Kapitel 6- Aufwachen

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Um fünf Uhr aufzustehen war echt die reinste Qual, wenn man wusste, dass man erst um kurz vor sieben anfangen konnte. Er musste sich wirklich aus dem Bett quälen. Nicht nur, weil er unfassbar müde war, sondern weil ihm alles weh tat. Er wusste, dass es besser wurde, wenn er aufstand und sich bewegte, aber dazu musste er erstmal aufstehen. Keine zehn Minuten später stand jedoch seine Mutter in seinem Zimmer. Statt wie sonst immer einen genervten Tonfall zu haben, wenn sie einen von ihnen wecken kommen musste, war sie heute ausgesprochen sanft. „ Bist du wach Schatz?", wisperte sie fast schon in den Raum, woraufhin Tim müde brummte und sich von der Tür weg drehte. Das Licht was aus dem Flur kam brannte in seinen Augen. Die Tür wurde wieder ein bisschen ran gemacht, sodass kaum noch Licht in sein Zimmer drang und er hörte ihre Schritte in seine Richtung kommen. Die Matratze senkte sich unter einem neuen Gewicht und eine Hand legte sich sanft auf seinen Rücken und strich behutsam auf und ab. „ Die ersten Tage sind immer die schwersten Tim. Früh aufstehen und fast acht Stunden durchgehend stehen, wenn man sonst das Gegenteil gewöhnt ist. Werd in Ruhe wach Schatz. Dein Vater war Brötchen holen, du musst also kein Essen richten. Und Max weck ich heute mal. Wir fahren dann um sechs." Tatsächlich wurde er noch mal in Ruhe gelassen und konnte für ein paar Minutendie Augen schließen. Die bittere Realität holte ihn allerdings mit dem zweiten Wecker ein. Jetzt sollte er wirklich aufstehen. Er hatte ja sogar die Motivation arbeiten zu gehen, aber er war einfach platt und müde. Letzten Endes schaffte er es doch seine Beine aus dem Bett zu schieben und sich langsam aufzurichten. Die Augen fast komplett zusammengekniffen tastete er sich blind zu seinem Kleiderschrank vor und zog wahllos irgendwas an Klamotten heraus, die er heute anziehen würde. Mit dem Stapel Klamotten wollte er ins Bad gehen, aber das Licht im Flur war grell und ließ ihn die Augen zusammenkneifen. Mit einer Hand tastete er nach dem Lichtschalter und versuchte das Licht im Flur auszuschalten, um irgendwie ins Bad zu kommen. Momentan fühlte er sich wie ein halber Vampir, aber es war einfach zu früh und er noch total müde. Im Bad schaltete er nur das kleine Licht am Spiegel an, um seine Augen erstmal langsam an das Licht zu gewöhnen. Seine erste Handlung bestand darin sich eiskaltes Wasser ins Gesicht zu schöpfen, um irgendwie wieder wach zu werden. Klappen tat es so semi gut. Das kalte Wasser trug nicht dazu bei, dass er wacher wurde, fühlte sich dafür umso unangenehmer auf seiner Haut an. Trotzdem machte er weiter und schöpfte sich noch mehr kaltes Wasser ins Gesicht. Gähnend stellte er das Wasser ab und trocknete sich mit einem Handtuch das Gesicht. Träge Griff er nach seiner Zahnbürste und machte diese noch kurz nass, bevor er Zahnpasta drauf gab und begann sich die Zähne in langsamen kreisenden Bewegungen zu putzen. Er könnte wirklich an Ort und Stelle einschlafen. Mit gefühlt noch einen Fuß im Bett und dem Kopf im Kissen zog Tim sich nach dem Zähneputzen an und schlurfte dann in die Küche. Sein Vater schien noch wach zu sein nach seiner Nachtschicht, denn er hörte seine Mutter mit jemandem reden. Müde gesellte er sich dazu und machte sich eine Tasse Kakao, nachdem er ein:„ Morgen.", genuschelt hatte. „ Morgen Tim. Wie war der erste Tag?", wollte sein Vater direkt wissen. „ Tim tat es mit einem einfachen:„ War super interessant und lustig.", ab und ließ sich auf den Küchenstuhl plumpsen, um den Kopf auf die Tischplatte sinken zu lassen. „ Ist da jemand müde? Willkommen in der Arbeitswelt junger Mann. Keine Sorge, du wirst dich dran gewöhnen. Hab einen schönen Tag.", er hörte, wie sein Vater seiner Mutter noch einen Kuss gab, bevor ihm kurz durch die Haare gestrichen wurde und er dann in Ruhe gelassen worden war. Irgendwann wurde ihm ein Teller vor die Nase geschoben. „ Iss wenigstens was kleines. Du brauchst die Kraft. Ansonsten nimmst du's mit und isst es bitte später. So ganz ohne Frühstück ist nicht gut." Wie oft er den Satz schon gehört hatte. Natürlich wusste er das, aber was sollte er machen, wenn er keinen Hunger hatte. Sich dazu zwingen war auch nicht unbedingt so vorteilhaft. Er konnte und wollte morgens einfach nichts essen. Machte er schon in der Schule nicht. Manchmal packte ihn dann doch der Hunger und dafür nahm er was zu essen mit. Ansonsten aß er das einfach in der zweiten großen Pause gegen elf. Bis jetzt hatte er noch nie gehungert, von daher sollte es so weit in Ordnung sein. Aber um fünf gut mittlerweile fast sechs Uhr konnte und wollte er einfach noch nichts essen. Runter bekäme er wahrscheinlich eh nichts. Es war einfach zu früh. „ Ach komm Schatz, es ist schon Dienstag. Außerdem hast du bald sechs Wochen frei. Zieh durch." Wenn das nur so einfach wäre. Wenn er nicht so müde wäre, wäre es wesentlich einfacher. „ Soll ich's einpacken? Dann kannst du dich schon mal ins Auto setzen und noch n bisschen die Augen zu machen. Ich komm dann gleich." Das klang wie ein Segen für ihn. Tim schleppte sich noch mal zurück in sein Zimmer, um seinen Rucksack zu holen und schlurfte dann zum Auto, wo er sich auf dem Beifahrersitz fallen ließ und einfach nur die Augen schloss. Fast sofort war er wieder eingeschlafen und bekam so nicht mal mehr mit, wie seine Mutter zu ihm ins Auto stieg und ihn Richtung Kinderheim fuhr. Erst als sie sanft an seiner Schulter rüttelte, wurde er wieder wach. Tatsächlich fühlte er sich trotz der halben Stunde deutlich besser als vorhin noch. Kurz gab er seine Mutter noch einen Kuss auf die Wange, bevor er ausstieg und auf den großen Gebäudekomplex zulief. Wie auch gestern schon, wurde er direkt warm begrüßt von Nina. Sie hatte deutlich mehr Power als er und wirkte allgemein auch fitter als er. Sie hatte wahrscheinlich auch wesentlich mehr geschlafen als er heute Nacht. Er sollte echt früher ins Bett gehen, wenn er so früh raus musste.

Orphan-StexpertWhere stories live. Discover now