Teil 1

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Ich bin Rana. Ich bin 18 Jahre alt und bin letzten Monat mit meinen Geschwistern nach New York gezogen. Der Kulturschock ist enorm. Die Stadt ist laut, aggressiv und pulsiert. Sie ist zügellos und individuell. Also genau das Gegenteil von dem was wir die letzten 10 Jahre erlebt haben. Wir sind in einem Shaolin Kloster gewesen. Unsere Eltern haben uns da hin geschickt als unser Bruder auf offener Straße erschossen wurde. Das hat uns Geschwister sehr geschockt, am meisten aber seine Zwillingsschwester Dain. Dain redet seitdem nicht. Dain schaut auch nicht. Dain arbeitet immer verbissen. Sie kämpft besser als jeder andere von uns. Sie lernt verbissen und sie liebt Computer und die Musik. Sie liebt die Einsamkeit. Sie lebt in ihrer eigenen Welt. Ein Teil von ihr ist mit ihrem Bruder gestorben.
Da mein Vater sozusagen ein Maffiaboss ist war das nur eine Frage der Zeit dass einem von uns etwas passiert. Im Kloster haben wir gelernt uns zu verteidigen. 24 Stunden Drill am Tag wurde uns zur Gewohnheit. Das Leben im Kloster ist von festen Regeln bestimmt. Nie darf man etwas für sich tun außer meditieren.
Nun aber sind wir in New York!
Meine älteren Geschwister haben sich eine alte Lagerhalle gekauft. Dort wollen sie ihren eigenen Shaolin Tempel errichten. Wir haben Teile der Halle schon hergerichtet. Sie dienen als Trainingsraum.
Da wir Geld brauchen haben wir uns bei allen möglichen und unmöglichen Stellenangeboten beworben.
Letztendlich bin ich in dem Betrieb wo auch meine ältere Schwester arbeitet untergekommen: Carter Corp.
Finja arbeitet als persönliche Assistentin für einen der Manager dort.
Über sie habe ich die Stelle bekommen. Ich werde in einem Großraumbüro sitzen und die Texte für Flyer erstellen. Ich bin nervös an meinem ersten Arbeitstag. Finja geht mit mir zusammen ins Büro und führt mich zu meinem Schreibtisch. Am gegenüberliegenden Schreibtisch sitzt ein junger Mann. Er schaut uns mit großen braunen Augen an und Finja stellt mich ihm vor: „Das hier ist Rana, das ist Matt. Rana wird mit dir zusammen an den Flyern basteln. Rana du bist für den Schreibkram zuständig, Matt fürs Layout." Finja bedeutet mir dass ich mich setzen soll und will mir gerade alles erklären als ein großer blonder Mann sie zu sich in sein Büro ruft.
Sie springt regelrecht auf entschuldigt sich hastig mit einem Lächeln und geht.
Mein gegenüber schaut mich freundlich an: „Soll ich dich in die Geheimnisse unserer Arbeit einweihen?" Ich nicke dankbar und er kommt rum und erklärt mir meinen Schreibtisch.
Nach einem anstrengenden Vormittag schlägt mein Gegenüber vor essen zu gehen. Matt ist ziemlich lustig. Er hat immer ein Lachen im Gesicht. Er redet viel und lacht laut über seine eigenen Witze. Ihm brauche ich nur zuhören und mich amüsieren. Mit ihm ist das Leben einfach. Zur Mittagspause trifft sich Matt mit einem Mann namens Colin. Der hat lange schwarze Haare, blaue stechende Augen und ist so ziemlich das Gegenteil von Matt: ernst, verschlossen, schweigsam und verbittert. Als Matt uns miteinander bekannt macht nicke ich ihm nur kurz zu, lasse ihn aber ansonsten in Ruhe. Matt quatscht die ganze Zeit während Colin abwesend sein Sandwich kaut. Ich beobachte die beiden und halte auch die Klappe. Es reicht ja wenn einer spricht.
Die Pause ist um und Matt meint: „Dann will ich unserer Prinzessin mal weiter erklären wie der Hase hier läuft." Prinzessin? Ich weiß nicht ob ich mich über den Kosenamen ärgern soll. Ich bin kein kleines zerbrechliches Püppchen. Aber so wie Matt ihn ausspricht klingt es irgendwie nett. Also belasse ich es dabei.
Wir gehen gemeinsam ins Büro und arbeiten noch bis zum Feierabend konzentriert. „Dann also bis morgen, Prinzessin." verabschiedet sich Matt. Ich grinse ihm schief zu und meine: „Ich freu mich."
