Tag 36 [20.05.2016]

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Stegi P.o.V.

"Stegi? Wenn es dir nichts ausmacht würde ich dich nachher von der Schule abholen, damit wir zusammen zum Bäker gehen", war das erste, was ich zu hören bekam, als ich die Küche betrat.

"Bäcker? Wieso das denn?", mit halboffenen Augen versuchte ich sie so gut es ging anzuschauen, was mir allerdings ziemlich schwer fiel. Meine Mutter hingegen lächelte wegen meines verschlafenen Aussehen und gab mir kurz einen Kuss auf die Wange.

"Ich wollte eine Torte in Auftrag geben, damit unsere Gäste bei der Feier auch was zu essen haben", meinte sie, mir einige Strähnen aus dem Gesicht streichend.

"Achso okay", müde gähnte ich, setzte mich auf einen Stuhl und nahm mir einen Toast.

"Stegi? Hast du mal auf die Uhr geschaut? Du solltest schon längst in der Schule sein", hörte ich auf einmal eine Männerstimmer hinter mir sagen. Mein Vater.

Ohne ihm etwas zu antworten, drehte ich mich langsam zur Uhr, nur um zu bemerken, dass wir schon 7.35 hatten. Der Unterricht begann in 10 Minuten.

"Ich muss los", nuschelte ich mit einem halben Toast im Mund, ehe ich hastig wieder aufstand und die Treppe wieder hoch stolperte. Sofern das möglich war.

"Ich fahre dich dann!", rief mein Vater mir noch von unten zu.

Fünf Minuten später stand einigermaßen angemessen unten vor der Haustür. Meine Haare waren immer noch zuerzaust und meine Augenringe ließen auch zu wünschen übrig.

"Komm fahren wir. Nicht, dass du noch Stress von deinem Lehrer bekommst", meinte mein Vater.

Draußen war es noch immer betrübt. Obwohl wir schon Mai hatten, ließ das Wetter echt zu wünschen übrig. Hoffentlich würde es bis zum Wochenende aufhören zu regnen.

Als hätte mein Vater meine Gedanken lesen können, sagte er auf einmal "Kein Sorge. Bis zur Feier wird alles wieder trocken sein. Zur Not mieten wir uns halt noch kurzfristig eine Lagerhalle."

Daraufhin musste ich lachen. Denn diesen Satz hatte meinen Vater genauso schon einmal gesagt. Nur ging es da um die tatsächliche Hochzeit meiner Eltern. Meine Mutter hatte mir früher immer von ihrer Hochzeit und ihren Flitterwochen erzählt. Mittlerweile konnte ich die ganzen Geschichten im Schlaf aufsagen.
Aber das störte mich nicht. Im Gegenteil sogar. Ich war froh darüber, dass meine Eltern Momente, die ihnen so wichtig sind, zusammen mit mir teilten.

"Das hast du damals doch auch zu Mama gesagt und hinterher musstet ihr wirklich in die Lagerhalle", lächelte ich leicht.

"An sowas kannst du dich erinnern?", verwundert, aber auch glücklich musterte mich mein Vater kurz, wendete sich im nächsten Moment aber wieder der Straße zu.

"Ja. Mama hat mir doch damals die ganzen Geschichten erzählt. Auch wie du im Urlaub in Venedig fast aus dem Boot gefallen bist als Mama die erzählte, dass sie schwanger war", grinste ich nun über beide Ohren.

"Ach du meine Güte. Was hat sie dir eigentlich nicht erzählt?", lachte mein Vater nun, sich weiterhin auf die Straße konzentrierend.

Danach war es für eine kurze Zeit leise im Auto bis ich das Wort ergriff. " Papa?", fragte ich ihn eher leise.

"Was ist Stegi?", fragte er mit sanfter Stimme.

"Bist du mit deinem momentanen Leben eigentlich zufrieden?", daraufhin herrschte wieder Stille. Unsicherheit machte sich in mir breit. Hatte ich jetzt etwas Falsches gesagt?

"Ja bin ich. Zufrieden könnte ich nicht sein. Mir geht es gut und ich hab eine glückliche Familie. Mehr brauch ich nicht", antworte mir mein Vater und bog mit dem Wagen um die Ecke als auch schon die Schule in Sicht kam.

"Deine Mutter holt dich nachher um 13 Uhr ab. Hab einen schönen Tag", mit einer kurzen Umarmung verabschiedete ich mich noch meinem Vater, ehe ich mich auf den Weg zu meinem Klassenzimmer machte.

"Fünf Minuten zu spät, Stegi", mit einem kalten Blick musterte mich Herr Korn. Warum? Warum war er hier? Sollte ich jetzt nicht eigentlich Erdkunde haben?

"Hat da wohl jemand vergessen auf den Vertretungsplan zu schauen? Setz dich einfach hin. Ich habe grade keine Nerven mir irgendeine frei erfundene Ausrede wie "Der Busfahrer hat ein Einhorn angefahren" anzuhören."

Da hatte aber jemand gute Laune.

Mit schnellem Schritt ging ich zu meinem Platz, wo Tobi mich schon verwundert über mein Zuspätkommen anstarrte. "Frag nicht. Bin zu spät aufgestanden", flüsterte ich leise.

"Ich will während den gesamten zwei Stunden keinen Mucks von euch hören und wehe einer von euch wagt es irgendwas auf den Boden fallen zu lassen oder mit irgendetwas zu rascheln", während der gesamten Rede starrte Herr Korn entweder mich oder Tim an. Das konnte ja was werden.

-

"Und? Wie war's?", mit einem kurz auf die Wange begrüßte mich meine Mutter wieder.

"Ganz gut. Naja. Bis auf Herr Korn. Wir hatten heute Morgen die ersten beiden Stunden bei ihm Vertretung. Ich habe mich wie bei einem Verhör gefühlt."

"Das meinte ich nicht. Ich meinte, ob Tim heute irgendwas Besonderes gemacht hat.", das wissende Lächeln, welches sich langsam auf das Gesicht meiner Mutter schlich, war kaum zu übersehen.

Sofort wurde ich stutzig. Ich wusste ja, dass meine Mutter sich für das, was zwischen Tim und mir abging interessierte. Aber so sehr? Das war mir wirklich neu. Als Ablenkungsmanöver machte ich schnell das Radio an und drehte meinen Kopf in die andere Richtung, um meine knallroten Wangen zu verstecken.

"Nicht schlimm. Erzählst du mir halt nachher beim Essen davon."

In der Bäckerei angekommen staunte ich nicht schlecht. Vor uns waren auf einem Tisch Kuchenstücke, sowie Muffins unterschiedlichster Farbe, Größe, Form, ausgebreitet. Manche hatten ein paar Streusel, anderen wiederum waren mit einer schneeweißen Glasur bedeckt.

Neben uns stand eine Frau, welche ich uns freudig etwas über die verschiedenen Stücke erzählte. Wer hätte gedacht, dass es so interessant sein könnte mal etwas über Torten zu erfahren?

"Dann will ich sie mal nicht länger stören und wünsche ihnen viel Spaß bei Probieren. Sollten sie noch irgendwelche Fragen haben, dann wenden sie sich bitte an mich oder einen Kollegen.", verabschiedete sie sich von uns.

"Ich glaube, ich mache schon mal den nächsten Termin im Fitnessstudio aus", murmelte ich leise.

"Hast du etwas gesagt?", neugierig schaute mich meine Mutter an.

"Nichts. Nichts. Guten Appetit."




Damn, he is gay! | Stexpert (Reupload)Where stories live. Discover now