Kapitel 5

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Ich verstaute die Einkäufe im Kofferraum. Sirius half eher weniger dabei. Zwar legte er immer mal wieder ein Teil weg, doch eigentlich sah er zu dem Paar, welches mehrere Parkplätze weiter links die Einkäufe in den Kofferraum ihres Autos lud. Wir hatten vor, uns gleich noch auf einen Spielplatz mit ihnen zu treffen. Zum einen, weil Dora und Elaina miteinander spielen wollten, zum anderen, weil Andromeda ihren Cousin nicht so schnell wieder gehen lassen wollte. Vorsichtig stupste ich den Mann neben mir an.
„Sirius, ist alles in Ordnung?"
„Ja, klar, alles super!" Ich zog eine Augenbraue hoch. Das war jetzt ein wenig zu energisch.
„Was ist los?"
„Ich bin ein wenig nervös, weil wir uns gleich mit Andromeda treffen."
„Sie scheint sehr nett zu sein."
„Das ist sie. Sie ist die netteste Verwandte, die ich jemals hatte, allerdings –" Er brach ab. Der Einkaufswagen war mittlerweile leer.
„Jean, Elaina, würdet ihr bitte den Wagen wegbringen?" Die beiden Jüngeren nickten, weshalb ich mich in den Kofferraum setzte. Ich tätschelte den Platz neben mir, damit sich mein Freund hinsetzte.
„Allerdings was, Sirius?" Der Junge seufzte leise.
„Andromeda hat vor meiner Hogwartszeit wirklich sehr viel Zeit mit Regulus und mir verbracht. Vor allem ich mit ihr. Weißt du, sie war die Erste in meiner Familie, die nicht alles darauf ausgelegt hat uns Angst vor Muggel zu machen. Sie hat sich mit uns herausgeschlichen und uns die Muggelwelt gezeigt. Sie hat daran geglaubt, dass wir beide nicht ewig nur die Todesser Kinder sein würden. Die Kinder aus dieser unbedingt reinblütigen Familie. Sie hat mich zu großen Teil zu der Person gemacht, die ich heute bin. Wusstest du, dass viele der Märchen vom Beedle dem Barden umgeschrieben wurden, damit sie nicht mehr Muggelfreundlich sind? Es gibt eine Sonderausgabe der Märchen, welche die Muggel als absolute Monster darstellen. Im Märchen der Zauberer und der Hüpfende Topf wurde alles geändert bis auf der Kessel. Aus dem egoistischen Zauberer, der seinen Nachbarn nicht helfen will und dafür bestraft wird, wurde er ein unschuldiger Zauberer, welcher von dem Kessel vor den Muggelnachbarn beschützt wurde. Der Kessel hat die Muggel einfach gefressen. Erst als die übriggebliebenen Nachbarn versprachen den Zauberer in Ruhe zu lassen, wurde dem Kessel befohlen, die Muggel auszuspucken. Eine richtig kranke Geschichte, vor allem wenn man bedenkt, dass es mir als Kleinkind vorgelesen wurde. Eigentlich kann man es Regulus gar nicht übel nehmen, dass er eine Abneigung gegen Muggel hat. Nicht bei unseren Eltern. Sie sind einfach krank im Kopf. Komplett krank. Von ihr habe ich das Märchenbuch bekommen. Sie hat mir das Buch geschenkt und am nächsten Tag war sie einfach weg." Ich strich dem Jungen vorsichtig über den Rücken.
„Bist du froh, dass sie wieder da ist?" Mein Freund biss sich auf der Unterlippe herum.
„Ganz ehrlich? Ich weiß es noch nicht. Im Moment freue ich mich einfach darauf, sie nochmal zu sehen, aber – es kam ziemlich überraschend."

Wir saßen auf einen kleinen Spielplatz zusammen mit Andromeda und ihrem Ehemann Ted. Elaina und Dora, die eigentlich Nymphedora hieß, tobten auf den Spielgeräten herum. Jean passte auf die beiden wesentlich jüngeren Mädchen auf, während Sirius und ich mit seiner Cousine und ihrem Ehemann in ein Gespräch vertieft waren. Na ja, ich sprach mit den beiden. Aus meinen sonst so vorlauten Freund war ein kleiner, verschüchterter Junge geworden. Er umklammerte meine linke Hand mit seinen beiden und redete eigentlich gar nicht, außer er wurde direkt von dem Ehepaar angesprochen, doch ansonsten war er still.
