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Kol

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, lag Bree nicht neben mir.
Es war nicht so, als würde sie selten vor mir aufstehen, doch ich konnte sie auch sonst nicht hören.
Normalerweise machte sie Kaffee oder setzte sich auf die Veranda um zu lesen, doch ich konnte weder den Geruch von Kaffee wahrnehmen, noch das Knarzen des Schaukelstuhls auf dem Holz hören.

Sorge stieg in mir auf, doch ich versuchte mir meine (vermutlich) irrationalen Gedanken auszureden; vielleicht war sie einfach in die Stadt oder zu Caroline gegangen.
Also stand ich auf und ging nach unten in die Küche, um mir eine Blutkonserve aus dem Kühlschrank zu holen. 
Ich musste darauf achten, nicht wieder in Hungerphasen zu rutschen, denn inzwischen wusste ich gut genug, dass diese wieder in Massakern enden würden.

Als ich die Küche betrat fiel mir allerdings sofort eine Kleinigkeit auf; auf der Ablage neben der Kaffeemaschine lag ein zusammengefaltetes Blatt Papier.
Mein Herz wurde schwer. Das konnte nichts Gutes bedeuteten.
Ich nahm den Zettel in die Hand und las, doch mit jeder einzelnen Zeile weitete sich das Gefühl von Sorge nur mehr in mir aus.

Kol, es tut mir leid.
Es tut mir so, so leid.
Ich weiß, ich sollte nicht einfach gehen, vor allem nicht ohne mich von dir zu verabschieden, aber ich konnte es nicht.
Hätte ich mich von dir verabschiedet, hättest du mich ohne jeden Zweifel dazu gebracht, zu bleiben.
Aber das kann ich nicht. 
Ich konnte den Tod meiner Eltern nur schwer verkraften, aber Tylers... es geht nicht.
Ich liebe dich, Kol, wirklich.
Aber bitte such nicht nach mir, wenn du nicht enttäuscht werden willst.
-Bree

Mein Puls erhöhte ich und ohne es wirklich zu bemerken ballte ich meine rechte Hand zu einer Faust.
Das konnte nicht wahr sein.
Sie konnte mich nicht einfach verlassen haben!
An einigen Stellen war die Tinte wie von Wasser verschmiert und ich glaubte, dass sie geweint hatte.
Wieso war sie dann gegangen? Weswegen konnte sie nicht hier bleiben?
Was konnte sie wo anders tun, was ihr hier nicht möglich war?
Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

Bree war ein Hybrid und hatte damit die (zugegebenermaßen häufig ganz praktische) Fähigkeit, ihre Gefühle abzuschalten.
Oh nein, das durfte sie nicht tun. 
Ich wusste, wie schwer es war, jemanden wieder dazu zu bekommen, zu fühlen, wenn sie erst einmal in den Genuss gekommen waren, keinen Schmerz mehr wahrzunehmen.
Und Bree... Ich hatte sie gestern gesehen. 
Sie war stark und in der Lage, mal eben ein paar Vampire zu töten, obwohl diese bedeutend älter waren als sie selbst.
Wenn sie nicht einmal einen Funken Menschlichkeit in sich trug, konnte sie vermutlich noch schlimmere Dinge anrichten. 

Bevor ich meinen Gedanken weiter verfallen konnte, klingelte mein Handy. 
Klaus.
Angespannt nahm ich den Anruf entgehen und begrüßte meinen Bruder mit den Worten "Was ist los?"

"Ich glaube deine Freundin ist los, Kol", erwiderte er und ich konnte hören, dass er verdammt wütend war.
Es war, als würde das letzte bisschen Hoffnung, dass ich noch gehabt hatte, erlöschen. Ganz offensichtlich hatte ich jetzt keine Chance mehr, Bree davon abzuhalten, ihre Menschlichkeit abzustellen.
"Wo ist sie?", fragte ich. Ich musste sie finden, und zwar so schnell wie möglich.
Wenn ich sie schon nicht mehr davon abhalten konnte, die Menschlichkeit auszuschalten, konnte ich immerhin versuchen sie zurück zu bekommen.
"Ich habe keine Ahnung, wo sie jetzt ist", erwiderte er. "Aber wenn wir sie nicht bald finden, haben wir vermutlich einen Krieg mit Lucien am Hals.

-

Bree

Nichts.
Ich fühlte nichts.
Der Schmerz war einfach weg und ich fühlte mich irgendwie frei.
Niemanden, den ich bedauern musste. Niemand, auf den ich aufpassen musste.
Nur ich und eine Mission, von der ich gehofft hatte, sie würde meinen Gefühlszustand verbessern.

Vor zwei Stunden hatte ich noch weinend in der Küche gesessen und Kol einen Abschiedsbrief geschrieben.
Inzwischen kam mir das schon beinahe lächerlich vor; Kol war mir egal.
Caroline war mir egal. Tylers Tod war mir egal.
Das einzige, was ich im Moment vor Augen hatte war mein Ziel, Lucien Castles Leben zu ruinieren.
An sich hätte auch er mir egal sein können, doch ich war mir sicher, dass es Spaß machen würde jeden Aspekt seines Lebens nach und nach zu zerstören, bis nichts mehr davon übrig war.

Ich wusste auch schon genau wo ich anfangen würde; eine Stunde später, um fünf Uhr morgens fuhr ich auf den Parkplatz einer der Niederlassungen von Kingmaker Land Development - der Firma, die Lucien gegründet hatte, um unter einem Deckmantel übernatürliche Wesen zu erforschen.
Ich lächelte schwach und fuhr mit Vollgas auf die Eingangstüre aus Glas zu; dieses Gebäude würde es bald nicht mehr geben.

-

Lächelnd ließ ich ein Streichholz fallen und setzte so auch die Eingangshalle in Brand.
Der Boden war übersäht von den Leichen bewaffneter Sicherheitskräfte, die bei ihrem Versuch mich aufzuhalten ums Leben gekommen waren.
Früher hätte mir das vielleicht einmal leid getan, doch inzwischen kümmerte es mich nicht im Geringsten.
Dieses Foyer war der letzte Teil des Gebäudes, das ich noch nicht Flammen gesetzt hatte.
Ich hatte hier niemanden gefunden, bis auf die Sicherheitskräfte und einer ganzen Menge Akten, von denen ich mir sicher war, dass sie nicht gerade unwichtig waren.
Bald wäre davon nichts als Asche übrig.

Ich verließ das brennende Gebäude und konnte weiter Ferne schon die Sirenen hören.
An meiner Kleidung klebte Blut und Ruß, doch das störte mich nicht sonderlich - ich würde mir im nächstbesten Laden einfach ein paar neue Klamotten manipulieren.

Jetzt musste ich nur verschwinden.
Am besten in die nächste Stadt, in die Lucien eine seiner Firmengebäude gestellt hatte.

-

Hey, nach einer Weile gibt es mal wieder ein Kapitel(:
Wie findet ihr die Wendung bisher?

Breathe - Kol MikaelsonWhere stories live. Discover now