Kapitel 36

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Lächelnd sah ich zu Sirius, welcher die kleine Patricia Prim auf dem Arm hatte. Er war ganz auf das kleine Baby fixiert. Es wurde liebevoll hin und her gewiegt, während der Vater leise auf sein Kind einredete. So leise, dass ich ihn von meiner Position nicht verstehen konnte. Ich hatte mich an den Türrahmen gelehnt, von wo ich meinen Ehemann beobachten konnte.
„Sirius?" Der Angesprochene sah verwirrt auf.
„Seid ihr fertig?" Traurigkeit lag in seinem Blick. Wir hatten auf jeden Fall noch großen Redebedarf auf Grund der Prophezeiung.
„Wir können nach Hause gehen, wenn du willst." Er nickte leicht.
„Dann lass uns mal gehen."

Wortlos stand Sirius im Bad und kämmte sich seine Haare. Seine Miene wirkte versteinert und angespannt. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich seine mechanisch wirkenden Bewegungen.
„Wollen wir darüber reden?" Ich hörte auf, mein Gesicht mit meiner Creme einzuschmieren. Stattdessen stellte ich diese bei Seite und wandte mich an den Auror.
„Du wirst sterben, Marlene wird es, Maélys, Deborah und all die anderen auch. Was gibt es da noch zu reden?"
„Nur weil die Prophezeiung von Professor Noble besagt, dass wir sterben werden, heißt es noch lange nicht, dass wir morgen tot umfallen. Irgendwann werden wir sterben. Irgendwann tut das jeder. Aber die Prophezeiung besagt ebenfalls, dass wir wieder auferstehen werden. Und Sophia hat einen Zauber –"
„Ich habe von euren tollen Zauber noch alle Details mitbekommen. Auch dass alle dreizehn Nymphen für das Wiederauferstehungsritual gebraucht werden. Wenn du mir nicht jetzt sofort sagst, dass ihr dieses klitzekleine Problem gelöst habt, dann lass es einfach bleiben." Der Kamm wurde weggelegt.
„Diese Hürde bleibt Bestehen." Sirius stürmte aus dem Raum. Ich seufzte leise. Zu gerne hätte ich meinem Ehemann eine bessere Nachricht überbracht. Ich wollte ihm nur allzu gerne versprechen, dass ich nicht sterben würde, so wie ich es immer getan habe. Doch jetzt glaubten wir beide noch weniger daran als vorher, lebend aus diesem Krieg herauszukommen. Jetzt konnten wir uns nicht mehr anlügen.
Leise öffnete ich die Zimmertür zu Sirius und meinem Schlafzimmer. Dahinter war alles leise. Das hieß, die Zwillinge schliefen noch immer friedlich und hoffentlich auch mein Ehemann. Auch wenn ich mir kaum vorstellen konnte, dass er es wirklich tat. Vermutlich wälzte er sich unruhig hin und her oder er beobachtete die Zwillinge beim Schlafen.
Vorsichtig schlich ich mich durch den Raum. Die Kinder lagen friedlich in dem Familienbett. Sie schliefen tief und fest, noch genauso wie bevor wir das Zimmer verlassen hatten, um uns für die Nacht fertig zu machen. Doch von der dritten Person, die ich hier erwartet hatte, fehlte jede Spur. Leise schlich ich mich zurück zur Tür, dann weiter zur Treppe und diese schließlich nach unten. Irgendwo musste sich schließlich mein aufgewühlter Ehemann herumtreiben. Außer er hatte mal wieder Panik bekommen und war abgehauen.
Die Terrassentür stand Sperrangelweit offen. Sirius Gartenschuhe fehlten ebenfalls. Seufzend zog ich mir meine über, bevor ich ihm nach draußen folgte. Ich verbesserte mein Gehör, um ihn besser ausmachen zu können. Seine schnellen Schritte waren schnell gefunden. Er lief in Richtung Koppel. Doch neben den Geräuschen, die seine Füße auf dem Waldboden verursachten, hörte man noch weitere Laute. Er weinte. Man hörte ihn leise Schluchzen und Wimmern. Mein Herz verkrampfte sich. Gab es etwas Schlimmeres, als diese Geräusche zu hören. Meiner Meinung nach nicht. Ich biss mir auf der Unterlippe herum, während ich ihm hinterherlief.
