Kapitel 37: Das Geheimnis um Anna

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Navyas Sicht:

"Natürlich ist er das nicht" lächelte Izumo versöhnlich. Mikoto selbst blieb jedoch still. Ich seufzte tief.
"Wie lange muss ich jetzt als Mumie herumlaufen? Mir tut echt alles weh....." gestand ich leise.
"Nun eine Woche wird es mindestens dauern. Eigentlich solltest du auch das Bett hüten und nicht großartig herumlaufen" erklärte der Blonde. Ich stöhnte genervt. Das war ja große Klasse. Ich hatte ein bisschen die Hoffnung, es sei nicht ganz so dramatisch, doch offensichtlich war ich wirklich schwer verletzt. Das erklärte zumindest die unerträglichen Schmerzen. Mitleidig sah Kusanagi mich an, ehe er mir eine Tablette hinlegte. Ohne weiter nachzuhaken warf ich sie mir ein und schluckte sie mit Wasser hinunter.
"Wie hast du das nur ausgehalten? Das muss doch furchtbar weh getan haben" Ich zuckte ein wenig die Schultern.
"Es war wirklich unerträglich heiß, aber ich hab es einfach ignoriert.... Ich wollte nur, dass es aufhört, ich wollte Mikoto zurück..... Meinen Mikoto" murmelte ich.
"Dann hat dieser Wunsch offenbar gereicht, damit du den Schmerz verdrängst. Du hast zwar großes geleistet, als du es geschafft hast, ihn an Ort und Stelle festzuhalten, aber dennoch muss ich dir raten, dass du das nie wieder machst" sprach er ernst.
"Glaub mir, ich war selbst froh, als Totsuka mich erlöst hat....." nuschelte ich und sah zu Mikoto, welcher sich offenbar ein Glas und eine Flasche hochprozentiges hinter der Theke geklaut hatte. Schnell war das erste Glas gefüllt und zur Hälfte geleert. Eine kleine Weile saß er einfach nur da, den Blick auf das Glas in seiner Hand gerichtet, nachdenklich, dann holte er sich eine Zigarette hervor und Kusanagi, welcher so eine Situation offensichtlich kannte, hatte ihm bereits das brennende Feuerzeug hingehalten, an welchem der König seine Zigarette anzündete. Ich hatte das Gefühl, dass der Raum enger wurde, kleiner, die Stimmung war gedrückt, jeder hing seinen Gedanken nach, doch dachten wir alle an das gleiche. Und dann verstand ich endlich das Gefühl, welches ich spürte, seit ich Mikoto kannte, jedoch bisher nicht deuten konnte. Es war immer da, egal wann, es verschwand niemals. Und plötzlich kamen mir meine Taten unglaublich egoistisch vor. Ich hatte ihm immer wieder die Entscheidung genommen, damals, auf der schulinsel, bei seiner erneuten Krönung und gestern, als Munakata ihn erneut überreden wollte. Dadurch, dass ich es immer wieder verhinderte, für ihn entschied...... Zwang ich ihn dazu, es weiter zu ertragen, immer weiter und weiter, so lange, bis es irgendwann nicht mehr gehen würde..... Ich merkte, wie etwas auf meine Hand tropfte, eine Träne, der viele weitere folgten, bis ich schließlich anfing zu schluchzen und mir die Hände vors Gesicht hielt. Die beiden Männer sahen mich verdutzt an, verstanden nicht, warum ich plötzlich weinte und wussten nicht, wie sie darauf reagieren sollten.
"Navya-chan, was ist los? Sind die Schmerzen etwa so stark?" fragte Kusanagi schließlich vorsichtig nach. Natürlich dachten sie zunächst daran, doch war ich in diesem Raum nicht diejenige, die litt. Im Gegenteil, mir ging es eigentlich immer gut. Selbst bei all den Schmerzen die ich hatte, im Grunde, ging es mir gut. Der Schmerz würde weggehen, die Wunden heilen, doch dieses Gefühl würde bleiben. Es gab nur eine Möglichkeit es aufzulösen, doch ich zerriss sie jedes Mal. Mikoto war ein Löwe, ein stolzes, mächtiges Tier, doch war er nicht frei, wie man es glaubte, nein, er war eingesperrt in einem Käfig, dessen Schlüssel ich immer wieder weg warf. Endlich begriff ich Munakatas Worte. Er war derjenige, der den Löwen befreien wollte, immer wieder den Schlüssel in das Schloss steckte, die Tür öffnen wollte, wenn Mikoto nur zustimmen würde. Doch ließ ich ihm diese Chance nicht. Wenn er sie ergreifen wollte, die Tür dabei war, sich zu öffnen, drückte ich sie mit aller Kraft wieder zu, verriegelte sie und warf den Schlüssel weit weg.
"Kleine Königin....." sprach nun Mikoto mich an und legte eine Hand auf meine Wange. Schluchzend ließ ich die Hände sinken, sah zu ihm.
"Es tut mir leid..... Es tut mir so leid.....!" Sanft strich er meine Tränen weg, doch es kamen immer mehr. Mikoto war unser König, der beste König, keiner wollte einen anderen, als ihn. Doch dieser Status war sein Käfig, der Käfig, der nur dann geöffnet werden konnte, wenn Mikoto diesen Status aufgab. Ob nun durch seinen Rücktritt oder durch seinen Tod. Nur dann war er frei. Der blaue König, ich war mir nicht sicher, ob er genau das wusste, doch er war derjenige, der immer wieder versuchte, ihm diese Freiheit zu schenken. Doch hatte ich ihn immer wieder daran gehindert. Mikoto war bereit zu sterben, doch ich hatte ihn nicht gelassen, er wollte zurück treten, doch ich hatte ihn erneut vor dem Clan gekrönt, sodass er es nicht konnte..... Endlich begriff ich es. Er wollte nie König werden, hasste es von der ersten Sekunde an, einer zu sein, dennoch hatten es alle ignoriert. Alle, bis auf einem. Alle, bis auf der blaue König, Reisi Munakata, Erzfeind von Mikoto und doch einer seiner besten Freunde.
"Hör auf zu weinen......" brummte Mikoto. Schluchzend sah ich ihn an.
"Ich bin so eine egoistische Freundin...." schluchzte ich. Verdutzt sah er mich daraufhin an. Verstand nicht, was ich meinte.
"Immer wieder...... Ich halte ihn immer wieder zu..... Immer wieder hinderte ich ihn daran, ihn zu öffnen......"schluchzte ich und während Izumo nun offenbar den Glauben an meinem Verstand verlor, sah ich, wie sich in Mikotos Züge Erkenntnis schlich. Er verstand, was ich meinte. Sanft aber bestimmt zog er mich zu sich. Umarmte mich vorsichtig, während mein schluchzen allmählich verschwand.
"Es tut mir so leid......." nuschelte ich an seiner Brust.
"Das brauch es nicht, kleine Königin" brummte er und ich sah fragend zu ihm auf. Er lächelte sanft.
"Ich empfand es immer als lästig König zu sein. Ich wollte nie einer sein, fing sogar an es zu hassen. Und dann kamst du. Was du damals gesagt hast, es stimmt. Ich muss Anna doch das wunderschöne Rot zeigen" Ich schüttelte den Kopf.
"Nein..... Musst du nicht....."

Wächterin des DamoklesWhere stories live. Discover now