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Bree

Lucien hielt die kleine Flasche mit dem Serum in der Hand und ich sah erwartungsvoll zu Kol.
Würde er nichts tun?
Wenn Lucien so stark werden würde, würde das nicht nur unseren Tod bedeuten, sondern den aller Vampire.
Auf einmal fiel Freya zu Boden; vermutlich war der Zauber zu viel für sie gewesen und die hatte daher das Bewusstsein verloren.
Kol stand nur wie erstarrt da, während Lucien das Fläschchen langsam zu seinen Lippen führte.
Gott, musste man hier denn alles selber machen?

Ohne noch einen Moment abzuwarten stürmte ich in Vampirgeschwindigkeit auf Lucien zu und riss ihm das Serum aus der Hand.
"Tut mir leid, Lucien", säuselte ich und blieb einige Meter vor ihm stehen, bevor ich mich zu ihm umdrehte.

Er sah mich fassungslos an, schien sich dann allerdings wieder zusammen zu reißen.
Kol tauchte nun ebenfalls neben mir auf.
"Du hast Spaß daran, mir das Leben schwer zu machen, nicht wahr?", fragte er zerknirscht.
"Das fällt dir aber früh auf", erwiderte ich kühl und holte mit dem Arm aus, um das Glasfläschchen gegen einen Baum zu schleudern.

Lucien zog eine Pistole und richtete sie auf Kol.
"Wenn du das tust, ist er tot."
Kol legte den Kopf schief.
"Eine Pistole? Wirklich Lucien? Was soll mir das anhaben, einen Kratzer vielleicht?"
Ein siegessicheres Schmunzeln formte sich auf Luciens Lippen.
"Die Patronen sind aus Weißeiche. So ziemlich das letzte, was Aurora mir hinterlassen hat, bevor ihr das Leben genommen wurde."
Er funkelte mich an, doch ich reagierte nicht.
In mir ging momentan viel zu viel vor sich.
Kols Leben stand in Gefahr und damit drehte sich unerwarteter Weise meine Situation um etwa 180 Grad.
Wenn ich das Serum zerstörte, würde Kol sterben.
Wenn ich das nicht tat, würde es Lucien wahrscheinlich gelingen, einen Großteil der Urvampire zu töten.

Bevor ich mich bewusst dazu entschieden hatte, fühlte ich, wie plötzlich eine Vielzahl von Gefühlen auf mich einströmte, als hätte ich eine Schleuse geöffnet.
Es war zu viel. Alles war viel zu viel.
Panik, Sorge, Liebe und Verzweiflung. Und das war nur sie Spitze des Eisbergs.

Ich dachte keine Sekunde weiter nach und schleuderte die Flasche gegen einen Baum, an dessen Rinde sie zerbrach und das Serum auf dem Waldboden verteilte.
Fast im selben Moment warf ich mich vor Kol und fing die Kugel, die aus dem Lauf der Pistole geschossen wurde.

"Nein!", hörte ich Kol schreien.
Ich schnappte nach Luft und fiel unter Schmerzen auf die Knie.
Das Holz hatte mein Fleisch einige Zentimeter unter meinem Schlüsselbein durchbohrt und ich konnte spüren, dass die Kugel mein Herz streifte.
Bei jedem einzelnen Herzschlag wurden die Schmerzen größer.

Ich hörte, wie Kol an mir vorbei zu Lucien ging, doch es war, als würde ich die Geräusche nur durch Watte wahrnehmen.
Langsam sackte ich ganz zu Boden und blieb auf dem feuchten Laub liegen.
Hätte die Kugel mich nur ein wenig weiter rechts getroffen, wäre ich vermutlich schon tot. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass ich davon nicht sonderlich weit entfernt war.
Es würde wahrscheinlich nicht mehr sehr lange dauern, bis die Kugel durch meinen Herzschlag doch den Muskel durchbohren würde.

Gott, ich fühlte mich so schuldig.
Auch wegen all der Arbeiter von Kingmaker, die ich getötet hatte, doch das war nicht mein größtes Problem; sie hatten alle gewusst, was sie anderen Werwölfen und Vampiren antaten.
Ich fühlte mich am schlimmsten wegen Kol. Und Caroline.
Ich hatte ihn einfach verlassen, obwohl er nichts mit meiner Trauer zu tun gehabt hatte. Dazu kam, dass ich ihm gegenüber nicht gerade nett gewesen war. Er hatte mich einfach nur zurück gewollt. Und ich hatte mich nicht einmal von ihm verabschiedet.

"Bree?"
Kol fiel neben mir auf die Knie und sah mich mit vor Sorge verzerrter Miene an.
Ich griff sofort nach seiner Hand und erwiderte seinen Blick mit Tränen in den Augen.
"Kol, es tut mir so leid", brachte ich mit erstickter Stimme hervor.
Ich spürte, wie das Holz meinem Herzen immer näher kam und wenn das so weiter ging würde ich nicht mehr lange zu leben haben.
Er zog mich näher zu sich, sodass ich halb auf seinem Schoß lag.

"Du hast deine Menschlichkeit...", begann er ungläubig, hielt dann jedoch inne, als sein Blick wieder auf meine Wunde fiel.
"Kol?" Meine Stimme war dünn und ich hatte das Gefühl, kaum noch reden zu können.
Ich drückte seine Hand und brachte ihn so wieder dazu, mir ins Gesicht zu sehen.
"Es tut..." Ich konnte meinen Satz nicht zu Ende führen, da der Schmerz in meiner Brust schlimmer aufflammte als zu vor.

Erst jetzt bemerkte ich, dass sich meine Finger allmählich grau färbten, wie ich es bei toten Vampiren schon unzählige Male gesehen hatte.
"Bree, wag es nicht, mich jetzt zu verlassen", flehte Kol verzweifelt, während die Welt langsam vor meinen Augen verschwamm. 
Ich hätte ihm gerne geantwortet, doch alles fühlte sich so unendlich schwer an.
Ich wollte irgendetwas tun, doch ich konnte nicht. Fast fühlte es sich an, also würden meine Glieder nach und nach mit Beton gefüllt werden und mich so am Boden halten.
"Bree, nein!", hörte ich Kol noch wie durch einen Schleier rufen.

Erneut spürte ich ein Stechen in meinem Brustkorb, doch diesmal war es nicht nur schmerzhaft.
Diesmal war es erlösend.

-

Ich hab mich selbst grad fast zum Weinen gebracht ups

Breathe - Kol MikaelsonWhere stories live. Discover now