Teil 49

195 9 0
                                    

Ich weiß gar nicht wo ich in dieser beschissenen Stadt hingehen soll. Zurück ins Hotel wäre schlau, aber ich will nicht schlau sein. Ich will unglücklich sein und flennen. Ich laufe immer auf den Eiffelturm zu. Er leuchtet so schön und ich kann mich gut an ihm orientieren. Mir ist der Boden unter den Füßen weggezogen. Ich fühle mich verloren. Ich lasse mich durch diese entsetzliche Stadt treiben. Unter dem Eifelturm setze ich mich hin. Ich lehne mich an einen Pfeiler. Mein Gesicht lege ich auf meine Knie und die Arme lege ich um die Beine. Einige Clochards lungern neben mir rum. Sie wohnen hier. Ich will nicht stören, ich will weinen. Ich schluchze in meine Knie. Ich wünschte Matt wäre da. Ich kann alles ertragen wenn er bei mir ist. Doch ohne ihn bin ich kaputt. Er hat mich mit einem einzigen kleinen „ja" zerstört. Vor ein paar Wochen war sein „Ja" zu mir noch mein Lebensglück. Immer wieder schüttelt es meinen Körper vor Trauer. Ich heule die ganze Nacht. Die Sonne geht über Paris auf. Ich heule weiter in meine Knie. „Prinzessin" höre ich ihn sagen. Matt steht vor mir. Er hat ein übermüdetes Gesicht. Doch er schaut erleichtert. Ich wische mir die Tränen weg. Er kniet sich vor mich. „Prinzessin" sagt er noch einmal liebevoll. Er streicht mir über die Wange. „Was willst du?" frage ich und klinge schroffer als ich es vor hatte. „Ich habe dich gesucht." sagt er defensiv und zieht seinen Arm zurück. „Du hast mich weggeschickt." Klage ich ihn an. Matt schaut unglücklich. „Das war bescheuert von mir." Ich nicke und schaue an Matt vorbei. Es tut weh und ich bin unglücklich. Matt setzt sich neben mich. Ich reagiere nicht mehr. Ich bin hundemüde. Meine Beine tun weh und mir ist kalt. „Willst du das ich gehe?" fragt mich Matt nach einer halben Ewigkeit. „Nein!" sage ich schnell. Matt nimmt mich in den Arm und ich lehne mich an ihn. Alles tut mir weh, Kopf, Beine, Bauch, Arme und vor allem der Po. „Komm, lass uns gehen." sagt Matt. Ich schüttle den Kopf.  Ich bleibe an Matt gelehnt und höre auf sein Herz. Er gibt mir Wärme. Ich fühle mich nicht mehr verloren denn er hat mich gefunden. Gegen Mittag fragt Matt erneut: „lass uns gehen, ja?" „Matt, ich kann nicht mehr  laufen." sage ich leise. Matt schaut mich an und fragt: „soll ich dich tragen?" Ich nicke. Matt steht auf  und nimmt mich hoch. Mir wird schwarz vor Augen. Die Lichter gehen für mich aus. Ich wache in einem Krankenhaus auf. Matt sitzt neben mir. Ich bin erleichtert und schaue ihn an. Ich liebe ihn und würde es ihm gerne nicht nur sagen sondern auch so vorleben dass er es mir glaubt. Ich will ihn nie wieder verletzen durch mein unbedachtes Handeln. Er lächelt mich an: „Prinzessin, du bist ja wach!" ich lächle ihn an und sehe in sein hübsches Gesicht. Ich will diesen Anblick nie vergessen. Ich möchte sein Gesicht in meine Netzhaut brennen. In mein Herz und meine Seele habe ich ihn schon gebrannt.
Ich schließ die Augen und sehe ihn trotzdem. „Rana, wach auf!" höre ich panische Stimmen. Ich bin glücklich. Ich habe Matt gesehen. Er ist bei mir. In meinem Herz, in meiner Seele in meinen Augen. „Prinzessin!" höre ich ihn schluchzen. Ich öffne die Augen und sehe in Matts angstverzerrtes Gesicht. „Bitte, du musst bei Bewusstsein bleiben. Verlass mich nicht." Ich nicke. Matt klingt so verzweifelt. Ich nehme seine Hand und drücke sie . Ich schaue ihn wieder an und mein Herz hüpft. Ich liebe diesen Mann so sehr. Doch der Riss in meinem Herzen ist noch da: „Bitte schick mich nicht weg." meine Stimme klingt heiser. Es ist kaum ein Flüstern. Matt streichelt meine Wange und sagt: „Das werde ich nie wieder tun. Versprochen. Ich bin ein Riesenrindvieh dass ich es getan habe." Matt schaut mir fest in die Augen: „Ich liebe dich. Du bist mein Leben. Und es ist bescheuert von mir dich ändern zu wollen. Du kümmerst dich stets um alle Menschen und das ist der Teil an dir den ich am meisten liebe. Dir das zu verbieten wäre so wenn man eine Blume mag weil sie so gut duftet. Und diese Blume aus Eifersucht dass noch jemand anderes ihren Duft riechen könnte sie hinter Glas tut. Dann kann man sie selber auch nicht mehr riechen und sie geht kaputt. Lässt man den anderen jedoch die Freude an dem Blumenduft hat man selber keinen Nachteil. Die Blume blüht und duftet genau so intensiv egal wie viele Menschen sie mögen." Ich schaue Matt erstaunt an. „Wer hat mit dir geredet?" „Rian, sie hat viel Arbeit mit mir gehabt." Gibt er zu und grinst schief. Ich lächle. „Sag ihr mal danke." sage ich. Matt nickt.
