Tag 29 [13.05.2016]

12.8K 932 498
                                    

Mit einem lauten Knall machte ich die Autotür hinter mir zu. Heute würde meine Verabredung mit Stegi sein.

Verabredung ist so ein komisches Wort. Aber von einem Date konnte man auch nicht wirklich sprechen. Wie wärs mit einem Treffen? Treffen ist doch ein gutes Wort oder?

Zustimmend nickte ich und machte mich auf den Weg zu Stegis Haustür. Hoffentlich hatte niemand mein leicht verstörendes Nicken gesehen. Das könnte sonst peinlich werden.

Neugierig schaute ich nach hinten, um zu mich zu vergewissern, dass auch wirklich niemand hier war und drehte mich erleichtert wieder nach vorne um. Keiner zu sehen.

Noch ein letztes versuchte ich mit meiner Hand mein Hemd etwas zu glätten und betätigte die Klingel. Auf einmal fing ich an zu schwitzen. Was war denn auf einmal mit mir los? Sonst verhielt ich mich doch auch nicht so, wenn ich in seiner Gegenwart war.

"Komme schon!", hörte ich es hinter der Tür. 'Ganz ruhig, es wird alles gut gehen. Nix wird schieflaufen, es ist alles gut.'
Ich wiederholte mein Mantra noch einige Male, bis sich die Tür vor mir öffnete und mein Date- ich meinte mein Treffen nach draußen trat. Ich musterte ihn von oben nach unten. Er hatte ein normales weises Shirt und eine schwarze Jeans an. Dazu seine Turnschuhe und er sah einfach zu perfekt aus. Na ja also perfekt im Sinne von süß. Also eben perfekt wie Stegi immer aussieht. Ach egal, ich sollte aufhören zu denken.
Der Blondschopf sah mich grinsend an und wartete vermutlich darauf, dass ich vorausging. Ich schüttelte leicht meinen Kopf um diese verwirrenden Gedanken loszuwerden.

"Alles klar bei dir? Du wirkst so als wärst du total durch den Wind", fragte Stegi schmunzelnd. Ich drehte mich etwas zu schnell zu ihm und torkelte ein paar Schritte, da mir leicht schwindlig wurde. Der Kleine neben mir sah mich inzwischen etwas besorgt an und öffnete mir die Tür meines Wagens, setzte sich jedoch nicht selbst rein. "Was ist los?", fragte ich ihn leicht beängstigt. "Naja, wenn es dir nicht gut geht will ich dir nicht auf die Nerven gehen."

Man sah ihm die Unsicherheit deutlich an, aber er sollte keine Zweifel haben.

"Nein, nein. Es ist nichts. Im Gegenteil. Ich freue mich sogar auf den Tag!", grinste ich, setzte mich hinters Lenkrad und wartete darauf, dass Stegi endlich einsteigen würde.

Meine Antwort gerade eben war nicht gelogen. Ich freute mich wirklich schon auf den Tag mit Stegi. Heute würde alles perfekt ablaufen. Heute würde ich alles ganz langsam und entspannt machen, damit sich der Kleine auch wohlfühlte. Bei unserem letzten Date- Treffen gab es ja nur pure Action, aber heute wollte ich, dass er sich einfach nur wohlfühlte.

Seit wann war ich bitteschön so gefühlsvoll?

"Willst du auch mal losfahren?", kicherte Stegi neben mir und deute auf die Straße.

Verlegen kratzte ich mich am Hinterkopf. "Sorry. Weiß auch nicht, was heute mit mir los ist", meinte ich und konnte spüren wie sich ein leichter Rotschimmer auf meinen Wangen bildete. Das war mir neu.

"Was machen wir heute eigentlich?", fragte der Blondschopf nun neugierig.

"Ach lass dich einfach überraschen." und mit diesen Worten machte ich den Motor an und fuhr Richtung Innenstadt. Es war zwar etwas kindlich was ich geplant hatte, doch so wie ich Stegi kannte, würde er es schön finden. Ich wollte nichts zu romantisches, da es zu sehr nach einem Date aussehen würde. Es sollte simpel und wie zwischen Freunden ablaufen.

Vor einem Spielplatz waren einige Parkplätze, wo ich meinen Jeep zum Stehen brachte. Ich sah Stegi von der Seite an, er jedoch blickte nach draußen und schien zu grübeln, was wir wohl machen würden.
"Ich denke du findest schneller raus, was wir machen, wenn du dich abschnallst und aussteigst, statt in meinem Wagen Wurzeln zu schlagen", lachte ich und stieg selbst aus. Der Kleine machte es mir gleich, allerdings nicht ohne weiter den Spielplatz zu inspizieren. Wenn er hoffte, ich hätte hier ein süßes Picknick organisiert, musste ich ihn leider enttäuschen.

"Willst du noch ein bisschen weiter überlegen oder gehen wir demnächst mal?", fragte ich schmunzelnd. Stöhnend gab er auf und folgte mir. Eine Straße weiter war ein kleines Eiscafé dessen Tür ich nach außen öffnete und Stegi anzeigte, dass er hereingehen sollte. Ihm schien wohl langsam zu dämmern, was ich geplant hatte. "Such dir drei Kugeln aus, ich zahle", meinte ich zu dem kleineren und schaute selbst schon mal, was ich nehmen würde.

