Kapitel 37

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Mit einem Buch auf meinem Schoß liegend, saß ich auf meinem Bett, lehnte mich an die Wand hinter mir, an der mein Bett stand und versuchte mich darauf zu konzentrieren, was die Autorin in diesem Buch beschrieb.

Jedoch war das im Moment schwieriger für mich, als gedacht.

Nicht, weil meine Gedanken wo anders waren, sondern weil mein Vater vor mir auf dem Bett saß und mich ohne Unterbrechung anstarrte.

Schon seit zwei Tagen tat er dies, seit der Sache zwischen mir und Colin und das aus dem einfachen Grund, dass er wissen wollte, was geschehen war. Ich wollte es ihm aber nicht sagen, denn auch wenn Colin so ein verdammtes Arschloch zu mir war, und verletzende Sachen gesagt hatte, wusste ich, dass mein Vater Gutes in ihm sah und das wollte ich ihm nicht nehmen.

Ich seufzte auf, als ich mein Buch zuklappte, es auf die Seite legte, da ich sowieso nun keine Lust mehr hatte zu lesen und zu meinem Vater blickte, mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Also?“, fing ich an und setzte mich gerade auf, verschränkte meine Arme vor der Brust und seufzte einmal laut. „Dir ist doch hoffentlich bewusst, wie gruselig es ist, dass du tagsüber die ganze Zeit hier bist und mich anstarrst und das bereits seit zwei Tagen, oder?“

„Ich versuche dich zu durchschauen.“, antwortete mein Vater nur, weswegen ich nickte.

„Es gibt nichts zum Durchschauen, Papa. Was auch immer du denkst, mir geht es gut.“

„Ich glaube dir nicht.“

„Und selbst wenn du mir nicht glaubst, es ist egal. Es nervt mich, dass du die ganze Zeit hier bist und mir beobachtest, als würde ich irgendetwas anstellen wollen.“, seufzte ich wieder und fuhr mir durch meine Haare, als mein Vater nur mit seinen Schultern zuckte. „Lass mich doch bitte in Ruhe. Es gibt Sachen, die ich alleine durchmachen muss.“

„Wieso denn? Was ist denn so schlimm daran, wenn ich in deiner Nähe bin?“

„Eigentlich nichts, aber du rückst mir auf die Pelle, Papa. Was soll ich machen, dass du endlich aus meinem Zimmer gehst?“

„Nichts. Ich werde nicht gehen.“

„Dann werde ich eben gehen.“, atmete ich aus, stand von meinem Bett auf und ignorierte das Kopfschütteln meines Vaters, als ob er es mir verbieten wollen würde, dass ich nun ging. „Du kannst es mir nicht verbieten, Papa. Ich bin Volljährig.“ Und damit ging ich zu meinem Kleiderschrank, nahm mir eine dünne Strickweste daraus und zog sie an, worauf ich mich nochmals zu meinem Vater wandte, der mehr als unzufrieden aussah. „Und wenn du Sancho siehst, gib ihm doch ein Kuss von mir, ja?“

„Wo gehst du jetzt hin, Amilya?“, rief mir Papa hinterher, als ich aus meiner Zimmertür trat und sofort rollte ich mit meinen Augen.

„Irgendwohin, wo ich mal für mich alleine sein kann.“

„Also nicht zu Colin?“ Ich ignorierte seine Frage einfach, zog mir meine Schuhe an, als ich im Flur angekommen war und trat sofort aus dem Haus raus, atmete die frische Luft ein und schloss für einen kurzen Moment meine Augen.
Ich liebte mein Vater, mehr als alles andere und er war einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben, aber ganz ehrlich: In den letzten Tagen ging er mir einfach nur auf die Nerven.

Immer wieder musste er mich fragen, was los war, wieso ich an dem Abend der Autopanne, einfach abgehauen war und ob ich denn mit Colin stritt.

Ich hatte eigentlich keine Geheimnisse vor meinem Vater und wollte es auch nicht, aber andererseits wollte ich auch nicht mit ihm darüber reden. Erstens, weil es um Colin ging und ich keinen verdammten Gedanken an ihn verschwenden wollte und zweitens, weil mein Vater sich wieder einmal für Colin einsetzen würde und mich überreden wollen würde, die ganze Sache mit Colin zu klären.

Jedoch gab es nichts zum Klären. Colin hatte gesagt, was er dachte, hatte mir seine Meinung gesagt und auch die Wahrheit, also wieso sollte ich dann noch meine Zeit mit ihm verschwenden? Es brachte sowieso nichts, denn am Ende würden wir nur wieder in einem Streit enden. Vorausgesetzt ich würde ihm nicht nochmals in die Eier treten, für sein unhöfliches Verhalten.

Noch immer konnte ich ihm manche Sachen, die er gesagt hatte, nicht glauben. Ich wusste nicht wieso, aber ich konnte einfach nicht akzeptieren, dass er Jane immer geliebt hatte und das mehr als mich. Ja, er hatte sich für sie entschieden und war nun mit ihr zusammen, aber für mich war das alles eher wie eine Show. Wenn er sie doch angeblich so sehr liebte und sie immer die Richtige war, wieso war er ihr dann so distanziert und desinteressiert gegenüber, wenn man sie zusammen sah? Müssten die Beiden nicht auf Wolke Sieben schweben und jedem deren tolle Beziehung unter die Nase reiben?

Und wenn er sie doch so sehr liebte, wieso betrog er sie dann?

Okay, das hatte nicht viel zu sagen. Schließlich hatte er mich auch angeblich geliebt und es hatte ihn nicht davon abgehalten mich zu betrügen, und das mit Jane.

Ich wusste einfach nicht mehr, was ich denken sollte und schlau wurde ich auch nicht aus dieser ganzen Scheiße.