„Matt?" „Ja?" „Ich liebe dich." Er lächelt und küsst mich.
Was ist eigentlich passiert? „Du hattest einen Kreislaufzusammenbruch. Wahrscheinlich weil es doch alles zu viel für dich war." „Ich bin aber auch eine Mimose!" ärgere ich mich. Matt küsst mir die Wange und sagt: „Die am köstlichsten duftende Mimose." Ich schaue ihn lachend an und küsse ihn auf den Mund. Er schmeckt so gut. Ich muss mir seinen Geschmack auf die Zunge brennen.
Es klopft und Tjorben, Thorsten, Ryan und Freja kommen mit ein paar französischen Ärzten herein. Die erklären mir dass wahrscheinlich wirklich die Aufregung und die Nacht im Freien meine Ohnmacht verursacht haben, sie aber zur Sicherheit noch einige Untersuchungen anstellen wollen. Ich frage ob ich noch lange bleiben müsse. Der Arzt meinte nur dass man die Ergebnisse schon abwarten müsse. Die Herren verschwinden.  Ich lasse mich in die Kissen fallen und halte mir die Augen zu. Matt streichelt meine Schulter. „Hey, Prinzessin, du hast schon schlimmeres erlebt." macht er mir Mut. Ich nehme meine Hände runter und nicke. Dann setze ich mich hin. Das Zimmer hat zu wenig Sitzgelegenheiten. Es gibt nur mein Bett und zwei Stühle um einen kleinen Tisch. Tjorben und Thorsten haben sich die Stühle geschnappt. Ryan sitzt auf dem Tisch. Freja hat sich neben Matt auf mein Bett gesetzt.
Sie berichten dass die Band schon nach Berlin geflogen ist. Tjorben und Thorsten werden ersetzt: Dain übernimmt den Bass und Embla Thorstens Instrumente. „Dann sind es wenigstens wieder sieben!" grinsen die beiden. Ryan hat Mark, Finja, Daryl und Rian mit seinem Flieger nach Hause geschickt. Er und Freja warten auf meine Genesung und dann könnten wir gemeinsam heim fahren. „Flitterwochen in Paris sind auch schön!" beruhigt mich Freja grinsend. Ryan verschränkt die Arme und brummt. Er hat noch immer die viel zu enge kaputte und verwaschene Jeans von Mark an und den Riesenpulli von Matt. Freja lacht. „Komm schon Ryan, Kleider machen Leute! Du bist gekleidet wie nen Penner. Dass die dich nicht ins Hotel lassen wollten musst du verstehen." Ryan grinst sie an. Tjorben und Thorsten unterhalten sich mit mir über den Anfall. Ich soll mich genau erinnern und beschreiben. Freja sucht etwas in ihrem Handy. „Ja! Ich hab eins für unter 50€ gefunden!" grinst sie Ryan an. Der fragt: „wie viel?" „32€" sagt Freja. „Zusammen oder getrennt?" „Zusammen. Sonst wäre es ja auch zu teuer."  Ich schaue sie ungläubig an. Ryan sieht meinen Blick und lacht. Freja und ich haben beschlossen für unter 50€ die Nacht in Paris zu übernachten und die Differenz zu den Luxushotels die er sonst bewohnt zu spenden." Ich grinse und nicke. „ Das war ihre Idee, oder?" Freja lacht. „Fast! Aber nicht so ganz. Es war schon Ryans Idee die Differenz zu spenden. Ich hab nur die sportliche Summe ins Spiel gebracht." Ryan guckt zufrieden. „Wir könnten auch wie Rana unterm Eiffelturm pennen."  „Das war arschkalt und kein bisschen romantisch." kläre ich die beiden auf. Außerdem ist der Platz von zahlreichen Clochards belegt. Ein flennendes Mädel haben sie in ihrer Mitte ja noch akzeptiert, ein knutschendes Paar in den Flitterwochen könnte sie irritieren." sage ich ernst. Matt bricht als erster in schallendes Gelächter aus. Ryan lacht Tränen. „Oh, Freja, bitte lass es uns versuchen!" lacht er. Freja sagt ernst: „dir ist hoffentlich bewusst dass die meisten mich mit Rana verwechseln. Die Clochards könnten denken ich sei ne Schlampe. Heule die halbe Nacht rum, Matt sitzt bis Mittag bei mir, nur um in der nächsten mit dir da aufzutauchen."  „Ich stelle es mir dennoch amüsant vor." „Heute Nacht soll's regnen." beendet Tjorben die Überlegungen. „Buch mal euer Hotel und Buch für Thorsten und mich mit." Freja nickt. Sie tippt in ihrem Telefon rum und grinst dann. Matt, du auch? Der schüttelt den Kopf. „Ich bleibe bei Rana. Aber danke." Ryan und Freja verabschieden sich weil sie einchecken gehen wollen. Ryan ist so gelöst und glücklich wie ich ihn noch nie erlebt habe. Der Urlaub tut ihm gut.

MattWhere stories live. Discover now