„Und wo habt ihr euch kennengelernt?" Andromeda sah uns neugierig an.
„In Hogwarts."
„Du bist also auch eine Hexe." Ich nickte.
„Ja, bin ich."
„Und seit wann seid ihr ein Paar?" Andromeda sah neugierig zwischen uns beiden hin und her, während mein Blick zu meinem Freund glitt. Seit wann waren wir jetzt genau zusammen? Ich habe mir nie wirklich Gedanken darüber gemacht. Waren wir es seit dem Gespräch im verbotenen Wald? Damals hatte mich Sirius gefragt, ob wir nun ein Paar waren, doch als ich erklärt habe, dass Marlene und ich Hogwarts verlassen würden, hatten wir nicht mehr darüber geredet. Oder waren wir erst ein Paar nach dem Tod meiner Eltern? Nach meiner Rückkehr von den Scamanders?
„Ähm, irgendwann letzten Sommer?" Ich stupste meinen Freund an.
„Dritter Mai 1977", erklärte Sirius leise. Also die Vollmondnacht.
„Vergisst nicht immer der Junge alle wichtigen Ereignisse? Jahrestag, Verlobungstag, Hochzeitstag, Valentinstag." Ted sah grinsend zu uns herüber.
„Nein, bei uns ist das anders herum. Carolin vergisst alles und ich nicht." Er drückte mir einen Kuss auf die Wange, bevor er seinen Kopf gegen meine Schulter lehnte. Vorsichtig strich ihm über die Haare.
„Wohnt ihr zusammen?" Der Ehemann von Sirius Cousine sah uns neugierig an. Ich nickte.
„Wir beide wohnen mit Jean, Elaina und meinem Großcousin Samuel hier in der Nähe."
„Und wie alt ist Samuel?"
„Er ist zwei Jahre älter als wir beide."
„Interessante Familienkonstellation.". Ich schluckte schwer. Natürlich wusste ich, welche Fragen Ted sich jetzt gerade stellte. Warum wohnten Elaina und Jean bei uns? Ich sah zu meinem Freund herüber. Langsam durfte er mal wieder aus seinem Schneckenhaus herauskommen. Doch das sah er anders. Stumm saß er da und musterte seine Cousine. Nicht wirklich hilfreich. Ich glaube auch nicht, dass er dem Gespräch wirklich folgte. Wahrscheinlich war er ganz in Gedanken versunken. Vollkommen in seiner eigenen Welt gefangen. Ich seufzte leise.
„Sollen wir mal nach den Kleinen sehen, Carolin?" Ted schien offensichtlich Andromeda die Möglichkeit geben zu wollen, alleine sich ein wenig mit Sirius zu unterhalten. Ich nickte. Vielleicht kam mein Partner dann ein wenig aus sich raus, wenn er sich nicht verstecken konnte.
„Klar." Ich stand auf. Sirius umklammerte meine Hand noch etwas fester. Er sah mich flehend an, ihn nicht alleine zu lassen. Oh ja, seine Cousine hatte ihn also wirklich total eingeschüchtert. Ich drückte seine Hand einmal kurz, dann entzog ich sie ihm bestimmt. Andromeda schien eine wirklich nette Frau zu sein. Vor allem im Vergleich zu Sirius Mutter.
Elaina wank uns von dem Kletterturm aus zu, bevor sie sich wieder an Dora wandte, um mit ihr weiter zu spielen. Offensichtlich war unsere Anwesenheit nicht von Nöten. Auch Jean wirkte nicht unglücklich mit ihrer Aufgabe als Babysitter. Sie kletterte den beiden Mädchen lachend hinterher oder half ihnen dabei, auch sehr schwierige Hindernisse zu überwinden.
„Ich glaube, wir sind hier ein wenig überflüssig." Ted sah zu seiner Tochter herüber, die auch nur einmal kurz zu uns herübergesehen hatte.
„Sie scheinen sich sehr gut zu vertragen."
„Ja, das sieht so aus." Wir sahen wieder zurück zu Sirius und Andromeda.
„Ist Sirius immer so still?"
„Ehrlich gesagt, nein. Meistens ist er ziemlich laut und aufgedreht. So wird er nur, wenn ein Black ins Spiel kommt. Nichts gegen deine Ehefrau. Er hat mir auf der Autofahrt ein wenig von ihr erzählt. Also von der Zeit bevor sie zu dir gezogen ist. Sie hat ihm, sein Lieblingsmärchen vorgelesen."
