Kapitel 11- Aufmunterung

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Tim öffnete trotzdem mal die Tür und wollte es auf dem Weg versuchen, selbst wenn der Junge es verweigerte. Vorfinden tat er unausgeräumte Kisten und Taschen und auf dem Bett ein zusammengekringeltes etwas, halb unter der Decke vergraben und weinend. „ Ich hab gesagt du sollst raus gehen.", schluchzte der Junge und vergrub sein Gesicht tiefer im Kissen. „ Ich weiß sehr wohl, was du gesagt hast. Allerdings denke ich, dass es besser ist, über seine Probleme zu sprechen, statt sie einfach in sich rein zu fressen. Ich will dir helfen, wenn du mich lässt. Vielleicht verrätst du mir erstmal, wie du heißt." Tim hatte keine Ahnung, ob er so irgendetwas erreichen würde, aber man konnte es versuchen. Wenn er Interesse zeigte und nicht locker ließ, sprach er vielleicht von sich aus weiter. „ Jana.", kam es fast schon geflüstert aus dem Kissen, bevor der Junge sich die Decke über den Kopf zog. Tim meinte erst ihn nicht richtig verstanden zu haben, auch wenn er sich sicher war, es richtig gehört zu haben. Bis ihm dann ein Gedanke kam, wie das ganze zusammenpassen würde. „ Sag mal kann es sein, dass du gar kein Junge bist?", fühlte Tim vorsichtig vor, wohl wissend auf welch dünnes Eis er sich begab. Wenn er falsch lag, sollte er wohl besser zusehen, dass er aus diesem Zimmer kam. Wenn nicht, dass sah er dann. „ Ach echt du Blitzmerker. Ich will kein Junge sein. Hast du ein Problem damit, so wie meine Eltern?" Okay gut zu wissen. Nur warum hatte Nina ihm das nicht gesagt. Wollte sie, dass er es selbst erfuhr, oder hatte sie Angst, das er homophob war. Aber dann hätte sie ihn gar nicht erst zu ihm gelassen. Oder wusste sie das gar nicht. Wie dem auch, er war abgeschweift. „ Nein ich hab kein Problem damit. Du bist so wie du bist gut. Lass dir nix anderes einreden. Und unter uns gesagt, ich bin selbst net straight. Ich respektierte alles, was in so eine Richtung geht. Man kann es sich nicht aussuchen, man wird so geboren." Jetzt hatte er endlich die Aufmerksamkeit von ihr. Grau blaue Augen, rot vom ganzen heulen sahen ihm entgegen. „ Ist doch alles gut. Es wird immer Menschen geben, die uns nicht respektieren, wie wir sind. Und wenn das die eigenen Eltern sind, ist es umso schmerzhafter. Aber es gibt auch genügend Leute, die dich so akzeptieren, wie du bist und auf die musst du dich konzentrieren." Was er sagte war einfacher gesagt, als getan. Durch sowas verlor man immer ein paar gute Freunde und bekannte. Bei ihm war es ja nicht anders gewesen. Einer seiner besten Freunde war damals nicht damit klar gekommen, dass er bi war. Seine jetzigen Freunde hatten ihn jedoch so akzeptiert, wie er war und dafür war er ihnen unendlich dankbar. Neunzig Prozent aus seinem Umfeld hatten es recht gut aufgenommen. Mit seiner Tante stand er allerdings noch ein bisschen auf Kriegsfuß. Sie verstand nicht ganz, wie man sich in Mädchen und Jungen verlieben konnte und versuchte ihn auch ständig zu beeinflussen, doch das ließ er nicht zu. „ Weißt du, das wichtigste ist, dass du dich wohl fühlst. Alles andere ist egal." Sowas musste man sich einfach immer wieder sagen. Und gerade hier sollte der Satz recht häufig Verwendung finden. „ Ich weiß du erwartest jetzt von mir, dass ich rede, aber das passiert nicht. Dazu bin ich noch nicht bereit. Versteh das bitte." Verständnisvoll nickte Tim. In der Wunde würde er erstmal nicht weiter rum stochern. Er hatte damals schließlich um das selbe bei seinen Freunden gebeten und auch erhalten. Was wäre er für ein Mensch, wenn er jetzt selbst nicht den Abstand gab, um den er gebeten wurde. „ Niemand hat gesagt, dass wir uns darüber unterhalten müssen. Ich weiß, mit nem Jungen über Mädchenkram zu reden ist blöd, aber ich kann genug Verständnis aufbringen." Verständnis ja, Ahnung nein. Zugegeben Mädchen waren für ihn erst im letzten Jahr interessant geworden. Davor hatte er nie viel mit welchen zu tun gehabt. Und auch wenn er bi war und Frauen durchaus ihre Reize und Vorteil hatten, war er doch eher zu den Jungs hingezogen. Grundsätzlich war es ihm egal was, Hauptsache es passte die Chemie. „ Du bist cool. Aber von Schminke und Klamotten hast du keine Ahnung. Du bist ja schon ein Dreiviertel Punk." Herzlichen Dank. Nur wegen der Jeans und den Piercings? Warum dachten das immer alle? Strahlte er das einfach aus, oder umgab ihn eine unsichtbare Aura? „ Hat nichts zu heißen. Ich trage gerne schwarz und Piercings sind einfach modern. Deswegen bin ich kein Punk." „ Klingt aber nach ner sehr zurechtgelegten Ausrede.", wurde er schwach angegrinst. Gut kochte sein, dass den Satz jeder zu hören bekam, der ihn so nannte, aber das musste er ja niemandem hier auf die Nase binden. „ Es ist einfach die Wahrheit. Ich bin denke ich mal ein recht normaler Teenager. Ein bisschen was ausprobieren, Drogen natürlich nicht, dass wir uns hier nicht falsch verstehen, ein paar Hobbys, mit Freunden abhängen und in der Freizeit zocken. Das ist einfach nur mein Stil, okay." Nicht ganz glaubhaft nickte Jana und ließ damit sein Outfit Outfit sein. Nicht das ihn eine weitere Diskussion dazu gestört hätte, es war nur ein bisschen ermüden immer wieder die selben Fragen zu bekommen und das exakt selbe zu antworten. Das konnte auf Dauer doch ziemlich eintönig und nervig werden. Und das machte dann auch wieder keinen Spaß mehr. „ Ich weiß du meist es gut, aber ich will meine Ruhe. Kannst du mir die bitte geben? Wäre ich dir sehr dankbar für. Gerade hab ich keine Lust mich sonderlich lange zu unterhalten." Was eine freundliche Zurückweisung. Nach dem Start hatte er das so definitiv nicht erwartet. Aber wenn sie Ruhe wollte, bitte. „ Klar kann ich machen. Aber nur wenn du mir etwas versprichst. Verkriech dich nicht wieder in deinem Bett. Es gibt so viel, wofür es sich zu leben lohnt. Zwar ist dein Bett schön und bequem und hält alle Sorgen von dir fern, aber das richtige Leben ist da draußen. Denk mal drüber nach." Damit verließ Tim das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

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