Epilog

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Unruhig lief ich auf und ab. Mein Blick glitt immer wieder zu der Uhr, welche leise vor sich hin tickte. Irgendetwas stimmte nicht. Irgendetwas war schiefgegangen. Ansonsten wäre mein Ehemann schon längst wieder hier. Ich raufte mir die Haare, während ich meinen Weg fortführte.
Sirius wollte nach der Arbeit noch bei James und Lily vorbeisehen, weshalb es schon ziemlich spät geworden war, bevor ich angefangen hatte mir sorgen zu machen. Trotz allem hätte er schon längst wieder hier sein müssen. Selbst wenn er sich verquatscht hatte. Er war schon zwei Stunden zu spät.
Mein Blick glitt wieder zum Fenster, in der Hoffnung dort endlich eine Eule von Maélys zu entdecken. Ich hatte die Kriegsnymphenfamilie gebeten, etwas über den Verbleib meines Ehemannes herauszufinden. Bisher ohne wirklich Erfolg. Ansonsten wäre längst eine Eule hier. Oder irgendjemand, der mich über das Schicksal des Aurors berichtete. Ich stieß ein frustriertes Seufzen aus.
„Sie werden ihn bestimmt bald finden." Deborah versuchte, mir ein aufmunterndes Lächeln zu schenken, allerdings sah man ihr an, wie angespannt sie war. Sie machte sich genauso sorgen, wie ich es tat.
„Was ist, wenn Voldemort ihn geschnappt hat, um herauszufinden, wo James, Lily und wir sind? Er wird ihn foltern." Ich merkte, wie mir mehrere Tränen über die Wangen flossen. Die Gewitternymphe sprang von ihrem Platz auf und zog mich in eine Umarmung.
„Er ist stark, Carolin. Er würde es überstehen. Maélys würde ihn dann aufspüren und ihn befreien. Es wird alles wieder gut. Ganz bestimmt." Das magisch verstärkte Klopfen des Türklopfers an der Haustür war zu hören. Erleichterung machte sich in mir breit. Ich löste mich von der anderen Nymphe. So schnell ich konnte, stürmte ich zu der besagten Tür. Mit Schwung riss ich diese auf. Sofort machte sich die Angst wieder in mir breit. Es war nicht Sirius, auf den ich gehofft hatte, sondern Frédéric, welcher nicht so aussah, als hätte er gute Nachrichten für mich.
„Sag mir, dass er lebt! Sag es mir!"
„Er lebt, aber –" Ich fiel dem Zauberer um den Hals, womit ich ihm das Wort abschnitt. Wieder flossen mir Tränen über die Wangen, dieses Mal allerdings Tränen der Erleichterung.
„Carolin, ihr müsst hier sofort alle weg. Hol deine Kinder und die anderen. Lasst einfach alles hier. Die Hauselfen können euch später alle wichtigen Besitztümer bringen." Ich hatte das Gefühl, jemand hätte mir die Hand in die Brust gerammt und würde nun langsam aber sicher mein Herz zerquetschen.
„Sie haben ihn, oder?" Ich bekam kaum mehr hin als ein Flüstern.
„Ich erzähle euch alles, wenn wir in Sicherheit –"
„Nein, sag mir, was los ist!" Dieses Mal schrie ich. Wo es mir gerade noch so schwerfiel überhaupt ein Wort zustande zu bringen, war ich nun dabei den Franzosen anzuschreien. Ich wollte endlich wissen, was los war. Frédéric hingegen schien das nicht akzeptieren zu wollen. Er schob mich unsanft ins Schloss herein und knallte die Haustür hinter uns zu.
„Jetzt ist keine Zeit dafür. Geh endlich und hole die Anderen! Sofort!" Ich zuckte bei seinem Geschrei zusammen.
„Jetzt mach schon. Wir haben keine Zeit." Wie von selbst setzten sich meine Beine in Bewegung.

Es dauerte keine fünf Minuten, bis wir alle im Eingangsbereich versammelt waren. Mary quengelte auf Samuels Schoß, weil sie von ihrem Vater so unsanft aus dem Schlaf gerissen worden ist, Elaina rieb sich immer wieder über die Augen. Ich hatte auf jeden Arm eine meiner Töchter sitzen. Während Kira schon wieder schlief, war Patricia ziemlich aktiv. Sie drehte und wendete sich.
„Papa?", wurde ich dabei immer wieder gefragt.
„Es wird alles gut mein Schatz. Papa kommt bald nach."
„Papa." Dieses Mal wurde ich ziemlich auffordernd angesehen.
„Gib mir eine von beiden." Bevor ich auch nur antworten konnte, hatte mir Frédéric schon Kira abgenommen.
„Wir sollten jetzt gehen." Die Eingangstür wurde wieder geöffnet und ein Schwall der kühlen Luft kam uns entgegen. Der Boden war stellenweise gefroren, was in der Halloweennacht schon mal passieren konnte.
