Tag 37 [21.05.2016]

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Stegi P.o.V.

"Was steht heute auf dem Plan?", fertig angezogen und ausgeschlafen begrüßte ich meine Mutter.

"Lass mich kurz nachschauen", kaum hatte meine Mutter auf ihren Terminplaner geschaut, machte sich auf ihrem Gesicht ein breites Grinsen bemerkbar.

"Heute sorgen wir dafür, dass du was Gescheites zum Anziehen für Sonntag hast."

-

"Warum bin ich hier nochmal?", genervt schaue ich meine Mutter an, die mich zum gefühlt zwanzigsten Mal in eine der Umkleiden schickt.

"Weil du deine Eltern lieb hast und jetzt zier dich nicht, sondern zieh den Anzug an.", im nächsten Moment war der Vorhang hinter mir auch schon wieder zugezogen. "Sag Bescheid, wenn du fertig bist."

"Mach ich", gab ich nur von mir, bezweifelte jedoch, dass sie das noch gehört hatte.

Mein Blick wanderte zum Anzug vor mir. Er sah genauso aus wie jeder andere, der Anzüge, die man hier in dem Laden fand. Na ja, bis auf, dass manche Anzüge hier eine andere Farbe hatten. Das war's dann aber auch schon. Generell war es mir fragwürdig, warum manche Menschen so viel Geld für einen Anzug ausgaben, der sich so gut wie gar nicht von den ganzen anderen Unterschied.

Es würde jetzt eh nichts bringen mich noch länger über so etwas Belangloses aufzuregen. Also Augen zu und durch.

"Also ich finde wir haben einen tollen Anzug ausgesucht. Damit wird Tim dich bestimmt richtig attraktiv finden, wenn du verstehst, was ich meine."

Gefühlte Stunden später standen wir endlich an der Kasse.

"Darf es sonst noch etwas sein?", fragte der Mann mit pastelllilanen Haaren auf der anderen Seite der Kasse. Er war vielleicht so um die zwanzig Jahre.

"Nein, danke. Einen schönen Tag noch! Wir sehen uns ja morgen wieder!", freudig nahm meine Mutter die Tasche mit dem Anzug in die Hand und winkte nochmal zum Abschied, bevor wir den Laden verließen. Verwundert schaute ich sie an.

"Wer war das?", fragte ich leicht misstrauisch. Meine Mutter wunk sonst nie irgendwelchen Fremden.

"Das? Ach. Er und ein paar Freunde von ihm werden auf der Feier vorsingen. Ich bin ihm letzten Mittwoch beim Einkaufen über den Weg gelaufen. Er hatte da mit seinen Freunden ein paar Lieder gesungen und dazu getanzt. Sie haben sich so gut angehört, da musste ich sie engagieren", antwortete mir meine Mutter als wäre es das normalste der Welt.

Nach einer, ausnahmsweise mal, ruhigen Autofahrt waren wir endlich wieder zu Hause angekommen.

"Schon die Rede geschrieben?", mit großen Augen schaute mich meine Mutter an als ich gerade in mein Zimmer verschwinden wollte.

"Rede?", hatte ich irgendwas nicht mitbekommen?

"Die Rede, die du für Sonntag vorbereiten wolltest?", kicherte sie.

Nun legte sich auch in mir ein Schalter um "Die Rede! Natürlich! Wie konnte ich das nur vergessen? Kannst du Tobi bitte anrufen und fragen, ob er vorbeikommen kann? Ich bin in meinem Zimmer", hektisch machte ich die Tür zu und warf mich auf mein Bett.

Eine halbe Stunde war bis jetzt vergangen. Immer noch starrte ich frustriert die Decke über mir an. Dass Tobi es sich in der Zwischenzeit auf meinem Schreibtischstuhl bequem gemacht hatte, hatte ich nicht bemerkt.

"Stegi? Wie lange willst du noch Löcher in die Luft starren?", seufzend gesellte sich mein bester Freund zu mir aufs Bett.

