Gefangenschaft

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Ich wachte auf, doch konnte nichts sehen außer vollkommene Dunkelheit.

Ein Albtraum vielleicht?

Ich fasste an die Stelle, an der die Wunde sein müsste und zuckte vor Schmerz zusammen.
Sie war tatsächlich noch da, somit war das alles doch kein einfacher Albtraum...
Die Wunde war wohl nicht allzu tief, da ich offensichtlich noch am Leben war.
Möglich ruhig nahm ich meine Umgebung war. Das erste was mir in die Nase stieg war ein grausam widerlicher Gestank, als wäre irgendwas verfault.
Ich tastete um mich und spürte etwas komisches... Es war hart und uneben und lag direkt unter mir. Etwas stach unangenehm in meinen Rücken.
Der kleine Raum ruckelte und es war generell sehr laut. Anscheinend befand ich mich im Kofferraum eines Wagens. Alles war so eng und dunkel, was mich in Panik versetzte. Ich steigerte mich binnen Sekunden hinein und hämmertet wie wild gegen die Decke über mir. Mit einem Mal gab die vermeintliche Wand nach und ein kalter Windstoß kam mir entgegen.
Meine Annahme bestätigte sich, sodass ich auf rasend bewegenden Asphalt blickte.
Die frische Luft kühlte meinen überhitzten Körper ab und ich konnte somit erstmal etwas zur Ruhe kommen. Tief atmete ich ein und aus und ließ mich im nächsten Moment ohne groß darüber nachzudenken, aus dem fahrenden Gefährt fallen. Zu meinem Glück fuhren keine Autos hinter uns.
Ich rollte ein/zwei Meter über das schmutzige Grau und befand mich nun auf einer Brücke. Wenige Sekunden darauf traf mein Blick den eines Passanten, der das Geschehen geschockt mitverfolgt hatte. Verzweifelt rief ich um Hilfe, während ich wiederholt versuchte, mich vernünftig aufzurichten, doch mein Körper wollte einfach nicht auf mich hören.

Nachdem der Mann sich aber auch mal dazu entschieden hatte, sich in Bewegung zu setzen und Hoffnung in mir aufflammte, kam der Wagen zum Stehen.

Er hatte mein Fluchtversuch durch den Rückspiegel mitbekommen und legte nun den Rückwärtsgang ein.

Ich schrie meine letzte Rettung an, sie solle sich gefälligst bewegen und mir endlich aufhelfen, dass wir beide hier lebend wieder rauskämen. Doch er starrte nur gebannt das näher kommende Auto an und regte sich keinen Millimeter.

Scheiße... Scheiße! Scheiße! Scheiße!

Er stieg aus und ging mit einer Knarre in der Hand direkt auf den jungen Mann zu.
Ein Schuss. Mehr war es nicht.
Ein Schuss und der bis grade noch erstarrte Körper sackte leblos auf den Boden zusammen.
Jetzt war ich es, die sich nicht rührte und zu sah, wie er die Waffe seufzend wegsteckte und sich in Bewegung setzte. Genervt hob er den Leichnam mit einem geübten Griff über seine Schulter und warf ihn über die Abgrenzung hinein ins nachtblaue Wasser. Mit einem Stöhnen presste er seine Hände in den Rücken und streckte sich, während ich mit all meiner Kraft nochmals versuchte in entgegengesetzte Richtung auf die Beine zu kommen. Allerdings führte das nur dazu, dass ich ungeschickt stolperte und mir meine Wunde die letzte Luft aus den Lungen schlug.
Ehe ich mich versah, stand er hinter mir, packte mich an den Haaren und schleppte mich in Richtung Kofferraum.
Durch den Lichtschimmer der Straßenlaternen konnte ich nun erkennen, was sich vorher die ganze Zeit unter mir befand: Glanzlose, graue Augen auf einer bleichen Haut, die ins Leere starrten.
Ich winselte und versuchte zu schreien; flehte ihn an, dass er mich loslassen sollte, doch er hörte mir gar nicht zu und warf mich neben den Wagen.
Die Gelegenheit wollte er wohl nutzen, um den Kofferraum etwas auszumisten. Keine Minute später leistete der Leichnam dem anderen Gesellschaft.
Sich den Schweiß von der Stirn abwischend kam er wieder zu mir und hob mich in den Kofferraum. Die Heckklappe wurde zugeschlagen und abschließend gesichert.
Jetzt schien es kein Entkommen mehr zu geben...
Ich konnte gar nicht fassen, wie kalt ein Mensch sein konnte. Gedanken darüber, was grade passiert war, ob mit mir das gleiche geschehen würde oder noch schlimmeres als das, trieben mich in den Wahnsinn. Ich stieß einen ohrenbetäubenden Schrei aus. Doch keiner hörte ihn.
Wieder und wieder kam mir der Mann vor Augen, der mir doch eigentlich nur helfen wollte, nun aber in der tiefen Schwärze des Nassen schwebte.

Denk nicht daran. Du darfst einfach nicht daran denken...

Ich versuchte auf andere Gedanken zu kommen, da ich wieder zu hyperventilieren begann und die Tränen unaufhaltsam über mein Gesicht flossen.

Aber an was soll ich Bitteschön denken?
Ich wurde gekidnappt, liege in einem Kofferraum, die Wunde frisst meinen Bauch auf und vorne am Lenkrad sitzt ein Psychopath, von dem ich keine Ahnung habe, zu was er im Stande ist.

Das mit dem Mich-auf-andere-Gedanken-zu-bringen hatte ja blendend funktioniert...

Es ist was es istWo Geschichten leben. Entdecke jetzt