Kapitel 32

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Lächelnd sah ich auf die schlafende Elaina herunter, die sich in ihrem Bett zusammengerollt hatte. Tatze Junior hatte sich an ihren Bauch gekuschelt und schlief friedlich. Vorsichtig schlich ich mich zur Tür, um die beiden nicht zu wecken. Endlich war das Kleinkind eingeschlafen. Heute war mal wieder einer dieser Abende, wo sie am liebsten erst mit uns ins Bett gehen wollte, auch wenn sie schon hundemüde war und dann am nächsten Tag nicht aufstehen würde.
„Schläft Elaina?" Samuel, welcher seine Arme um Marlene gelegt hatte, sah fragend zu mir, kaum hatte ich das Wohnzimmer betreten. Ich nickte leicht.
„Sie ist endlich eingeschlafen."
„Heute war mal wieder ein anstrengender Abend." Sirius, welcher auf einem Sessel saß, streckte seine Arme nach mir aus. Zufrieden ließ ich mich auf seinen Schoß fallen.
„Auch unsere kleine, süße Elaina muss manchmal rebellieren. Das gehört zum Erwachsenwerden dazu. Auch wenn wir es gerne anders hätten." Samuel grinste breit. Offensichtlich freute er sich ein wenig darüber, dass die kleine ihre wildere Seite entdeckt hatte.
„Ihre Trotzphase ist doch sehr angenehm verlaufen. Wenn ich da an andere denke. Man glaubt es kaum, aber Jeans war richtig schlimm", erzählte ich glücklich.
„Und die von Prim und Paul. Da kam mir manchmal der Gedanke, wir sollten sie mit einem Paket nach Alaska verschicken", gab mein Großcousin zu.
„Ihr hattet manchmal solche Gedanken? Ich bin entsetzt! Ich dachte immer, ihr würdet nicht nur einen bösen Gedanken fassen können." Marlene sah zwischen Samuel und mir hin und her. Ich merkte, wie ich rot anlief.
„Wir waren damals elf und dreizehn Jahre alt gewesen. Die zwei kleinen zickigen Kinder haben sich auch noch gegenseitig hochgeschaukelt. Wir wurden manchmal die ganze Nacht wach gehalten. Da wollte man zwischendurch mal einfach seine Ruhe haben. In solchen Momenten sind dann solche Gedanken gekommen, aber wir hätten sie niemals umgesetzt." Der Blick meiner besten Freundin glitt zu Sirius. Dann fingen beide gleichzeitig an zu lachen.

Die ganze Küche roch nach Essen. Der Geruch von Öl und Kräutern, mischte sich mit dem von dem Fleisch, welches in einer Pfanne brutzelte. Das Geräusch von dem zischenden Fett und dem schneidenden Messer erfüllten die Luft.
„Carolin, gibst du mir die letzten Pilze rüber?"
„Klar." Ich reichte das Gewünschte an Samuel weiter, die seine Schneidearbeit fortsetzte. Mein Großcousin brauchte nicht lange, da war alles in kleine Stückchen geschnitten. Das Messer landete in der Spüle, das Brettchen wurde so neben mich gestellt, dass ich möglichst einfach an dieses herankam.
„Muss noch etwas geschnitten werden?" Samuel sah sich alles an, was er bisher zerkleinert hatte.
„Wir müssten alles haben."
„Gut." Er stellte sich hinter mich. Sein Kopf wurde auf meinen gelegt. Ich ließ mich gegen ihn fallen. Zusammen beobachteten wir das Essen. Das Fleisch in der Pfanne, wo später das Gemüse dazukommen würde und die Kartoffeln, die friedlich vor sich hin kochten. Es klingelte an der Haustür.
„Ich mache auf!", hörte man Marlene rufen, welche mit Elaina im Nebenzimmer den Esstisch gedeckt hatte. Schritte verrieten, dass sie auch wirklich zur Haustür lief und die Fünfjährige ihr folgte.
Ich sah fragend zu meinem Großcousin, doch er schien genauso wenig eine Idee zu haben, wer da vor der Tür stand, wie ich es hatte. Wir erwarteten keinen Besuch zum Abendessen, niemand hatte sich vorher angekündigt. Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit. Zwar würden wahrscheinlich keine Todesser vor der Tür stehen, da diese mit Sicherheit nicht klingeln würden, doch ich wollte mich auch nicht darauf verlassen. Außerdem wäre auch anderer Besuch vermutlich ohne Ankündigung nicht erfreulich. Meistens wurden auf diese Art und Weise eher schlechte Nachrichten in dieser Zeit überbracht.
