich seine Sporttasche sah.

"Ich wollte eigentlich ins Fitnessstudio, dann hab ich dich hier aber gesehen, also bin ich hierhergekommen."

Ohne dass ich irgendwas erwidern konnte, fing die Schaukel an sich zu bewegen und eine Hand schon mich etwas auf die Seite. Tim versuchte sich irgendwie neben mich zu legen, was ziemlich seltsam aussah. Mit einem Grinsen im Gesicht rutschte ich etwas, um ihm Platz zu machen. Mit verschränkten Armen hinter dem Kopf, lag er da nun, während ich noch halb saß und durch die Gegend starrte. Zwei starke Arme zogen mich sachte nach hinten, sodass ich nun in Tims Umarmung lag. Ich kuschelte mich noch etwas an ihn, was ein Lächeln auf Tims Lippen erscheinen ließ. Eigentlich sahen sie so von Näherem betrachtet mega weich aus.

Zum ersten Mal bemerkte ich, wie gut Tim roch. Unbemerkt zog ich leicht seinen Geruch ein und schloss die Augen.

"Woran denkst du?"

"An dich."

"Wieso denn an mich?"

Ich sah ihn an. "Weil du mir wichtig bist", ein leichtes und vermutlich traurig wirkendes Lächeln schenkte ich ihm, ehe ich mich mit Tränen in den Augen wieder hinlegte.

"Und woran denkst du?" Ich wusste nicht, ob er meine erstickte Stimme wirklich verstanden hatte.

"Schmerz, Trauer, Freude, Glück, Liebe... Sowas."

Seine Antwort verwirrte mich etwas, doch ich wollte nicht weiter nachfragen. Ich war nur froh, dass er mich nicht darauf ansprach, weshalb ich am Weinen war.

Noch eine ganze Zeit lagen wir still da und kuschelten miteinander.

"Wie hältst du es nur mit mir aus?"

Ich sah Tim perplex an. "Wie meinst du das denn?" Mit seiner freien Hand fuhr er sich durch die Haare. "Ich war so scheiße zu dir, wie zum Teufel kannst du noch deine freie Zeit mit mir verbringen?"

"Was sich liebt, das neckt sich", grinsend legte ich mich erneut hin.
Er fragte nicht nach, ich wusste jedoch nicht ob das gut oder schlecht war.
Positiv denken.

"Oh ihr scheiß Schwuchteln, verpisst euch. Hier ist kein Platz für Analficker." (Diese Stelle tat echt weh beim Schreiben .-.)

Ich setzte mich auf und Tim tat es mir gleich. Eingeschüchtert sah ich zu dem Brünetten neben mir. Wenn dieser Typ nochmal irgendwas sagen würde, hätte er kein schönes Leben mehr. Jedenfalls nach Tims Blick zu urteilen.

"Na wird's bald?"

Ich sah zu dem Typ und seinem Freund, die sich krumm und schief lachten. Die beiden waren sicher nicht viel älter als wir. Tim stieg langsam aus der Schaukel und hatte einen unfassbar bedrohlichen Blick aufgesetzt, der definitiv nichts Gutes verhieß. Ich stieg auch aus der Schaukel und beobachtete schüchtern das Szenarium.

"Du hältst jetzt mal ganz schnell die Klappe mein Freund oder es wird ungemütlich für dich."

Der Junge ließ sich jedoch nicht einschüchtern im Gegensatz zu mir und blieb mit arrogantem Gesichtsausdruck stehen, wo er war.

"Wow, du denkst echt, dass ich vor so einer Schwulette wie dir Angst habe. Süß, aber wenn dich jemand hier verpisst, bist du das und dein zu klein geratener Schwuchtel Gartenzwerg."

Dies war der Punkt, an dem Tim mit schnellen Schritten auf die beiden Typen zuschritt und das Großmaul verprügelte. Ich schlug meine Hände vor den Mund und war unfähig, irgendwas zu tun. Ich war wie erstarrt. Dem anderen Typen schien es ähnlich zu gehen.

"Niemand, wirklich keiner, nennt meinen Freund einen Gartenzwerg, eine Schwuchtel oder eine Schwulette. Kapiert du kleine Missgeburt?"

Mit blutender Nase und ängstlichem Gesicht stand er auf und rannte weg, aber nicht ohne sich nochmal umzudrehen und mir einen bitterbösen Blick zu schenken.

Ich konnte nicht mal richtig reagieren, ehe Tim schon seine Tasche nahm und zu seinem Auto ging, welches auf der gegenüberliegenden Straßenseite geparkt war.

Er stieg ein und sah mich ein letztes Mal traurig an, bevor er den Motor startete und mich verzweifelt zurückließ.

Damn, he is gay! | Stexpert (Reupload)Where stories live. Discover now