Kapitel 21- Schmerzen

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„ Na schön. Wenigstens den Nachtisch? Spätestens morgen werden die dich zwingen was zu essen. Sowas will ich dir allerdings nicht zumuten." Ein weiteres Klopfen brachte Tim um eine Antwort. „ Ich wollte nur mal kurz nach dir schauen kommen Stegi. Hast du mittlerweile einen Zugang zu Stegi bekommen?" Ein klein wenig. Immerhin hatte Stegi sich an ihn gekuschelt. So wirklich einen Zugang hatte er zu Stegi jedoch nicht bekommen. „ Wir arbeiten dran.", versicherte er dem Psychologen, der so eben ins Zimmer getreten war. Wenn jetzt ständig jemand sie überprüfen kommen würde, wurde es umso schwerer werden richtig Zugang zu Stegi zu bekommen. „ Eigentlich bin ich hier, um dir was zu essen zu bringen. Du hast gestern schon nichts gegessen und die Tage davor nur sehr wenig bis wieder nichts." Zwei Tage nichts zu sich zu nehmen war nicht unbedingt gefährlich, aber eben auch nicht ohne, wenn man davor schon wenig aß. Und Stegi war eher von der schlanken Sorte. „ Danke. Stellen sie es einfach erstmal hin. Ich versuch ihm davon was einzuflößen." Das Tablett wurde auf dem kleinen Nachttisch abgestellt und der Psychologe verschwand ohne ein weiteres Wort wieder. Besser so. Stegi brauchte eine klare Bezugsperson und das versuchte er für Stegi zu werden. Viele Leute würden es ihm nicht einfacher machen. Dann suchte er eher Abstand und machte dicht. „ Magst du den Pflaumenmus mit Vanilleeis wenigstens probieren. Der sieht ziemlich lecker aus. An deiner Stelle würde ich ihn probieren." Jetzt hatte er zumindest mal seine Aufmerksamkeit. Als er die kleine Schüssel vom Tablett hob und bei Stegi im Schoß platzierte, sah er sich die Schüssel zumindest mal an. Zögerlich nahm er den Löffel in die Hand und rührte einmal durch seinen Nachtisch. Ziemlich schnell ließ er den Löffel wieder sinken und schob die Schale wieder von sich. Mehrmals schüttelte er den Kopf, bevor er zu der Wasserflasche deutete. Tim griff danach, schraubte die Flasche auf und reichte sie dann an Stegi weiter. Zumindest trank er mal ein paar Schlücke. Sein Lebenswille war noch erkennbar. Wahrscheinlich hatte es ihm einfach den Appetit verdorben. Laut des Psychologen kam er Donnerstag hier an. Wenn seine Eltern beim Unfall direkt gestorben waren, war das ganze keine vier Tage her. Das es ihm da scheiße ging und er mitunter nicht essen wollte, war verständlich. Er nahm Stegi die Flasche nach dem trinken wieder ab und schraubte sie zu, um sie auf den Nachttisch zurück. Stegi nahm den Löffel wieder in die Hand und rührte weiter in dem Schälchen herum. Schon lange hatte sich das ganz in eine flüssige Masse mit Stückchen entwickelt. Stegi nahm jetzt wenigstens mal einen kleinen Löffel voll und führte ihn zu seinem Mund. Ein zweiter Löffel folgte dem, genauso wie ein dritter. Beim fünften ließ er den Löffel in der Schale liegen. Stegi krabbelte an den Bettrand, stieß dabei fast du Schale um, die Tim gerade noch so packen und zu sich ziehen konnte. Gerade als er fragen wollte, was denn los war, hörte er ein unappetitliches Geräusch. Stegi übergab sich auf den Boden. Schnell stellte er die Schale beiseite und setzte sich neben Stegi. Eine Hand stützend an seine Brust gelegt, die andere an seinen Rücken, um ihn zu beruhigen. „ Ist gut. Lass es raus. Das kann passieren." Er merkte, das Stegi ihm stark nach vorne sank, weshalb er seine Hand etwas höher schob, um Stegi einfach besseren halt zu geben. Jedoch kreischte Stegi unterdrückt auf und rutschte weg, wodurch er sich seiner Hand entzog, dann aber nach vorne kippte und mit dem Kopf voran aus dem Bett. Tim versuchte ihn abzufangen, doch es gelang ihm kaum, da Stegi von ihm weg gerutscht war. So konnte er nur zusehen, wie Stegi auf dem Boden aufkam. Sofort sprang er auf und kniete sich zu Stegi auf den Boden. Vorsichtig zog er seine Beine vom Bett runter und winkelte sie vorsichtig an, ohne Stegi zu viel zu bewegen. Erst dann wandte er sich an Stegi. „ Hast du dir arg weh getan? Wenn ja bleib liegen, ich hol Hilfe." Ängstlich klammerte Stegi eine Hand an seinen Arm und schluchzte wahrscheinlich vor Schmerz auf. Tim sah sich nicht anders zu helfen, als einfach zu schreien. „ Wir brauchen hier einen Arzt!", schrie er so laut er nur konnte. Knapp zehn Sekunden später, in denen Stegi da regungslos schluchzend vor ihm lag, wurde die Tür aufgestoßen. „ Atmet er noch?", wurde er einfach nur gefragt und nickte hastig. Per Kurzwahl bestellte sie dann einen Arzt her. Tim drückte einfach nur beruhigend Stegis Hand. Er hatte Angst Stegi zu bewegen und seine Schmerzen anzufachen, oder seine Verletzungen zu verschlimmern. „ Schhh ist nichts weiter. Es tut nur ein bisschen weh. Ein bisschen Schmerzmittel und Salbe und dann wird das schon wieder.", versuchte er Stegi weiter zu beruhigen. Er wusste nicht, wie viel Angst Stegi im Moment hatte, ob vor dem bevorstehenden Arztbesuch, oder der Situation allgemein, aber er würde an seiner Seite bleiben und ihn beruhigen. Stegi jammerte nur stumm und weinte vor Schmerz, ohne sich weiter zu bewegen. Wenn er sich wirklich gar nicht bewegen wollte, hatte er wohl doch stärkere Schmerzen. Zwei Minuten später wurde er von zwei weiteren Leuten umringt, die Stegis Wirbelsäule vorsichtig fixierten und ihn dann auf eine Trage hoben. „ Was ist passiert?" Wenn Tim das nur wüsste. Stegi hatte geschrien und war dann vorne über gekippt. „ Er hat sich übergeben. Ich wollte ihn ein bisschen stützen, weil er stark nach vorne geschwankt war. Er hat plötzlich geschrien, als ob er Schmerzen hat und ist dann mit dem Kopf voran vom Bett gekippt.", schilderte Tim so gut es ging. Von Medizin hatte er absolut keine Ahnung außer den Basics. „ Reicht schon. Begleite ihn bitte. Er kann jemanden gut gebrauchen, der ihm nicht vollkommen fremd ist." Tim wäre so oder so mit, egal was die gesagt hätten. Es sei denn Stegi selbst hätte etwas dagegen einzuwenden gehabt. So ging er mit Stegi. Den Krankenflügel hatte er ja schon kennenlernen dürfen, auch wenn er drauf verzichtet hätte, mit zwei Kindern hier zu sein. Ihm gefiel es jedoch nicht, was mit Stegi passieren sollten denn keine drei Minuten Untersuchung später stand fest, dass sie ihn sicherheitshalber ins Krankenhaus fahren würden.

Orphan-StexpertWhere stories live. Discover now