Kapitel 6.

6.3K 246 1
                                    

"Emery! Emery!", rief Benjamin und umarmte mich fest. "Du lebst! Ich dachte, ich sehe dich nie wieder." Er schniefte und presste mich fester an sich.
Vorsichtig strich ich über seinen Rücken. Wir waren zurück auf den Straßen. Auf dem Weg zu unserem Zuhause. Einen verlassenen Schuppen im Garten eines alten Mannes. Er war taub und es war ihm egal, dass wir da lebten.
"Wir haben dich so vermisst. Man, beinahe hätten uns die Hüter erwischt. Nur weil Orlando diesen blöden Saft haben wollte."
Ich musterte ihn. "Er ist noch ein Kind. Das weißt du, oder?"
Benjamin seufzte. "Ja. Schon klar. Schön, dass du wieder da bist."

"Hey! Du kleine Hure!"
Ich schreckte auf und knallte mit dem Hinterkopf gegen die untere Bettkante. Ich unterdrückte ein Schreien, aber ich konnte das warme Blut spüren.
"Selbst Schuld." Amadeo löste die Fesseln und zog mich am Fuß hinter sich her. "Deine Dummheit muss einfach bestraft werden."
Ich schluckte. Autsch. Das tat weh. Aber es waren nicht die Worte, die mich verletzten. Oder der kalte Boden, über den mein Körper geschleift wurde. Es war das alles. Dass ich wieder hier war. Dass ... dass es nur ein Traum gewesen war.
Ich schniefte und wischte mir durchs Gesicht.
"Heulst du jetzt etwa?", fragte Amadeo perplex. Er blieb stehen und packte mein Kinn. Seine Augen funkelten wie die eines Raubtieres.
Ich schluckte und schüttelte schnell den Kopf. "Nein, Master."
Er grinste. "Bist du so kaputt? So sehr, dass du dich sogar an die Regeln hältst? ... Ts. Ts. Ts." Er drehte meinen Kopf unsanft hin und her und betrachtete mich ganz genau. "Oder ist das nur so ein billiger Trick von dir?"
Beides. Ich wollte weg. Aber fertig war ich auch. Fix und fertig. Vielleicht lebten Benjamin und Orlando gar nicht mehr. Ich stockte. Ich erinnerte mich an Orlando. An den kleinen Jungen mit den weißen Haaren!
Ich erinnerte mich!
Seit den Unfall damals kamen immer nur Bruchstücke zurück. Aber so viel Infos auf einmal.
Ich schluchzte auf. Nein! Ich wollte mich nicht erinnern! Diese Unwissenheit war immer mein Schutz gewesen! Immer! Ich konnte mir einreden, dass es vorher noch schlimmer war. Noch viel schlimmer. Aber seit ich mich an Benjamin erinnerte, bezweifelte ich das. Und scheiße ... jetzt erst recht.
"Emery!", fauchte Amadeo und verpasste mir eine Ohrfeige, dass mein Kopf zur Seite flog. "Hör mir zu, wenn ich mit dir rede."
"Entschuldige, Master.", hauchte ich leise und begann zu weinen. Diese scheiß Welt. Das war so ungerecht. Warum passierte mir das! Und warum hatte ich das Gefühl, dass kein anderer Sklave damit Probleme hatte?!
Amadeo seufzte und zerrte mich auf die Beine. Er sagte nichts mehr dazu. Auch wenn er es von mir nicht kannte. Es musste ihn bestimmt stolz machen, mich gebrochen zu haben.
"Ich wollte dir jemanden vorstellen.", grinste Amadeo in der Küche und deutete nach vorne. Auf den kräftigen Jungen mit den breiten Schultern, der sich sofort umdrehte. "Master Amadeo, wünschen Sie sofort zu speisen?"
Ich starrte ihn an. Amadeos Hand legte sich schwer auf meine Schulter und drückte mich immer tiefer. Bis ich auf dem Boden kniete.
"Emery, das ist Cole." Er tätschelte meinen Kopf. "Er ist mein neuer Sklave und du wirst auf ihn genauso hören wie auf mich. Sonst wirst du es noch bitter bereuen."
Ich starrte ihn an. Er warf mich weg. ... Er hatte einen neuen Sklaven? War ich so eklig gewesen? War ich so anstrengend? Ich ... Es tat weh. Selbst wenn es das nicht sollte. Und ich froh sein sollte. Ich war es nicht. Und die Kopfschmerzen machten es nur schlimmer.
"Heul nicht. Putz den Boden." Amadeo stieß mich unsanft auf die kalten Fliesen. "Nach dem Essen bist du fertig." Er lachte und setzte sich an den Tisch. Und Cole servierte ihm mit einem höflichen "Guten Appetit, Master." das Frühstück.

Sorry, MasterWhere stories live. Discover now