Samuel und ich drehten uns so, dass wir von unserem Platz aus, die Tür im Blick hatten, die gerade von Elaina geöffnet wurde.
„Hallo, Marlene!" Den französischen Akzent hätte ich auch ohne die Person vor der Tür zu sehen, Maélys zugeordnet. Die Kriegsnymphe hatte ein breites Grinsen auf dem Gesicht. Sie war nicht alleine unterwegs. Marlon, Deborah und Michael begleiteten sie.
„Was macht ihr denn hier?" Die Kunstnymphe hörte sich ziemlich verwirrt an.
„Wir wollen mit euch reden, können wir reinkommen oder sollen wir weiterhin hier im Regen stehen? Deborah macht es wahrscheinlich nichts aus, aber ich bevorzuge es trocken zu bleiben."
„Klar, kommt rein." Die Blondine trat zur Seite, sodass unsere Besucher eintreten konnten.
„Carolin und Samuel sind in der Küche, Sirius ist mit den Hunden draußen." Unsere Besucher kamen zu meinem Großcousin und mir in den Raum.
„Hallo, ihr beiden." Marlon grinste uns schief an.
„Hallo, habt ihr schlechte Nachrichten für uns?" Allgemeines Kopfschütteln war die Antwort.
„Nein, wir haben sogar sehr Gute für euch. Denke ich jedenfalls. Du solltest deinen Ehemann holen, Carolin." Deborah sah mich auffordernd an. Ich drückte meinen Großcousin den Pfannenwender in die Hand.
„Du übernimmst doch sicherlich."
„Klar, ich kümmere mich um unser Abendessen." Ich drückte meinem Großcousin ein Kuss auf die Wange, bevor ich ins Wohnzimmer ging. Die Gartentür war nur angelehnt. Draußen war es schon fast ganz dunkel, doch die vier hundeartigen Schatten, welche in der Nähe des Hauses herumtollten, konnte ich trotz allem sehen. Mit einem Wink meines Zauberstabes beschwor ich mehrere Handtücher und einen großen, leeren Wäschekorb. Nasse und vor allem matschige Hunde, würden mir hier nicht durchs Haus rennen.
Dann öffnete ich die Gartentür ganz und pfiff auf meinen Fingern. Die vier Schatten unterbrachen ihr Spiel. Stattdessen sahen sie erwartungsvoll zu mir hin.
„Zeit, reinzukommen!" Laut bellend, kamen die Tiere auf mich zu gerannt. Otrere wollte sich an mir vorbei ins Haus quetschen, doch mit einer Handbewegung hielt ich sie davon ab.
„Erst werdet ihr sauber gemacht." Ich legte ein Handtuch auf den Boden, sodass die Hunde darüber laufen konnten, um dann in den Wäschekorb zu springen, wo ich sie abspülen konnte. Danach mussten sie nur noch abgetrocknet werden. Otrere gab ein leises unzufriedenes Jaulen von sich, sprang aber ohne weiteres Gezeter in den Wäschekorb. Ich zog meinen Zauberstab heraus.
„Aguamenti." Ein Wasserstrahl schoss aus dem Stück Holz auf den Hund. Der Matsch wurde aus dem Fell gespült. Unter dem Hund bildete sich eine braune Pfütze. Sobald ich aufhörte, den Hund zu waschen, sprang er auf der anderen Seite wieder aus dem Wäschekorb auf ein weiteres Handtuch.
„Sollen wir die Hunde eben abtrocknen, damit es schneller geht?" Michael und Marlon, standen zusammen in der Tür und sahen mir bei meiner Waschaktion zu.
„Das wäre wirklich nett von euch." Die beiden Muggel kamen zu mir herübergelaufen. Sie machten sich daran, Otrere abzutrocknen, welche ungeduldig die Prozedur über sich ergehen ließ. Währenddessen kletterte Cappuccino in die improvisierte Badewanne.
„Warum zauberst du sie nicht einfach sauber? Würde doch schneller gehen." Michael sah neugierig zu mir herüber.