Im Endeffekt entschied ich mich für Zitrone, Schokolade und Himbeere, Stegi hingegen blieb beim klassischen Schoko-Vanille, jedoch mit einer Kugel Waldmeister dazu. Etwas angeekelt sah ich auf die grüne Kugel, an welcher er genüsslich leckte. "Was? Das Zeug is voll lecker!" verteidigte er sein seltsames Eis. Ich hob nur abwehrend die Hände und aß mein eigenes Eis.

Nicht weit vom Spielplatz entfernt setzten wir uns auf eine Bank. Da sie nicht sonderlich groß war, saßen wir relativ nah beieinander, was jedoch keinen von uns störte. Ich vermutete jedenfalls, dass es den Waldmeister-Eis essenden Jungen neben mir nicht störte.

Auf dem Spielplatz waren einige Eltern mit ihren kleinen Kindern, auch zwei Mädchen mit einem kleinen Jungen saßen auf einer der Bänke und unterhielten sich. Sie sahen nicht viel jünger aus als Stegi und ich, vielleicht so 14 oder 15. Den kleinen Jungen bei ihnen schätzte ich auf sechs Jahre.

Plötzlich zeigte die Brünette der beiden Mädchen auf uns, woraufhin die andere anfing zu kichern. Sie holten den kleinen Jungen von einem der Klettergerüste zu sich und sagten ihm irgendetwas, was ich jedoch nicht verstand, da wir zu weit weg waren. Mit einem Mal riefen die drei wie Wild gewordene Hühner etwas über den ganzen Spielplatz, was ich jedoch nur gebrochen verstand. Wenn ich mich nicht irrte, war es sowas wie "Stexpert ist real", doch sicher war ich mir nicht. Stegi hatte die drei wohl auch schon bemerkt und grinste vor sich hin.

Der kleine Junge rannte über den ganzen Spielplatz auf uns zu. Mein Bankgenosse und ich sahen uns verwirrt an und dann wieder zurück zu dem kleinen Jungen.

"Hallo!" begrüßte uns der Kleine grinsend. "Hey Sportsfreund", lachte ich.
"Wisst ihr was?", fragte er uns geheimnistuerisch. "Was denn?", fragte jetzt wiederum Stegi.

"Ihr beiden seit voll süß zusammen!", schrie er fast über den ganzen Spielplatz, was meine Wangen knallrot werden ließ.

"Das ist aber lieb von dir"; bedankte sich der Blondschopf neben mir. "Weißt du was es heißt, wenn man schwul ist?", fragte er. Der Kleine Junge nickte stolz. "Findest du es okay wenn Jungs schwul sind?" 

Das interessierte mich nun auch. Vielen Kindern wurde es vorgelebt, dass es eine Schande war nicht heterosexuell zu sein. Dass der Junge hier vor mir mit seinen maximal 7 Jahren schon wusste, was schwul sein bedeutet, war beeindruckend genug.

"Natürlich ist das nicht schlimm. Nur weil sich zwei Jungs lieben, wie ihr beiden, sind sie doch nicht anders wie andere Menschen." antwortete das kleine Kind, als wäre es das selbstverständlichste der Welt. Diese Worte ließen mein Herz schmelzen, ich versuchte innerlich aber auch nicht auf den Part einzugehen, in dem er sagte, wir würden uns lieben.

Stegi schien es ähnlich zu gehen wie mir. "Deine Einstellung ist echt toll Großer! Wir müssen jetzt aber leider gehen, vielleicht sieht man sich ja bald wieder", zwinkerte ich ihm zu, während ich aufstand und mich ein wenig streckte. Stegi machte es mir nach und ging schon mal zu meinem Jeep.
"Aber weißt du, wir sind gar nicht zusammen." meinte ich noch leise zu dem kleinen vor mir.
"Noch nicht", lachte er und ging zurück zu den Mädels, aber nicht ohne nochmal dieses seltsame Mantra alias "Stexpert ist real" zu rufen.

Ich kam Stegi hinterher und setzte mich in meinen Wagen. Auf der Heimfahrt redeten wir ebenso wenig wie schon die ganze Zeit. Ich fand diese Stille zwischen uns aber auch nicht schlimm, eher angenehm um sich über alles mögliche Gedanken machen zu können.

Bei ihm Zuhause angekommen blieben wir noch ein wenig in meinem Auto sitzen.
"Dieser Kleine von eben, der war ja mal mega Zucker...", murmelte der Junge neben mir.
"Geb ich dir Recht. Und seine Einstellung ist so, wie man sie sich von jedem wünscht."
Zum Abschied umarmte er mich, was in mir ein schönes Gefühl auslöste. Nicht so eines, wie wenn man verliebt ist. Nein eher weil ich ihn umarmen wollte, aber Angst davor hatte und er zum Glück den Schritt gewagt hatte. "Es war echt schön heute, ich hoffe wir können das bald wiederholen." meinte Stegi mit leicht rötlichen Wangen. "Ja finde ich auch. Danke, dass du diesen Tag mit mir verbracht hast."

Als Antwort grinste er nur und stieg aus meinem Jeep aus. Auf dem Heimweg dachte ich viel über den heutigen Tag nach, aber besonders über die Worte des kleinen Jungen. 'Nur weil sich zwei Jungs lieben, wie ihr beiden...' Liebte ich Stegi denn?


Damn, he is gay! | Stexpert (Reupload)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt