Tag 30 [14.05.2016]

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Stegi P.o.V.

"Morgen Stegi", weckte mich meine Mutter mit einer sanften Stimme.

Müde versuchte ich meine Augen zu öffnen und blickte kurz darauf ihn ihr Gesicht, welches vor Freude nur so strahlte. Sie war mindestens genauso glücklich wie ich, dass wir uns seit gestern wieder so gut verstanden.

Wir saßen gestern den Großteil auf meinem Bett oder auf der Couch im Wohnzimmer und ich hatte ihr alles über Tim und mich erzählt.

Da war von unserem ersten bis zu unserem letzten Treffen alles dabei. Doch die Tatsache, dass Tim und andere mich, bevor wir uns "kennengelernt" hatten, mobbten, ließ ich mal außen vor.

Meine Mutter nahm das doch sehr gelassen hin, wofür ich ihr verdammt dankbar war. Es schien ihr wohl nicht so viel auszumachen, dass ihr einziger Sohn vermutlich schwul oder bisexuell war. Sie meinte, solang ich glücklich sei, solle ihre Hoffnung auf ein biologisches Enkelkind dem nicht im Wege stehen. Es tat mir auf der einen Seite schon irgendwie Leid, da ich selbst auch gerne später Kinder hätte, aber ich war nicht gegen Adoptionen. Es gab ja noch die ein oder andere Möglichkeit.

Sie hatte mir auch erzählt, wie sie und mein Vater sich kennengelernt hatten. Die Geschichte war tatsächlich etwas klischeehaft. Besonders an der Stelle, als mein Vater ihr Kaffee über ihre Schneeweise Bluse geschüttet hatte. Natürlich trafen sie sich danach noch ein paar Mal, es funkte zwischen beiden und sie heirateten irgendwann. Ob dieses Klischee wirklich so stimmte, konnte ich nicht sagen. Süß war es jedoch allemal. Demnächst hatten sie auch ihre Silberhochzeit, zu welcher meine Mum Tim unbedingt einladen wollte. Einfach, weil sie ihn ja so sympathisch fand. Und ich sollte auch noch eine Rede halten. Peinlicher könnte es an dem Tag für mich nicht werden. Ich hatte mir aber auch schon etwas überlegt, was ich sagen würde.

Da heute Samstag war, hatte ich auch keine Schule und war ziemlich planlos. Ich ging in die Küche, wo meine Mutter dabei war, ein Tablett mit Wurst, Käse, Butter und anderen Leckereien zu befüllen. Ich nahm die drei Teller und Messer, die sie schon ausgelegt hatte und deckte den Tisch.

"Kommt Papa heute?", fragte ich sie lächelnd. Ich sah meinen Vater sehr selten, was ich ziemlich schade fand, dennoch war er immer für mich da, wenn ich ihn brauchte. Generell hatten wir dafür, dass er kaum daheim war, ein ziemlich gutes Verhältnis.
Meine Mum nickte lächelnd und wandte sich wieder den Tomaten zu, die sie gerade am Waschen war. Ich verzog das Gesicht. Ich mochte keine Tomaten.

Ich hörte den Schlüssel im Schloss und fing an breit zu grinsen. Mein Vater kam rein und sah mich mit einem erschöpften Lächeln an. Da er geschäftsbedingt in Kanada war, hatte er einige Stunden Flug hinter sich. Jedoch hatte er die letzte Nacht im Hotel neben dem Flughafen geschlafen. So war es jedenfalls die letzten Male nach seinen Geschäftsreisen. Inzwischen musste er dort schon sein eigenes Zimmer als Stammgast haben. Ich schmunzelte.