"Bis ich eine Idee habe. Wenn ich die Rede morgen vermassel bin ich bei Tim unten durch", verzweifelt fuhr ich mir durch meine Haare.

"Komm schon. Er wird doch nicht gleich den Kontakt abbrechen, nur weil du eine Rede vermasselst oder so."

Mit so einem "Echt jetzt?"- Blick sah mich Tobi an. Ich wusste ja, dass er recht hatte, doch Sorgen machte ich mir dennoch.

Was Tobi jedoch nicht wusste, war die Tatsache, dass ich weniger an die Rede dachte, als an das Gespräch zwischen Tim und mir am Donnerstag. Ich konnte immer noch nicht fassen, was im Auto vor sich gegangen ist.

"Stegi? Was ist los?"

Fragend sah ich meinen besten Freund an. "Was soll sein?"

"Du bist total komisch, also nicht komisch, aber total in dich gekehrt und nachdenklich. Was ist zwischen dir und Tim vorgefallen?"

Es erstaunte mich immer wieder, wie gut Tobi mich kannte. Umso mehr tat es mir leid, dass ich ihm nicht von Anfang an von der Story mit Tim erzählt hatte. Ich schüttelte leicht den Kopf und sah ihm in die Augen.

"Wir haben geredet und er hat sich entschuldigt. Er meinte, er hätte nicht einfach wegfahren dürfen." Dass er geweint hatte, ich mich auch entschuldigt und ebenfalls geheult hatte, ließ ich bewusst weg. Klar, die Lügen sollten ein Ende haben, aber alles musste ich ihm deswegen ja noch lang nicht erzählen. Würde er nachfragen, würde ich es ihm auch erzählen.

Etwas überfordert ließ er sich mit seinem Oberkörper auf das Bett fallen und atmete langsam aus. "Wow, dass du mal so ein Liebesdrama in real life erleben würdest... Und dann auch noch mit einem Typen wie Tim. Ich beneide dich ja schon fast."

Verwirrt sah ich an die Decke. "Wieso beneidest du mich denn? Dieses ganze Drama ist totaler Mist."

"Aber immer noch besser, als das komplett tote Hose ist." traurig lachte er auf. "Bis mal jemand auf mich aufmerksam wird, vergehen doch sicher noch 20 Jahre."

Ruckartig setzte ich mich auf und sah Tobi mit einem bösen Blick an.

"Wenn hier jemand im Selbstmitleid schwelgen darf, dann bin das ich. Hast du mich mal angeschaut? Null männlich, viel zu klein und definitiv nicht gutaussehend. Du bist das komplette Gegenteil von mir und dennoch mein bester Freund. Ganze ehrlich, wenn ich so einen Typen wie Tim abbekomme, bekommst du noch jemand viel Tolleres ab. Das verspreche ich dir hoch und heilig."

Ein riesiges Grinsen bildete sich auf Tobis Gesicht, ehe er mich zu sich zog und mich umarmte.

"Ach komm her, ich weiß ja, dass du recht hast. Einen besseren besten Freund könnte ich mir gar nicht vorstellen."

-

Nach weiteren zwei Stunden, in denen wir in meinem Bett lagen und meine Rede halbwegs durchgingen, musste Tobi leider nach Hause. Meine Mutter bot ihm zwar an noch mit uns essen zu können, doch er meinte noch etwas erledigen zu müssen. Ich fragte mich, was das wohl war.

Nach dem Essen ging ich wieder in mein Zimmer und setzte mich an meinen Schreibtisch. Zwar hatte mir Tobi viele Ideen genannt, doch das Perfekte war noch nicht dabei gewesen. Wie hatte er so schön gemeint - "Hör einfach auf dein Herz."

Ich schloss meine Augen und dachte an meine Kindheit. Meine Erinnerungen mit meinen Eltern.

Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen.

Ich nahm den Stift, der auf einem leeren Blatt Papier lag und fing an zu schreiben.

Damn, he is gay! | Stexpert (Reupload)Where stories live. Discover now