Kapitel 38

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Liebevoll strich ich über die Haare meines Ehemannes. Er hatte noch immer die Augen geschlossen. Doch wenigstens war er schon lange nicht mehr so bleich wie nach dem Angriff. Er hatte schon fast wieder seine normale Hautfarbe. Meine Hand glitt von seinen Haaren zu seiner Wange.
„Komm endlich zu mir zurück, Sirius. Ich brauche dich. Die Zwillinge brauchen dich. Wir brauchen dich alle und ich vermisse dich." Ich merkte, wie mir mal wieder eine Träne über die Wange lief.
„Carolin?" Ich versuchte mir eilig, die Tränen wegzuwischen.
„James."
„Hätte ich gewusst, dass du bei Sirius bist, hätte ich vorher geklopft." Mein Schwager ließ sich neben mich auf die Bettkante fallen.
„Ich hätte gedacht, dass du das erste Weihnachten mit deinen Zwillingen und Marianne bei ihnen verbringen willst." Ich biss mir auf die Unterlippe.
„Ich wollte bei Sirius sein. Außerdem haben wir eh nichts geplant. Wir wollten heute zu deinen Eltern. Was machst du hier?"
„Der gleiche Grund." Wir saßen kurz schweigend nebeneinander, bevor ich wieder anfing zu sprechen.
„Patricia Prim hat heute ihr erstes Wort gesagt. Sie hat mich fragend angesehen und Papa gesagt. Ich habe keine Ahnung, was ich dazu sagen sollte. Sie sind neun Monate alt. Da kann ich ihnen wohl kaum sagen, dass ihr Vater sich für einen Job entschieden hat, der ihn eines Tages vermutlich umbringen wird. Oder er wird deshalb sein Leben lang geschädigt sein. Vielleicht wird es solange gefoltert, bis er sein Gedächtnis verliert. Dann können wir ihren verrückten –" Mir wurde der Mund zugehalten.
„Bitte rede nicht weiter." Mein Schwager hatte Tränen in den Augen. Er fuhr sich mit den Händen mal wieder durch die Haare.
„Sirius und ich sind Rabenväter, richtig? Merlin, warum frage ich das überhaupt? Meine Eltern sind Auroren gewesen. Seit ich denken kann, hatte ich immer Angst, sie würden nicht nach Hause zurückkommen. Jeden verdammten Tag saß ich am Fenster und habe darauf gewartet sie an der Appariergrenze zu sehen. Jeden verdammten Tag, auch wenn ich wusste, dass sie auf mehrtägiger Mission sind. Und was mache ich? Ich tue meinem Sohn genau das Gleiche an. Lasse ihn jeden Tag um mich und mein Leben Angst haben. Dabei weiß ich genau, wie es sich anfühlt. Warum bin ich nicht Heiler wie du geworden? Oder Richter wie Lily? Merlin, alles wäre besser gewesen. Sogar Arbeitsloser wäre eine bessere Jobwahl gewesen. Vielleicht sollte ich kündigen. Meine Eltern haben genug verdient, damit Lily und ich unsere Leben lang nicht mehr arbeiten müssen. Lily hat erzählt, dass Muggel ihr Geld anlegen. Sie kaufen sich Anteile an Firmen oder Immobilien und verdienen damit noch mehr davon. Wir hätten damit eine Altersvorsorge und wahrscheinlich könnten wir auch unseren Kindern ein gutes Leben finanzieren." Er brach ab und starrte nachdenklich seinen Bruder an. James fing wieder an sich seine Haare zu zerwühlen.
„Aber?"
„Was wäre ich für ein Vater, wenn ich den ganzen Tag zu Hause sitzen und mich auf dem Vermögen meiner Eltern ausruhen würde? Draußen sterben Menschen und ich kann ein paar von ihnen retten. Wie soll ich Harry eines Tages erklären, dass ich damit aufgehört habe, auch wenn ich es für das Richtige gehalten habe? Auch wenn seine Großeltern gestorben sind, weil sie es für das richtige Gehalten haben."
„Du liebst deinen Job, genauso wie Sirius es tut. Weil ihr beide wisst, dass es das Richtige ist, was ihr dort tut. Egal, ob ihr euer Leben dabei riskiert oder es nicht tut. Falls es dich tröstet. Egal was passiert, Harry wird stolz auf seinen Vater sein. Ich bin mir ziemlich sicher, er wird verstehen, warum sein Vater in diesem Krieg kämpfen wollte. Genauso wie Patricia Prim und Kira Lorraine es verstehen werden, wenn ich sterben werde, und Marianne wird verstehen, wofür sich ihre Mutter geopfert hat. Eines Tages, wenn sie alt genug für das alles sind." James lächelte gequält.
„Geben wir ihnen allen keinen Grund, es nachvollziehen zu müssen."