„Der Zauberer und der hüpfende Kessel. Andromeda liest es andauernd.
„Hat sie auch mal von Sirius erzählt?"
„Ja, gerade kurz nachdem sie bei mir eingezogen ist, hat sie viel erzählt. Sie hatte große Hoffnung, dass er sich von seiner Familie ebenfalls lossagen würde. Vor allem nachdem sie erfahren hatte, dass er in Gryffindor eingeteilt wurde. Sie war damals so glücklich gewesen. Fast so glücklich, wie sie war, als sie erfahren hatte, dass sie schwanger war. Sie hat deinen Freund wirklich gerne. Und hat er von ihr erzählt?" Ich biss mir auf die Unterlippe.
„Nein, aber ehrlich gesagt, weiß ich kaum etwas über seine Familie. Er redet nicht über sie. Eigentlich weiß ich nur Dinge, die andere mir erzählt haben. Wenn er mit jemand geredet hat dann mit James. Er und seine Eltern haben Sirius nach ihrem gemeinsamen fünften Schuljahr bei sich aufgenommen, weil Sirius nicht mehr wusste wohin. Er wurde wie ein zweiter Sohn für die Potters. Wir sind jeden Sonntag bei ihnen zum Essen. Ich habe Sirius erst kennengelernt, als er schon bei den Potters gewohnt hat."
„Ich dachte, ihr habt euch in Hogwarts kennengelernt." Ich merkte, wie ich rot anlief.
„Ja, schon, allerdings bin ich erst nach den ZAGs nach Hogwarts gewechselt. Vorher hatte ich Privatunterricht bei meiner Familie."
„Und warum bist du dann nach Hogwarts gekommen?" Ted sah mich neugierig von der Seite her an.
„Weil meine Eltern es für sicherer hielten, weil die Todesserangriffe immer häufiger wurden. Nachdem ich mich dort eingelebt habe, war es sogar sehr schön dort."
„Hogwarts ist ein wunderbarer Ort. Ich habe mich dort immer sehr wohl gefühlt. Obwohl ich zugeben muss, am Anfang mit eigentlich allem überfordert war. Ich bin ein Muggelstämmiger. Ich habe erst durch meinen Hogwartsbrief von dieser Welt erfahren."
„Es muss eine große Umstellung gewesen sein."
„Ja, das war es. Sogar eine sehr große Umstellung. Für dich muss es ebenfalls sehr schwer gewesen sein, plötzlich von zu Hause wegzumüssen." Ich lächelte traurig.
„Es war sogar sehr schwer, doch ich bin froh über die Entscheidung meiner Eltern. Jedenfalls ein wenig. Ansonsten hätte ich nie Sirius und meine ganzen anderen Freunde kennengelernt." Und meine Eltern wären wahrscheinlich nie gestorben.
„Sieht so aus, als wäre dein Freund alleine ein wenig gesprächiger. Es war also eine gute Idee, die beiden ein wenig alleine zu lassen." Ich folgte Teds Blick. Sirius schien tatsächlich aus seinem Schneckenhaus herausgekommen zu sein. Er war immer noch nicht der fröhliche und ausgelassene Junge, den ich kannte, doch wenigstens redete er mit Andromeda. Das war doch schon einmal ein Anfang.

Sirius putzte ein drittes Mal über den Tisch, welcher seit ein paar Tagen in unserem Garten stand. Wenn er weiter so viel putzte, würde er bald nicht nur den nichtvorhanden Dreck, sondern gleich den ganzen Tisch wegwischen. Wo sollten wir dann noch heute Abend essen? Na ja, wir konnten uns natürlich rein setzen, doch der Sinn vom Familiengrillen war mit Sicherheit nicht am Ende des Tages doch drinnen zu hocken. Wir wollten im Garten sitzen und die neue Terrasse einweihen. Außerdem war das Wetter viel zu schön, um sich in unserer Esszimmer zu hocken. Die Vögel zwitscherten, die Blumen verbreiteten einen angenehmen Geruch und unsere tierischen Mitbewohner spielten zusammen mit Jean und Elaina draußen. Alles schrie förmlich danach endlich draußen zu bleiben. Also musste ich wohl unseren neuen Gartentisch retten.
„Sirius, ich glaube, der Tisch ist sauber." Ich nahm meinen Freund den Lappen ab.
„Nein, da ist noch ein Fleck." Er versuchte, sein Putzmittel wieder an sich zu nehmen.