Sirius saß auf dem Zaun der Koppel. Seine Schultern waren zusammengesackt, seinen Kopf hatte er in den Händen vergraben. Das Schluchzen und Wimmern drang zu mir herüber. Dieses Mal, obwohl mein Gehör wieder menschlich war.
Langsam trat ich näher an meinem Ehemann. Ich wusste nicht genau, was ich machen sollte. Bisher war alles, was ich versucht hatte, um ihn zu trösten, nach hinten losgegangen.
Ziemlich zögerlich legte ich einen Arm um ihn. Er löste seine Hand aus seinem Gesicht. Kurz konnte ich seine verheulten Augen sehen, bevor er sich an mich kuschelte.
Mehrere Minuten saßen wir zusammengekuschelt auf dem Zaun. Niemand sagte etwas. Man hörte nur das Schluchzen und Wimmern meines Ehemannes, während ich ihm liebevoll durch die Haare strich.
Doch nach den mehreren Minuten in dieser Position nahmen die Geräusche langsam ab, bis sie schließlich ganz aufhörten. Sirius hob seinen Kopf leicht an, sodass ich wieder seine verheulten Augen sehen konnte. Verzweiflung, Trauer und Schmerz waren in diesen zu sehen.
Es stach mir mitten ins Herz. Am liebsten hätte ich ihn sofort wieder in meine Arme gezogen, festgedrückt und erst wieder losgelassen, wenn wieder das freche Glitzern seine Augen füllte. Doch jetzt gerade waren wohl Worte angebrachter als Kuscheleinheiten.
„Geht es wieder?" Ich strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Kopfschütteln war die Antwort.
„Ich kann nicht alleine die Zwillinge groß ziehen. Ich weiß nicht, wie man Vater ist. Du musst bei mir bleiben. Du hast es mir versprochen." Zu der Verzweiflung, der Trauer und dem Schmerz mischten sich noch Angst und auch ein wenig Wut. Ich strich ihm ein paar Tränen aus dem Gesicht, die ihm erneut die Wange herunterliefen, bevor ich antwortete.
„Sirius, ich weiß ganz genau, dass du unsere Zwillinge während meiner Abwesenheit der beste Vater sein wirst, den je ein Kind gehabt hat. Weißt du, was eine gute Erziehung ausmacht? Man muss selbst ein gutes Beispiel sein und seine Kinder lieben, egal wie viel Blödsinn sie gebaut haben. Egal, was deine Eltern dir mitgegeben haben. Du wirst nicht wie sie. Du wirst unsere Zwillinge immer lieben. Auch wenn sie Fehler machen. Egal wie schwer diese Fehler sind. Wenn eine von den beiden sich den Todessern anschließt, wirst du sie trotzdem für immer weiter Lieben. Genauso wie du es bei Regulus getan hast. Du wirst die Fehler deiner Erzeuger nicht wiederholen. Das weiß ich ganz genau. Du bist nicht deine Erzeuger. Außerdem wirst du die Zwillinge niemals ganz alleine erziehen müssen. James, Euphemia, Fleamont, Lily und alle anderen auch, wir helfen dir alle, egal ob wir tot sind oder nicht. Weil wir immer bei euch sind. Genau hier." Ich tippte auf sein Herz.
„Und wenn du nicht weiter weißt, dann musst du nur horchen, was wir dir sagen wollen. In Ordnung? Du schaffst das, bis ich wieder zurückkomme."
„Wie kannst du dir so sicher sein, dass du zurückkommst?"
„Weil ich meinen beiden Mädchen vertraue und dir auch. Ich weiß, dass aus unseren Zwillingen zwei wunderschöne, starke und mutige Frauen werden, die es auf jeden Fall schaffen werden, den Zauber zu brechen."
„Ich werde auf dich warten. Egal wie lange es dauert." Sirius sprang vom Zaun herunter.
„Wo willst du hin?"
„Ins Bett. Ich weiß zwar, dass Marlene und Samuel die Zwillinge hören, wenn irgendetwas ist, aber ich will jetzt einfach mit meiner ganzen Familie kuscheln."

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