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Eine Woche war vergangen, in der ich jedoch keine einzige Träne vergossen hatte.
Eine Woche, seit ich vom Tod meines Bruders erfahren hatte.
Sechs Tage, seit ich nach Mystic Falls zurück gekehrt war.
Fünf Tage seit Tylers Beerdigung.
Vier Tage, seit ich mich mit Damon im Grill betrunken hatte.
Drei Tage, seit ich nach New Orleans zurückgekehrt war.
Zwei Tage, seit Caroline ebenfalls hier war.
Ein Tag, seit ich mich mit ihr gestritten hatte.

Und jetzt saß ich hier, allein in der Abenddämmerung im Außenbereich meiner Stammbar und war wieder drauf und dran meine Sorgen in Bourbon zu ertränken.
Kol war mit Rebekah gemeinsam bei einem Hexenzirkel etwas außerhalb der Stadt, und da ich mich mit meiner anderen Freundin gestritten hatte, blieb mir nur übrig, allein zu sein.

Unser Streit war dumm gewesen.
Sie hatte sich über meine Gefühlskälte beschwert und ich hatte sie daraufhin angefahren.
Mir war klar, dass sie Recht hatte; ich musste meine Gefühle endlich zulassen, aber ich konnte es einfach nicht.
Und anstatt auf sie einzugehen hatte ich sie im übertragenen Sinne von mir gestoßen.

Caroline hatte mir erzählt, dass Tyler in einen Streit mit einigen Vampiren geraten war, und diese ihn getötet hätten.
Ich kannte das Temperament meines Bruders und dennoch wunderte es mich, dass es so plötzlich geschehen war. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das alles war.
Allerdings konnte mich mich gerade auch nicht dazu aufraffen, mir eine bessere Erklärung zu überlegen.
Jedes Mal, wenn ich daran dachte, was passiert war, überkam mich der unglaubliche Drang es einfach wegzuschieben. Ich konnte mich nicht damit beschäftigen, dass mein Bruder einfach...
Ich nahm einen tiefen Schluck aus meinem Glas.

"Wieso gehst du nicht an dein Handy?"
Ich blickte auf und hätte am liebsten direkt die Augen verdreht.
"Was willst du, Klaus?", fragte ich und gab mir keine Mühe, zu verbergen, wie genervt ich von ihm war. Ich hatte seine Anrufe nicht entgegengenommen, weil ich keine Lust gehabt hatte, mir wieder irgendetwas von ihm befehlen zu lassen.
"Deine Hilfe."
Ich verdrehte die Augen und setzte gerade an, etwas Giftiges zu entgegnen, doch er unterbrach mich.
"Bevor du etwas einzuwenden hast: Es geht um Caroline."
Sofort wurde ich hellhörig und sah ihn erwartungsvoll an.
Auch wenn ich mich mit ihr gestritten hatte, war sie meine Freundin und wenn ihr etwas passieren würde... Daran wollte ich gar nicht denken.
"Was ist los?", fragte ich.
Klaus seufzte und ließ sich auf dem Stuhl mir gegenüber nieder.

"Ich bin mir nicht sicher, aber ich vermute Lucien", erwiderte er.
Beim Klang dieses Namens kochte augenblicklich wieder Wut in mir hoch. Es war die eine Sache, dass er mich tot sehen wollte, aber die andere dass er meine Freundin entführte.
"Wo ist er?"
Auf einmal ertönte ein Klirren und ich hielt Scherben in der Hand.
Ich hatte es gar nicht bemerkt, doch ich hatte aus Rage mein Glas so fest umklammert, dass es zersprungen war.
Klaus schenkte mir einen missbilligenden Blick, bevor er mir eine Antwort gab.

"In Luciens Appartement. Aber ich glaube das ist nur Ablenkung."
Ich runzelte die Stirn.
"Ablenkung wovon?"
"Ich weiß nicht was er vorhat, aber ich weiß, dass er von einigen Hexen im French Quater ein bestimmtes Grimoire will. Und das darf er auf keine Fall bekommen", erklärte er knapp.
Am liebsten hätte ich gefragt, weswegen er es nicht bekommen dürfte, doch im Moment wollte ich einfach nur zu Caroline.
Ich stand auf.
"Schön, dann holst du das Grimoire und ich gehe und hole Caroline", schlug ich vor und legte noch etwas Geld auf den Tisch, bevor ich mit Klaus gemeinsam losging.

"Wo ist Luciens Appartement?", fragte ich noch.
Er nannte mit die Adresse und fügte hinzu, dass der Aufzug direkt in seine Wohnung führen würde.
Ich nickte nur und drehte mich dann weg, um mich auf den Weg zu Caroline zu machen.
Gott, ich hoffe nur er hatte ihr nichts getan. Und falls doch würde er das bitter bereuen.

Klaus legte jedoch noch eine Hand auf meine Schulter, woraufhin ich mich zu ihm umdrehte.
Was wollte er jetzt? Ich musste verdammt nochmal zu Caroline.
Erwartungsvoll hob ich die Brauen.
"Wenn ihr etwas passiert...", raunte er und hielt kurz inne, um mir fest in die Augen zu schauen.
Hätte ich diesen Tonfall nicht so gut gekannt hätte er mir einen Schauer über den Rücken gejagt.
"...werde ich die den Rest deines Lebens zur Hölle machen. Verstanden?", vervollständigte er seine Drohung.
Ein Konten formte sich in meiner Brust.
Nicht aus Angst vor Klaus, sondern aus Angst nicht rechtzeitig zu Caroline zu kommen.

"Das wird dann nicht mehr nötig sein", erwiderte ich.
Er durchbohrte mit seinem Blick förmlich meine Augen, nickte mir dann aber zu.
Dann trennten sich unsere Wege.
Wenn Caroline etwas zugestoßen war, konnte Lucien sich auf etwas gefasst machen.

Breathe - Kol MikaelsonWhere stories live. Discover now