„Da ist kein Fleck mehr. Du putzt höchstens den Tisch weg, wenn du so weiter machst. Los geh rein und hole schon einmal Geschirr nach draußen. Und Besteck natürlich auch. Du könntest auch schon mal ein wenig Feuerholz in die Feuerschale legen. Das ist sinnvoller, als den Tisch wegzuputzen. Wesentlich sinnvoller. Schließlich müssen wir heute Abend irgendwo essen. Wir sollten auch noch den Esszimmertisch rausholen. Ansonsten sind wir doch zu viele." Mein Freund sah zu dem Raum, welcher genau an den Garten grenzte.
„Ich hole den Tisch gleich, aber vorher wische ich ihn lieber nochmal ab. Es wäre doch peinlich, wenn er dreckig wäre. Er ist bestimmt ganz dreckig. Ist der Flur sauber? Ist das Haus sauber?" Mein Freund lief aufgeregt auf und ab.
„Es ist alles sauber, Sirius. Samuel hat alles zweimal geputzt. Ihr beiden solltet endlich mal wieder herunterkommen. Ihr solltet euch beruhigen."
„Marlenes Eltern kommen zum Abendessen! Natürlich will ich einen guten Eindruck machen." Samuel, der gerade Sitzkissen auf den Stühlen verteilte, wirkte genauso aufgekratzt wie mein Freund. Ich verdrehte die Augen.
„Ich glaube, Marlenes Eltern wissen, mit wem ihre Tochter zusammen ist. Sie haben mehrere Wochen mit unserer Familie in einem Haus gewohnt. Wahrscheinlich kennen sie mehr peinliche Geschichten über dich, als wir beide zusammen und trotzdem mögen sie dich. Bei dir sind sie wenigstens sicher, dass du nicht versuchen wirst, ihre Tochter zu töten." Mein Großcousin kratzte sich am Hinterkopf.
„Das ist ein Argument." Ich wandte mich an meinen Freund, welcher immer noch aufgekratzt herumlief.
„Fleamont und Euphemia freuen sich sehr darauf, uns besuchen zu kommen. Sie sind schon ganz gespannt auf Otrere, Cappuccino und Tatze Junior. Du brauchst dir überhaupt keine Sorgen zu machen, in Ordnung."
„Ehrlich gesagt, habe ich gar nicht so viel Angst, weil meine Eltern mich das erste Mal hier besuchen. Na gut, ich habe Panik davor, aber – wer von uns ist auf die Idee gekommen Andromeda und Ted einzuladen?" Das war er gewesen. Er ganz alleine hatte schneller geredet als gedacht.
„Sirius, ich versichere dir, dass alles gut geht. Andromeda ist glücklich wieder Kontakt zu dir zu haben. Ansonsten würde sie dir nicht ständig eine Eule schicken." Allerdings machte ich mir ein wenig Sorgen. Bisher kannte kaum einer meinen Aufenthaltsort. Jeder der ihn wusste, hatte über Jahre hinweg unser Vertrauen gewonnen. Nur Andromeda und Ted hatten wir diese Information schnell anvertraut. Ein hohes Risiko. Maélys hatte sich schon darüber ausgelassen und insgeheim stimmte ich ihr zu, doch eigentlich wollte ich das nicht wahrhaben und ich würde es meinem Freund auch nicht sagen. Er hatte es verdient, einen Neubeginn mit seiner Cousine starten zu dürfen. Außerdem konnte es auch nicht der richtige Weg sein, erst einmal allen zu misstrauen. Nicht jeder Mensch war böse und von jedem sofort das Schlechteste zu denken, brachte die Menschen eher dazu, etwas Schlechtes zu tun. Regulus und Sirius waren doch der beste Beweis dafür. James hatte an Sirius geglaubt und mein Freund hat sich deshalb für den richtigen Weg entschieden. Anders sah es bei dem jüngeren Black aus. Er kam nach Hogwarts und jeder sah in ihm nur den zukünftigen Todesser. Genau dieser war er auch geworden. Er wurde zu dem, was jeder in ihm gesehen hatte.
„Carolin?"
„Hm?" Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch.
„Ich habe dich gefragt, ob du mir mit dem Tisch hilfst. Ansonsten zaubere ich ihn raus." Sirius sah mich erwartungsvoll an.
„Ich helfe dir." Mit diesen Worten folgte ich dem Jungen rein.

Hexagramm-SpinnefeindWhere stories live. Discover now