„Weil ich es lieblos finde, mit dem Zauberstab einmal zu schnipsen und sie sofort wieder sauber zu haben. Ich nehme mir lieber Zeit, um sie wieder sauber zu machen." Auch aus dem Fell des zweiten Tieres kam keine braune Plörre mehr, sondern nur noch Wasser. Ich unterbrach den Zauber. Wesentlich gemächlicher als Otrere klettere Cappuccino aus der Badewanne.
Sobald der braune Welpe wieder draußen war, kam Tatze Junior hereingeklettert. Er wedelte glücklich mit dem Schwanz, während er mich erwartungsvoll ansah. Der einzige unserer drei Hunde, der sich wirklich über das Baden freute. Lachend kraulte ich ihm kurz hinter den Ohren, dann begann ich auch ihn mit dem Wasserstrahl zu reinigen. Marlon sah breit grinsend dem schwarzen Hund dabei zu, wie er genießerisch die Augen schloss, während er abgeduscht wurde.
„Tatze Junior scheint diesen Prozess auch sehr zu genießen", gab er seinen Senf dazu.
„Otrere lässt es über sich ergehen, Cappuccino liebt das Abtrocknen und Tatze Junior einfach alles." Auch der letzte Hund war von der Matsche befreit. Elegant sprang er aus dem Wäschekorb und sah erwartungsvoll zu den beiden Männern, die ihn abtrocknen sollte. Ich schnipste kurz mit meinen Zauberstab. Der Wäschekorb verschwand wieder sauber dorthin, wo ich ihn herhatte. Mein Blick glitt zum letzten Hund, welcher noch immer vor der Tür saß und uns beobachtete. Unter ihn hatte sich eine matschige Pfütze gebildet.
„Willst du noch lange draußen sitzen, Tatze?" Kopfschütteln.
„Dann komm endlich rein. Du erkältest dich ansonsten noch." Ich zog ein Handtuch von dem Stapel mit den Sauberen und breitete es aus, sodass ich meinen Ehemann gleich darin einwickeln konnte. Dieser kam gemächlich hereingetapst und setzte sich vor mich auf den Boden. Ich sah ihn erwartungsvoll an, weshalb er sich endlich zurückverwandelte.
„Was – wie – Sirius?" Michael sah verwirrt zu meinem Ehemann herüber, welchem ich gerade ein Handtuch um die Schultern legte.
„Ich bin ein Animagus. Ich kann mich in einen Hund verwandeln. Das ist eine erlernbare Fähigkeit. James und Peter sind auch welche." Ich unterdrückte ein Lachen. Michael kannte nicht einmal die beiden ehemaligen Schulkameraden von uns. Er wusste höchstens, dass James Sirius Adoptivbruder war.
„Ihr könnt euch alle in Hunde verwandeln?"
„Nein, ich mich in einen Hund, James in einen Hirsch und Peter in eine Ratte. Das hat etwas mit der Persönlichkeit eines Menschen zu tun. Danach richtet sich die spätere Animagusgestalt. Eigentlich genauso wie die Patronusgestalt." Ein verständnisloser Blick war die Antwort.
„Das ist ein anderer Zauberer. Sirius, geh bitte hoch dich umziehen. Maélys will uns etwas Wichtiges erzählen und es gibt bald Abendessen. Also beeile dich, ja?"
„Ich bin in fünf Minuten wieder hier, Prinzessin." Mein Partner sprang auf. Mit schnellen Schritten lief er die Treppe herauf. Michael hatte sich währenddessen wieder an seine Freundin gewandt.
„Deborah?"
„Ja?"
„Du verwandelst dich aber nicht manchmal in ein Tier, oder?"
„Nein, kann ich leider nicht. Aber Maélys und ich haben darüber nachgedacht, es zu lernen." Der Muggel wirkte nicht begeistert auf Grund dieser Antwort.
„Jetzt will sie sich auch noch in ein Tier verwandeln." Marlon tätschelte dem anderen Muggel die Schulter. Wahrscheinlich war der Partner von Maélys momentan die einzige Person, die halbwegs nachvollziehen konnte, was gerade in dem Kopf des anderen nicht-Magiers vor sich ging.

Hexagramm-SpinnefeindWhere stories live. Discover now