Finja kommt auch aus dem Gebäude und wir winken Matt noch kurz zu. Der geht zu einem Motorrad und wir gehen zu U Bahn.
„Wie war dein erster Tag?" fragt Finja. „Anstrengend aber schön." „Wen hast Du denn schon alles kennen gelernt?" „Äh, Matt und Colin." „Oh, da hat Matt dich aber nicht gerade herumgeführt. Matt kennt alle im Haus und normalerweise ist er nicht gerade oft an seinem Schreibtisch." Finja schaut mich mit einem Lächeln an: „Und? Wie gefällt er Dir?" Diese Frage geht mir zu weit. „Ich dachte ich wäre auf Arbeit, nicht auf einem Heiratsmarkt!" Ich schaue sie böse an, doch sie lacht.
Am nächsten morgen bin ich als erste an unseren Schreibtischen. Ich schaue ob ich mich an all die Dinge erinnern kann die Matt mir gestern erklärt hat. Zumindest den Computer bekomme ich an. In meinem Postfach entdecke ich mehrere Mails. Die meisten sind interne Infos. Aber es ist auch ein Projekt dabei das ich bearbeiten soll. Ich öffne es und verstehe nur Bahnhof! Da kommt mein Retter schon um die Ecke. „Guten morgen, Prinzessin!" ruft er mir fröhlich entgegen. „Du arbeitest schon?" Er kommt zu mir rüber und stellt mir seinen Kaffeebecher vor die Nase. Ich nehme einen Schluck. Der Kaffe ist kräftig und süß. Er passt zu Matt. Ich trinke noch einen Schluck. Der Kaffee ist echt lecker!
Matt schaut mir über die Schulter und stöhnt. „Ich hatte gehofft dass sie dich noch ein bisschen schonen! Direkt am zweiten Tag ein Projekt ist fies." Er seufzt und setzt sich hinter seinen Schreibtisch. Er verteilt seine Sachen darauf und innerhalb von Sekunden ist da drüben nichts mehr ordentlich.
Ich reiche ihm seinen Kaffee rüber und er schließt die Augen um einen tiefen Schluck zu genießen.
„Soll ich dir das Haus zeigen?" „Au ja," strahle ich ihn an. Matt steht grinsend auf und wir gehen erst einmal in den Pausenraum. Mit einer drehenden Bewegung stellt er mir den Raum vor: „Der wichtigste Raum im ganzen Haus." sagt er lachend. Matt lacht gerne über seine eigenen Witze und da er ständig Witze reißt lacht er auch ständig. Mit ihm bin ich gerne zusammen. Mit ihm kann man unkompliziert lachen.
Matt kennt wirklich alles und jeden. Er hat mich auf der ganzen Etage vorgestellt. „Hast Du Bock auf die anderen Büros, Prinzessin?" „Und was ist mit dem Projekt?" Matt denkt nach. „Die anderen sind morgen ja auch noch da." sage ich sanft. Matt nickt und wir setzen uns hinter meinen Schreibtisch. Matt erklärt mir was von mir erwartet wird. Ich konzentriere mich auf seine Worte. Ich will jedes Wort verstehen und mir einprägen.
„Du bist unheimlich, Prinzessin!" Matt sieht mich mit seinen braunen Augen an. Ich schaue ihn an und frage: „ Wie meinst du das?" „Du konzentrierst dich schon seit Stunden und kannst dich selbst an Dinge erinnern die ich dir gestern erklärt habe. Bist du Superbrain oder ein Computer?" Matt lacht über denen blöden Witz. „Ich höre dir halt gerne zu. Und da du so viel Blödsinn erzählst ist es nicht schwer sich die wichtigen Dinge zu merken." Matt lacht schallend über meinen Witz. Ich bin erleichtert. Er kann also auch über sich selbst lachen. Das ist ein richtig toller Kollege!
Matt schlägt vor anstatt einem ausgedehnten Mittagessen nur eine kurze Rast im Pausenraum zu machen. „Ich muss heute zum Training und will daher pünktlich hier raus kommen." sagt er. „Was trainierst Du denn?" „Boxen." sagt er versonnen. Ich muss grinsen. Ich würde ja sehr gerne mal gegen ihn antreten.
„Was ist daran so komisch?" fragt er fast schüchtern. „Nix, es passt nur so gut zu dir." sage ich schnell und lächle ihn von unten an.

MattWhere stories live. Discover now