Er hatte leichte Lachfalten um seine Augen, welche ihn sympathisch aussehen ließen. Allgemein war mein Vater ein sehr netter und sozialer Mensch, der zu kaum etwas Nein sagen konnte. Das war auch der Grund, weshalb Tobi und ich früher so ziemlich alles bekommen haben, was wir wollten. Auch wenn es im Nachhinein betrachtet nicht okay war, ihm die Almosen aus dem Hemd zu leiern.
Ich lief auf ihn zu, während er seinen Koffer abstellte und umarmte ihn freudig. "Ich habe dich vermisst, Dad", flüsterte ich, glücklich darüber, ihn wieder hier zu haben. Wir lösten uns voneinander, meine Mutter stand breit lächelnd hinter mir und ging auf ihren Mann zu. Liebevoll küssten sie sich. Es war so süß. Ich wünschte, Tim und ich könnten uns irgendwann so küssen.

Zusammen saßen wir am Tisch, mein Vater ging nochmal kurz ins Badezimmer. Ich starrte auf einen Punkt an der Wand hinter meiner Mutter. Lachend wedelte sie mit ihrer Hand vor meinem Gesicht rum. "Noch unter uns?" Verwirrt schaute ich sie an, fing jedoch auch gleich an zu lachen und nickte.
"Übrigens, wenn du deinen lieben Schwarm von dir überzeugen willst, würde ich dir vorschlagen mal ins Fitnessstudio zu gehen", zwinkerte sie mir zu.

"Welchen Schwarm? Was hab ich verpasst?", fragte mein Vater grinsend hinter mir. Ich schluckte. Es wäre wohl an der Zeit, mich auch vor meinem Dad zu outen.
"Tim", meinte ich trocken und trank einen Schluck Wasser.

"Tim was?", Ich schien meinen Vater verwirrt zu haben. "Tim, ein Junge aus meiner Klasse. Ich habe mich vermutlich irgendwie in ihn verliebt, bin bisexuell oder schwul und jaa tatsächlich, ich liebe einen Jungen."

Meinem Vater fiel erstmal entgeistert die Kinnlade nach unten. Nun ja, ich konnte es ihm ja nicht mal übel nehmen. Klar ist es ein Schock, wenn einem der einzige Sohn sagt, dass er nicht hetero ist. Nicht dass es was Schlimmes wäre, aber es ist dennoch diese Überraschung.
"Okay."

Ich schüttelte den Kopf und schaute zu meinem Vater, welcher mich nur glücklich anlächelte. Sein Lächeln war nicht gespielt, mitleidig oder arrogant. Nein es war ein ehrliches, glückliches Lächeln. "Mein Sohn, ich habe dich dein Leben lang geliebt wie du bist. Ob ich im Endeffekt einen Jungen oder ein Mädchen anschreie, wenn du verletzt wirst, ist mir egal. Wobei ein Junge die Arbeit erleichtert, dem kann ich auch eine verpassen."

Erleichtert lachte ich auf. Mein Vater war toll. So eine Reaktion sollte von allen Eltern kommen, wenn sich ihre Kinder outen. "Danke Dad", Ich stand auf und umarmte ihn nochmal. Väterlich klopfte er mir auf den Rücken. "Nicht dafür, aber jetzt lass uns mal essen, ich verhunger hier noch."

Nach dem Frühstück zog ich mich um und ging nach draußen. Ich wollte mir einen kleinen Eisvorrat anschaffen. Das ging viel zu schnell aus.
Im Supermarkt ging ich zielstrebig zur Tiefkühle und suchte mir vier verschiedene Sorten aus und schnappte mir jeweils zwei Becher. Wenn ich Vorrat sagte, meinte ich das auch so.
Mein Weg führte mich weiter an die Kasse, wo mich die Kassiererin belustigt ansah, was ich nur mit einem "Eis kann man nie genug haben!", kommentierte.

Wieder daheim verstaute ich das Eis im Tiefkühlschrank. Einen Becher Kirscheis ließ ich draußen, um ihn mit einem Löffel mit in mein Zimmer zu nehmen. Ich fläzte mich auf mein Bett und nahm meinen Laptop, auf dem ich mich bei Netflix anmeldete. Ich suchte mir meine Lieblingsserie raus und öffnete mein Eis. Heute müsste ich mich nochmal richtig vollfressen, bevor ich morgen wirklich anfangen würde, zu trainieren.

Was ich nicht alles für diesen Jungen tat...



Damn, he is gay! | Stexpert (Reupload)Where stories live. Discover now