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,,Sag Mal, hat du eigentlich vor, dich noch Mal mit dem Gartenzwerg zu treffen?", fragte Mille gerade vorsichtig, als es an der Türe klingelte. Es war kurz nach elf an einem Mittwochabend und der Student und der Unsichtbare lagen bereits seit einer Dreiviertelstunde dicht nebeneinander. Bisher hatten sie die meiste Zeit geschweigen, doch genau in dem Moment, in dem Maximilian noch ein Mal auf Kjell zurückkommen wollte, wurden sie von dem durchdringenden Geräusch an der Türe abgelenkt.

,,Welcher Pisser klingelt so spät bei uns?!", knurrte Mille sichtlich genervt, machte jedoch keine Anstalten, sich aufzurappeln und die Türe zu öffnen. Auch der Neunzehnjährige war zu faul sich zu bewegen, weshalb er hoffte, dass die Person, wer auch immer es war, schnell verschwand- wenn das Gesprächsthema dann auch unangenehm auf Kjell lenken würde. Der Mensch, der sich wohl im Flur den Arsch abfror, schien jedoch unbedingt in die Wohnung gelangen zu wollen, denn nun wurde Sturm geklingelt. ,,Ich komm ja schon", murrte der Blauhaarige, seufzte und stand auf, wobei er seinen um Nevid gelegten Arm leider wegnehmen musste. Nun wurde es auch dem Unsichtbaren zu unbequem und er folgte dem Student an den Flur entlang.

Sauer riss Mille die Türe auf und hätte sie am liebsten sofort wieder zugeknallt. Davor stand das schwarzhaarige Arschloch höchstpersönlich. Leicht schwankend stand ein wohl angetrunkener Lorik im Türrahmen und ließ seinen überheblichen Blick über seinen Kommilitonen schweifen.

,,Wo isser?", fragte er dann nuschelnd. Ich korrigiere: Nicht angetrunken sonder betrunken, merkte Nevid in Gedanken an. ,,Was zum Teufel willst du hier, Arschloch?", fuhr der Blauhaarige den Eindringling scharf an und kniff seine grünbraunen Augen zusammen. Aus dem Hausflur kam ein kalter Luftschwall in das Innere der geheizten Wohnung und ließ die Härchen an Nevids nackten Armen nach oben fahren.

,,Wo is Nevd?", ertönte allerdings eine lallende Gegenfrage, auf die hin der Blauhaarige nur höhnisch lachte. ,,Was willst du von Nev? Ihn beleidigen? Dann gnade dir Gott, du wirst hier nicht mehr unverletzt rauskommen?", knurrte dieser mit vor Wut zitternder Stimme. Besänftigend fuhr Nevid seinem besten Freund über den Rücken um ihm zu signalisieren, dass Lorik es nicht wert war.

,,Neee, isch wollt nur 'schuldigung sagn'" , entgegnete der Schwarzhaarige und blickte betreten auf den Boden, wobei er fast vornüber gekippt wäre. Nevid, der den Mann im letzten Moment daran gehindert hatte, roch eine starke Alkoholfahne und rümpfte die Nase. ,,Du riechst als wärst du in ein Schnapsfass gefallen, Lorik", meldete er sich zu Wort und fragte sich innerlich, wie viel sein ehemaliger Schwarm getrunken hatte- und was der Grund dafür war. Hatte er zuvor Abscheu empfunden, so war der Unsichtbare nun nur noch voller Mitleid dem Student gegenüber.

Mille derweil starrte seinen ehemaligen Kumpel regungslos an, als warte er nur darauf, dass dieser etwas unangebracht dummes sagte. Doch dies war nicht der Fall.

,,Nev, 's tut mir Leid", Lorik hickste, ,,isch hab so g'meine Sachn g'sagt und 'schuldiguuung. Könn' wir das Date nachholn'?" Erschrocken hätte Nevid den Schwarzhaarigen beinahe wieder fallen gelassen und auch Maximilian sah aus, als könnte er nicht glauben, was er soeben gehört hatte.

,,Umm", Nevid wusste nicht, was er sagen sollte, ,,also... Ich meine... vielleicht könnte-" Doch da fiel ihm sein Mitbewohner ins Wort: ,,Nein, könnt ihr nicht. Lorik verpiss' dich, Nev ist mein fester Freund und du pfuschst da sicher nicht rein, du Eintagsfliegensammler!" Trotz der riesigen Lüge, die Mille Lorik soeben aufgetischt hatte, musste Nevid lachen.

,,Du bis' auch ne' Schwuchtel?", fragte Lorik fassungslos mit ungeschickt gewählter Wortwahl, denn kurz darauf traf ihn eine flache Hand auf der Wange. Erschrocken fasste der Schwarzhaarige mit großen Augen seine Wange an, ungläubig, was soeben geschehen war. Auch Nevid sah seine Hand an, als hätte er sie noch nie gesehen- er hatte Lorik geschlagen!

,,Renn, Lorik, bevor ich dich grün und blau schlage. Wenn du jemals wieder meinen Freund oder mich beleidigen solltest, dann wirst du nicht mehr aufwachen", drohte Mille mit gefährlich leiser Stimme. Die Information, dass er hier nichts mehr bewirken konnte, schien so langsam auch in Loriks betrunkenes Gehirn zu gelangen, denn er taumelte einige Schritte zurück den den Hausflur, bevor Mille die Türe zuknallte.

,,Was traut dieser beschissene Hurensohn sich eigentlich?! Ich hoffe er fällt besoffen die Treppe runter oder rennt vor ein Auto!", knurrte Maximilian, seine grünbraunen Augen funkelten wütend in dem schwachen Licht. Nevid hingegen hatte nooch immer nicht realisiert, was hier gerade geschehen war. Nur die rasende Wut in seinem Innern beherrschte ihn. Kurzzeitig hatte es geschienen, als würde es Lorik wirklich Leid tun, doch dann... Fassungslos schüttelte Nevid seinen Kopf.

So nah und doch so fern | BoyxboyWhere stories live. Discover now