James hatte einen Arm um mich gelegt. Meine Hände hatten sich, um die Teetasse verkrampft, die ich mir mittlerweile besorgt hatte. Der Geruch von Melisse, Lavendel, Fenchel und Rosmarin hatte sich aus der Tasse in dem Zimmer verbreitet.
„Wir sitzen hier seit zwei Stunden."
„Ich weiß."
„Wir sollten Mal zu unseren Kindern zurückkehren." Der Arm verschwand. Stattdessen stand mein Schwager auf. Ich allerdings blieb sitzen. Meine Finger noch immer fest um die Tasse geklammert.
„Carolin, deine Zwillinge können nicht ihre Mutter auch noch verlieren. Es bringt nichts, wenn du pausenlos hier sitzt. Ich weiß, dass du gestern den ganzen Tag hier warst. Seit dem – Vorfall warst du immer hier. Zeit endlich wirklich nach Hause zu gehen. Die Heiler werden dir Bescheid sagen, sobald er aufwacht. Deine Kollegen werden dich verständigen." Ich nickte leicht. Wahrscheinlich hatte mein Schwager recht. Es war Zeit, endlich wieder meinen Mutterpflichten nachzukommen, als den ganzen Tag im Krankenhaus bei Sirius zu sitzen. Ich beugte mich zu meinem Ehemann herunter, um ihn einen Kuss auf die Stirn zu drücken.
„Ich liebe dich, Stallbursche. Und dein kleines Kätzchen tut das auch. Dein Welpe fragt schon nach ihrem Papahund. Du hast ihr erstes Wort verpasst." Ich löste mich wieder von meinem Partner. Stattdessen lief ich zu James. Dieser hatte schon eine Hand nach mir ausgestreckt, die er mir wieder auf die Schulter legte.
„Soll ich dich nach Hause bringen, Carolin?"
„Nein, danke. Das ist wirklich lieb gemeint, aber es ist besser, wenn ich alleine gehe."
„Klar, ansonsten wüsste ich wieder, wo ihr wohnt und –" Mein Schwager brach mitten im Satz ab. Er wirkte ziemlich schuldbewusst. Anscheinend wusste er, dass er von unserem heimlichen Umzug eigentlich gar nichts wissen sollte.
„Sirius hat etwas gesagt, was euch verraten hat. Es tut ihm leid." Ich lehnte meinen Kopf an die Schulter meines Schwagers.
„Ist schon in Ordnung. Ich kann dir nur leider nicht verraten, wo wir jetzt wohnen."
„Das ist mir bewusst. Ich finde es ehrlich gesagt vollkommen in Ordnung. Ich verstehe es. Es ist ein Nymphending. Ich bin froh, wenn meine Familie in Sicherheit ist. Meine Schwägerin, meine beiden Nichten und mein liebster Bruder sind es auf jeden Fall." Wir sahen zusammen in Richtung Sirius, welcher noch immer in seinem Krankenbett lag. Allerdings nicht mehr mit geschlossenen Augen, denn genau in diesem Moment schlug er die Augen auf.
„Sirius!" Ich rannte zu dem Bett meines Ehemannes herüber. Dort angekommen, fiel ich meinem Partner um den Hals.
„Du bist wach! Du bist endlich wach. Ist alles in Ordnung mit dir? Wie fühlst du dich? Hast du Schmerzen? Soll ich einen Heiler holen? Sag mir, was ich tun kann."
„Nicht so fest drücken." Erschrocken ließ ich meinen Ehemann wieder los.
„Tut mir leid. Ich wollte dich nicht verletzen. Ich –"
„Ist schon gut, Prinzessin. Setz dich erstmal zu mir. Und du auch, James." Ich lehnte meinen Kopf gegen die Schulter von Sirius. Dieser sah sich noch immer leicht verwirrt im Raum um.
„Ich bin im St. Mungos, richtig?"
„Ja, bist du."
„Wo sind die anderen? Geht es ihnen gut?" Ich kratzte mir am Hinterkopf. Zwar hatte ich mit dieser Frage gerechnet, doch trotzdem wusste ich nicht, wie ich darauf antworten sollte.
Sirius heißgeliebte Adoptiveltern waren verstorben. Die beiden Menschen, die ihn aufgenommen haben, als er keine Ahnung hatte, wohin er gehen sollte, weil er es bei seinen Erzeugern nicht mehr ausgehalten hatte. Er war gerade erst nach mehreren Tagen Bewusstlosigkeit aufgewacht. Da wollte ich ihm nicht sofort mitteilen, dass sie gestorben waren. Er sollte erst wieder zu Kräften kommen. Sich ärgern, weil er Weihnachten teilweise verpasst hatte. Doch ihn anzulügen kam mir auch falsch vor. Schließlich hatte er ein Recht darauf zu erfahren, dass seine Eltern verstorben waren.
Mein Blick glitt hilfesuchend zu meinem Schwager, welcher genauso überfordert schien, wie ich mich fühlte.
„Ich weiß, dass Euphemia und Fleamont –" Sirius brach Mitten im Satz ab, während ihm eine Träne über die Wange liefen. Vorsichtig zog ich ihn an mich heran.
„Ich war bei ihnen, als – es passiert ist."
„Es tut mir so unendlich leid, Stallbursche."
„Mir auch." Der Blick des gerade Aufgewachten glitt zu seinem Bruder.
„James, ich – es tut mir leid, dass ich sie nicht gerettet habe. Ich hätte es tun müssen. Ich hätte es verhindern müssen. Ich –" „Es ist nicht deine Schuld, Tatze. Du hättest sie nicht retten können. Ansonsten hättest du es getan. Das weiß ich."

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