„Was ist denn jetzt los? Wo ist Sirius und warum müssen wir mitten in der Nacht hier weg?" Samuel sah zu dem Franzosen herüber. Dieser sah kurz zu mir herüber, bevor er seufzend nachgab.
„Die Potters wurden angegriffen." Ich blieb wie angewurzelt stehen.
„Das kann nicht sein. Nur Sirius konnte jemanden dahin führen. Er hätte sie niemals verraten. Nicht einmal, wenn er gefoltert worden wäre." Frédéric sah traurig zu Boden.
„Carolin, es tut mir leid. Er war es. Er hat sie verraten. Er ist der Verräter. Ein Wunder, dass es solange gedauert hat, bis Voldemort die Potters angegriffen hat. Als Nächstes wird er wahrscheinlich uns Nymphen angreifen. Wir sind gerade los, um alle zu warnen. Vermutlich hat er schon früher die Aufenthaltsorte von Nymphen verraten. Deshalb konnte Voldemort bei so vielen zu Hause einfallen. Deshalb wurdet ihr wahrscheinlich auf den Bahamas angegriffen."
„Nein! Du lügst! Er würde –" Ich brach in Tränen aus. Mein Sirius war niemals ein Verräter. Er hatte die Potters über alles geliebt. James war sein Bruder. Er würde ihn niemals verraten. Niemals, unter keinen Umständen. Genauso würde er uns auf gar keinen Fall verraten. Er würde alles tun, um seine Familie zu schützen.
„Wir müssen jetzt gehen, bevor es zu spät ist." Ich wurde weitergeschoben. Patricia auf meinen Arm wirkte auf Grund der Worte einfach nur verwirrt. Ich stolperte weiter nach vorne. Die Tränen verschleierten mein Gesicht.
„Wir apparieren nach Frankreich. Die Verteidigung von unserem Schloss wird schon vorbereitet. Notfalls können wir durch eine Menge Geheimgänge entkommen und uns in ein anderes, sicheres Versteck, von dem Sirius nichts weiß, begeben." Ich merkte, wie der Druck auf meinem Rücken nachgab, weshalb ich stoppte.
„Carolin, schaffst du das?" Ich wurde scharf von der Seite her angesehen. Wortlos nickte ich. Natürlich würde ich es schaffen. Frédéric nickte leicht, bevor die Menschen um mich herum disapparierten. Ich wollte es ihnen gerade gleichtun, als das Knacken eines Stockes zu hören war. Erschrocken wirbelte ich herum. Meinen Zauberstab erhoben. Ein großer, schwarzer Hund kam auf mich zugelaufen.
„Sirius!", rief ich, gleichzeitig als Patricia „Papa!" brüllte. Ich wollte auf das Tier zulaufen, doch eine Hand hielt mich zurück. Deborah war wohl ebenfalls noch nicht disappariert. Auf ihrem Arm saß Natasha und betrachtete neugierig den Hund, welcher sich gerade wieder in meinen Ehemann verwandelte.
„Bitte, hört mir zu." Die Verzweiflung in seinem Gesicht war nicht zu übersehen. Ich befreite mich von Deborah, damit sie mich nicht beim Seit-an-Seit-Apparieren mitziehen konnte.
„Was ist hier los?" Mein Ehemann schien erleichtert, dass wir nicht sofort flohen.
„Ich bin nicht der Verräter. Ich war nicht der Geheimniswahrer von James und Lily. Ich sollte es werden, aber ich hielt es für unklug. Auf mich würden die Todesser als Erstes kommen. Ich dachte, wenn wir Peter nehmen, kommt nie jemand darauf und jetzt – Er hat sie verraten. Bitte, glaubt mir das. Prinzessin, ich würde doch niemals –" Er brach ab, während sein Blick mal wieder auf den Boden gerichtet war. Wahrscheinlich damit wir nicht sehen konnten, wie sehr ihm der Tod von James und Lily mitnahm. Ich machte den Mund auf, um ihm zu sagen, dass ich ihm glaubte, egal wie unlogisch es war. Allerdings war die Gewitternymphe schneller als ich.
„Warum sollten wir dir glauben? Hast du irgendwelche Beweise für deine Behauptungen?" Sirius schüttelte traurig den Kopf.
„Ich werde Peter stellen und dann mit ihm zu den Auroren gehen. Damit die Wahrheit ans Licht kommt. Passt auf euch auf." Mein Ehemann drehte sich um. Offensichtlich wollte er gehen.
„Nein! Sirius, warte!" Ich sprang nach vorne und berührte seinen Arm, gerade als er disapparierte, weshalb Patricia und ich mitgezogen wurden. Wir kamen vor Peters Haus heraus. Sirius sah erschrocken auf meine Hand, die noch immer seinen Arm umklammerte.