Frustriert atmete ich aus, schloss mein Auto auf und setzte mich hinter das Steuer, nur um so schnell wie ich nur konnte den Motor zu starten und geschickt aus der Einfahrt zu fahren. Ich hatte keine Ahnung wohin ich fuhr, während ich meinen Fuß immer stärker aufs Gaspedal drückte und versuchte, mich auf den Verkehr zu konzentrieren.
Es fiel mir schwer, darauf zu achten, wie ich fuhr und was ich eigentlich gerade tat, da meine Gedanken einfach nicht ihre Fresse hielten.


„Freut mich auch Sie wiederzusehen.“, zischte ich, als ich in den Laden trat, in dem ich den Kratzbaum für Sancho kaufen wollte und mich sogleich der Kassierer wiedererkannte, den ich das letzte Mal dumm angemacht hatte. Sofort, als er mich erblickt hatte, verdunkelte sich der Ausdruck in seinem Gesicht und ich musste mich zusammenreißen, ihm nicht meinen Mittelfinger ins Gesicht zu drücken. „Arschloch.“, murmelte ich vor mich her, als ich den Blick abwandte und zur Abteilung für Katzen ging.

Mir war klar, dass alle anderen Einkäufe, die ich letztens gemacht hatte, bei Colin waren, da ich nicht daran gedacht hatte, diese aus seinem Auto zu nehmen, als dieser Streit zwischen uns gewesen war. Ich sah es nicht ein, alles nochmals einzukaufen, weswegen ich mir einfach überlegte, meinen Vater zu überreden, die Sachen bei Colin abzuholen, denn ich würde mit Sicherheit nicht freiwillig in seine Nähe wollen.

Schnell hatte ich das was ich gesucht hatte und lief mit dem Einkaufwagen, in dem gerade so der kleine Kratzbaum passte, zur Kasse, machte mich schon einmal bereit für einen Blickduell mit dem Kassierer, wobei ich mir sicher war, dass ich gewinnen würde, denn niemand war so beschissen drauf, wie ich momentan.

Ich rollte mit meinen Augen, als der Kassierer kein einziges Wort mit mir wechselte und nur auf den Betrag zeigte, der auf dem kleinen Display der Kasse stand, um mir zu zeigen, wie viel ich bezahlen musste.

„Dir auch einen schönen Tag noch.“, meinte ich ironisch, gab ihm das Geld und verschwand darauf einfach wieder.
Nach längerem Versuchen hatte ich es endlich geschafft  den Kratzbaum so gut wie nur möglich in mein Auto zu schaffen, ohne irgendetwas kaputt zu machen und ich musste sagen, ich war stolz auf mich. Ich hatte auch Glück, dass es kein großer Kratzbaum war und nun war ich wieder in meinem Zimmer, lag auf meinem Bett, neben mir mein kleiner Kater, der schlief und zufrieden vor sich hin schnurrte.

Ich hingegen lag einfach nur regungslos da, tat einfach gar nichts und langweilte mich nicht einmal dabei. Ich war eher der Meinung, würde ich jetzt etwas tun, dann würde ich mich langweilen. Außerdem brauchte ich das jetzt einfach mal, dass ich ohne mich zu bewegen dumm in meinem Bett lag und an die Decke starrte, nur mit dem Schnurren meines Katers neben mir.

Mein Vater kam irgendwann in mein Zimmer, fragte mich, wo ich gewesen war und ich sagte ihm, dass ich einen Kratzbaum einkaufen gewesen war, den mein Vater sofort zusammenbauen wollte, aus Angst, dass Sancho davor irgendwelche Möbel zerkratzen würde. Ich rollte einfach nur mit meinen Augen.


„Papa, kannst du mir einen Gefallen tun?“, fragte ich meinen Vater sofort, als ich in der Früh, besser gesagt am Nachmittag, in die Küche trat und ihn dort am Küchentisch sitzend vorfand.

„Dir auch einen schönen Nachmittag, Ilchen.“, bemerkte er nur und sah mich mit einem Lächeln auf den Lippen, weswegen ich nur nickte.

„Ja, dir auch Papa. Also, könntest du mir einen Gefallen tun?“

„Kommt darauf an, was du willst.“

„Ich wollte dich nur darum beten, vielleicht die ganzen Einkäufe, die ich für Sancho gemacht habe, bei Colin Zuhause abzuholen? Ich habe sie das letzte Mal in dem Auto seines Vaters vergessen.“, schmollend blickte ich ihn an, als er nur seine Augenbrauen hob. „Bitte, Papa. Ich brauch unbedingt das Katzenklo! Sancho scheißt mir sonst mein Zimmer voll.“

„Wieso fährst du nicht einfach selber zu Colin und holst die Sachen?“

„Weil ich ihn nicht sehen will und bevor du fragst-“, sprach ich gleich, da mein Vater bereits sein Mund öffnete, um mich wahrscheinlich zu fragen, wieso ich Colin nicht sehen wollte. „-ich sage dir nicht wieso. Es ist nicht wichtig.“

„Na ja. Wenn du so auf ihn reagierst, dann muss es schon wichtig sein.“

„Papa, bitte.“, jammerte ich, was ihn zum Lachen brachte und er kapitulierend seine Hände hob.

„Ist ja schon in Ordnung. Deine Sachen werden später hier sein.“

„Danke!“ Ich küsste meinen Vater auf die Wange, lächelte nochmals und verschwand dann wieder aus der Küche, erleichtert darüber, dass er zu Colin fahren würde und ich somit diesen Jungen nicht sehen musste.

Ich war vielleicht nur noch drei Wochen hier, sogar weniger, und diese Wochen will ich einfach nur noch alleine verbringen. Und mit Alleine meinte ich mit meinem Vater und Sancho.

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