Kapitel 9 -Spielerunde

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Bei Tim hatte dieser Gedanke tatsächlich etwas Fuß gefasst. Ein FSJ hier konnte er sich recht gut vorstellen. Er musste sich ja nicht wie die meisten direkt auf die Ausbildung oder auf das Studium stürzen. Seine Eltern sagten eh immer, er könne sich Zeit lassen und solle das suchen, was ihm Spaß machte und Zukunft hatte. Wenn es länger dauerte, war es eben so. Hauptsache er fand etwas, was er bis ins hohe Alter mit Freude machen konnte. Was das war, wusste er jetzt noch nicht. Er konnte sich sehr viel vorstellen, aber ob er das dann auch schaffte, war so ein Ding. Für vieles brauchte er einen verdammt guten Schnitt und den hatte er stand jetzt nicht und er glaubte auch nicht mehr die riesen Sprünge zu machen in den nächsten zwei Jahren. Da musste einiges passieren, damit er von zwei acht auf eins sechs kam. Ihm reichte ne schlechte zwei im Schnitt vollkommen aus. Vom lernen war er eh noch nie ein Freund gewesenen und gerade in den Fächern, wo man viel schreiben musste, waren seine Noten eher so lala. Dafür waren Mathe und Physik bei ihm herausstechend gut. In die Richtung wollte er später vielleicht gehen. Etwas mit IT konnte er sich ganz gut vorstellen. Naja erstmal war sein Abi dran und über den Rest konnte er sich wann anders Gedanken machen. Bis auf das kleine schluchzende etwas in seinen Armen hatte er zu keinem der anderen Kinder Zugang zu bekommen. Nina hatten sie definitiv schon öfter gesehen. Mit ihr sprachen sie zumindest in leisen, einzelnen Worten. Vor ganzen Sätzen scheuten sie einfach noch. Er konnte es verstehen. An ihrer Stelle würde er auch nicht reden wollen, wenn jegliche Bezugsperson fehlte und nur fremde um einen rum waren. Recht schnell wurden sie wieder von zwei weiteren Kollegen abgelöst, zu denen die kleinen schon mehr Draht hatte. Im rausgehen konnte Tim gerade noch sehen, wie das kleine Mädchen zu ihrer Kollegin lief und sie umarmte. „ Sie sind noch zu klein um Verlustangst zu verspüren. Wenn sie jemanden vertrauen Klammern sie. Deswegen sind auch immer unterschiedliche Leute bei ihnen. Damit sie nicht nur an einer Person Klammern, sondern sich auf mehrere Betreuer fokussieren. So haben sie es in Pflegefamilien einfacher.", erklärte Nina, während sie ihn mit in einem kleinen Personalraum nahm, von dem aus man direkt in die Küche kam. „ Wir haben ne viertel Stunde zum Essen. Ist n bissel knapp, aber jeder will um dir Uhrzeit frühstücken. Geht aber nicht. Mach dir einfach schnell was und dann gehen wir zu den mittleren. Die hätten teilweise heute einen Ausflug gemacht, aber sowas können wir uns nicht für alle leisten. Dann das müssten wir allen erlauben, wenn wir eh mal anfangen und das Budget haben wir einfach nicht und das tut auch leid. Deswegen beschäftigen wir uns besonders mit ihnen und bieten ihnen auch was." Manchmal hatte Tim sich schon gewünscht nicht mit auf Ausflüge zu gehen. Aber so gar nirgends mit hinzugeben war auch blöd, wenn alle anderen gingen. Tim bediente sich nicht an den Resten hier sondern aß erstmal das, was seine Mutter ihm heute morgen eigentlich als Frühstück gemacht hatte. Danach bediente er sich noch ein ganz klein wenig am Obstsalat. Mehr Pause blieb ihm nicht mehr, denn sie wurden regelrecht raus gezerrt von zwei Jungen, die der Meinung waren, sie sollten jetzt unbedingt mit ihnen spielen kommen. Ihn hatten sie gleich beschlagnahmt und zu den Brettspielen gezogen. Sie hatten in einer Vierergruppe schon mal Rumicup aufgebaut. Ein Spiel, welches er selbst nur zu gut kannte und sehr gerne spielte. Er hatte sich auf mehrerer Runden mit einer wechselnden Gruppe eingelassen. Geared mal zwei Runden hatte er gewonnen. Die restlichen hatte er alle samt gegen die jüngeren verloren. Sie spielten das sicher öfter, so kompliziert wie ihre Züge waren. Teilweise nahmen sie bis zu sechs Reihen auseinander und tauschten alles so, dass es ihnen passte. Tim konnte manchen Zügen nicht mal folgen, die meisten dieser Komplexen Züge hätte er selbst nie erkannt. Das hatten sie ihm voraus. Zwischenzeitlich hatte er sich mal kurz nach Nina umgesehen. Sie saß in der Ecke bei einer Gruppe Mädchen und zeichnete mit ihnen, während sie sich unterhielten. Die kleinen klebten an ihren Lippen, folgten jedem Wort der Geschichte, die sie erzählte. Sie hatte echt ein Talent dafür mit Kinder umzugehen. Die Gruppe um ihn wurde jedoch größer und größer. Ein paar jungen hatten ihn angestachelt Anekdoten aus seinem Leben zu erzählen, während sie ein erneut in ein Spiel verwickelt hatte. Und er erzählte und erzählte lustige Dinge aus seinem Leben und brachte die Kinder zum Lachen. Etwas was er in einem Waisenhaus niemals für möglich gehalten hatte. Doch lachen erfüllte den Raum und zog so auch nach und nach die restlichen Kinder an und sogar die Betreuer und Betreuerinnen. Alle beteiligten sich an den Gesprächen und spielten in der großen oder kleinen Runde die Spiele mit. Schließlich hatten sie zu einer Runde Uno mit zwei Decks gewechselt, damit jeder mitspielen konnte. Und das taten sie alle. In einer so großen Runde hatte Tim noch nie gespielt, aber es war umso lustiger. Im großen und ganzen war es ein einziges Chaos, doch das machte es nur noch besser. Die Runde ging schier ewig, bis der vorletzte seine Karten ablegte. Die letzte mit einer Handvoll Karten war die kleine Amalia, die zuletzt fast zweiundzwanzig Karten hatte ziehen müssen, weil es sich so summiert hatte. Sie wirkte ein wenig geknickte. Doch bevor er sie in dem Arm nehmen konnte, wurde sie schon von ein paar anderen Kindern in den Arm genommen und aufgemuntert. „ So Jungs und Mädels es gibt Mittagessen und zum Nachtisch Kuchen." Sofort wurde losgejubelt und alle sprangen auf, um sich zum Mittagessen zu begeben. Der Kuchen hatte es wohl rausgerissen. Das waren dann wohl die kleinen Highlights, die hier gute Stimmung rein brachten. Sowas war auch einfach ab und zu mal nötig für die Kinder hier. Vielleicht wurden hier ja auch Geburtstage gefeiert, auch wenn Tim es sich ziemlich schwer vorstellte. Zumindest eine Kleinigkeit und einen Muffin mit einer Kerze.

Orphan-StexpertWhere stories live. Discover now