„Carolin?" Er wirkte mindestens genauso erschrocken, wie ich mich fühlte. Ich hatte nicht damit gerechnet, plötzlich woanders zu stehen.
„Ich – eigentlich wollte ich dir nur sagen, dass ich dir vertraue." Man hörte eine Haustür aufgehen. Peter trat auf die Straße, seinen Zauberstab erhoben.
„Carolin, geh weg von ihm! Er ist der Verräter! Er hat James und Lily verraten! Ich habe schon die Auroren gerufen!" Ich drückte meine Tochter näher an mich.
„Carolin, jetzt komm endlich her!" Ich drehte mich um, wo Deborah stand.
„Geh, Prinzessin." Sirius schenkte mir ein kurzes Lächeln. Ich lief zu der anderen Nymphe und ihrer Tochter herüber, welche offensichtlich sofort disapparieren wollte, sobald ich sie erreichen würde.
Gleichzeitig apparierten um uns herum die angekündigten Auroren. Ich erkannte Moody und Kingsley unter ihnen. Mein Blick glitt zurück zu Peter und Sirius gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie von dort eine Explosion ausging. So wie Deborah und ich gerade standen, würde uns der Zauber voll erwischen. Damit würden nicht nur wir beide, sondern auch unsere beiden Töchter in den Tod gerissen werden. Damit wäre Deborahs Blutlinie ausgelöscht. Es musste doch einen Weg geben die beiden kleinen Mädchen zu retten.
Irgendwie zu Samuel zu schicken, wo sie in Sicherheit sein würden. Ich merkte, wie sich meine Magie verselbständigen wollte. „Vertraue auf deine Instinkte", kam mir wieder der Rat der Kriegsnymphenfamilie in den Sinn. Ohne weiter darüber nachzudenken, überließ ich meiner Magie die Kontrolle. Sie gehörte zu mir, genauso wie meine Beine. Instinktiv würde ich schon das Richtige damit anstellen. Ich merkte noch, dass mein Arm plötzlich leer war, genauso wie Deborahs, als wir beide von dem Sprengzauber erfasst wurden.

Vorsichtig schlug ich meine Augen auf. Ich fühlte mich seltsam lebendig, vor allem dafür, dass ich gerade mit voller Wucht von einem Sprengzauber erwischt worden war und eigentlich in tausend Stücke zerrissen sein müsste. Sogar in dem Fall, dass ich diesen überlebt haben sollte, war es unmöglich, sich so zu fühlen, wie ich es jetzt tat. Ausgeruht und voller Tatendrang.
Doch noch mehr verwunderte mich meine Umgebung. Blauer, wolkenloser Himmel war über mir zu sehen. Eine leichte Sommerbrise fuhr über mein Gesicht. Unter mir waren Gras und Blumen, welche ihren Duft überall verbreiteten. Es war bisher ein wirklich schöner Ort, an dem ich gelandet war.
Ich wollte mich aufsetzen, um mich genauer umsehen zu können. In diesem Moment erklangen Schritten. Erschrocken fuhr ich herum. Eine Frau kam auf mich zu. In meinem Alter. Blonde Haare, strahlend blaue Augen. Wüsste ich nicht, dass Marlene tot wäre, hätte ich gedacht, dass sie es ist. Die Frau, welche auf mir zukam und meine beste Freundin sahen aus wie Zwillinge. Kurz vor mir stoppte sie.
„Na Carolin, hast du deine beste Freundin so sehr vermisst, dass du ihr in die Zwischenwelt gefolgt bist? Oder ist es, weil Lily tot ist? Schließlich hat sie nach meinem Ableben meinen Platz als deine beste Freundin eingenommen. Muss ich eifersüchtig sein?" Ich starrte noch immer wortlos die Frau vor mir an.
„Marlene?", presste ich schließlich hervor.
„Jep." Ich fiel der Blondine um den Hals.
„Bei den zwölf Göttern, habe ich dich vermisst." Ich drückte meine beste Freundin an mich. Am liebsten würde ich sie nie wieder loslassen.
„Wenn du dich schon so sehr freust, mich zu sehen, dann guck mal, wer aus dem Totenreich zu Besuch gekommen ist." Marlene ließ mich los und zeigte hinter sich. Dort stand schon eine ordentliche Ansammlung an Leuten. Regulus, Mary, Dorcas, Lily und James konnte ich erkennen, genauso wie Fleamont und Euphemia Potter. Ich ließ mein Blick weiter über die Menge streifen, bis zu zwei Menschen, die mir wieder Tränen in die Augen trieben. Dieses Mal allerdings Freudentränen.
„Mama, Papa!" Ich ließ die andere Nymphe stehen und rannte auf meine Eltern zu. Mein Vater streckte seine Arme nach mir aus, weshalb ich mich in diese schmiss. Sofort schlossen sie sich wieder um mich.
„Hallo, mein kleines Mädchen."

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