Kapitel 14- Kompliziert

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„ Du musst Tim sein, nicht?" Er zuckte tierisch zusammen, als er plötzlich eine Stimme hinter sich hörte. Vor Schreck hatte er sich ans Herz gegriffen und drehte sich jetzt ruckartig um. Wo zur Hölle kam der den her und wieso hatte er ihn nicht kommen gehört. „ Tschuldige. Ich wollte dich nicht erschrecken." Hatte er aber und zwar zu Tode. Gefühlt hatte er n halben Herzinfarkt erlitten. Sein Herz schlug ihm immer noch auf hundertachtzig. „ Ist ne blöde Angewohnheit als Psychologe. Aber mein Job ist es zu beobachten. Komm hoch. Ablösung ist schon auf dem Weg. Du kommst heute und morgen mit mir mit." Tim bekam Knall rote Wangen, als ihm bewusst wurde, dass er beobachtet worden war, wie er sich komplett zum Affen machte. Oh großer Gott war das peinlich. „ Schäm dich nicht. Ich erzähl's nicht weiter. Es ist natürlich sich bei kleinen Kindern so zu verhalten. Da hab ich schon peinlicheres gesehen. Morgen Luisa." Tim beeilte sich aufzustehen und dem Psychologen zu folgen. Der anderen Kollegin nickte er nur zu. „ Übrigens du kannst mich Adrian nennen. Es ist richtig, dass du in meine Arbeit auch einen Einblick haben wolltest?" Immer noch zutiefst peinlich berührt nickte er. Das würde er nie mehr aus dem Kopf bekommen. Am liebsten wollte er im Boden versinken. „ Ist es dir wirklich so peinlich, was du gemacht hast? Dafür musst du dich doch wirklich nicht schämen. Die Kollegen machen sich vor den kleinen regelmäßig zum Affen. Bleib da ein bisschen lockerer. Es ist nichts schlimmes. In ein paar Tagen hab ich das schon wieder komplett vergessen." Na hoffentlich. Sonst würde er hier kein FSJ machen. Zumindest nicht im psychologischen Bereich. „ Du scheinst nicht viel Selbstbewusstsein zu haben. Merk dir bitte, dass es wirklich nicht schlimm ist. Kommen wir mal zum heutigen Plan. Ich bin hier behandelnder Psychologe. Heißt, ich kümmere mich um die Kinder, die zumeist traumatisiert  sind. Wir haben aber alles mögliche hier drin. Depressionen, Essstörungen, Angststörungen und so weiter, um mal ein paar Beispiele zu nennen. Daher bin ich wie du dir sicher denken kannst nicht der einzige Psychologe hier. Jeder hat so seine Kinder, die er nach festen Mustern betreut. Vorausgesetzt die kleinen lassen uns nicht stehen. Passiert pro Woche mindestens ein Mal. Ich hab die leichten Fälle. Für den Anfang wollten wir dir einfach nicht zu viel zumuten. Wenn du dennoch ne andere Abteilung sehen willst, hast du morgen die Gelegenheit." Sowas hatte er sich schon gedacht. Als Praktikant konnten sie ihn nicht direkt zu dem ganz schweren Fällen lassen. Wahrscheinlich konnte er da eh nicht viel machen und würde wenig helfen, wenn er den Mund aufmachte. Vielleicht wurde es durch Fremde auch noch schlimmer. So genau hatte er sich mit Psychologie noch nicht beschäftigt. Spannend war es trotzdem und es gehörte zu den Aufgaben hier dazu und er hatte alles sehen wollen. Also auch die Arbeit der Psychologen. Hier würde er wahrscheinlich sogar noch am meisten für sein eigenes Leben lernen. Konnte ja auch nicht schaden. „ Ich schau mal. Aber danke, dass sie sich die Mühe machen.", erwiderte Tim und meinte es auch so. Mit der Antwort hatte er allerdings nicht gerechnet. „ Waren wir nicht schon beim du?" Offiziell nicht. Außerdem war er es gewöhnt ältere Personen, die ihm was zu sagen hatten zu siezen. Sei es einen Chef, die Lehrer, nicht so nahe Verwandte, Fremde eigentlich jeden den er nicht näher kannte. Das war einfach noch bei ihm abgespeichert. „ Tschuldigung Gewohnheit.", nuschelte Tim. „ Entschuldige dich doch dafür nicht. Ist mir damals auch dauernd passiert. Du gewöhnst sich dran. Mit dem erwachsen werden kommt das dann automatisch. Die nächsten paar Minuten werden für sich wahrscheinlich sehr langweilig. Ich bitte dich zuzuschauen und zu beobachten. Versuch das Verhalten mal ein bisschen zu analysieren. Bei dem Jungen ist es mir n bisschen zu heikel, wenn du dich einmischst. Ich zeig dir, worauf du achten musst." Mit dem Worten waren sie vor einer der Türen gestoppt. Tim hatte null Ahnung mehr, wo er war in diesem Gebäude. Er hatte nicht auf den Weg geachtet und meinte hier auch noch nie gewesen zu sein. Nach einem höflichen klopfen öffnete er die Tür und trat ein. Das Zimmer war ein stink normales Zimmer von einem der Kinder hier. Die selbe Grundausstattung wie in den Zimmern zuvor. Dieses hier war jedoch schön gestaltet. Auf dem Bett lag ein kleiner Junge, circa in seinem Alter mit Kopfhörern auf den Ohren. Er schien zu schlafen, oder zumindest tief in Gedanken zu sein, denn er hörte sie nicht kommen. Sanft stupste der Psychologe den Jungen an, der sich daraufhin zu ihnen drehte und den Psychologen böse anfunkelte. „ Wann geht das endlich in deinen Kopf rein. Mir geht es gut und ich will keine Behandlung. Raus aus meinem Zimmer und zwar sofort. Sonst fliegt irgendwas." Aus Reflex war Tim einen Schritt zurück gegangen. Er fürchtete sich nicht, aber das war kein normales abweisendes Verhalten mehr. Zumal der Junge ziemlich schrie. „ Bitte. Können wir das nicht in einer leiseren Lautstärke klären? Du sinkst gerade wieder in ein ziemliches Tief. Ich will dir nur helfen, dass es dir nicht ganz so schlecht geht.", versuchte der Psychologe es in angenehmer, ruhiger Art. „ Ich brauch keine Hilfe!", schrie der andere und warf sein Kissen in ihre Richtung. Tim konnte es gerade so fangen, bevor es ihn getroffen hätte. „ Hörst du bitte auf Sachen nach unseren Praktikanten oder mir zu werfen? Wenn du einen mal wirklich verletzen solltest, gibt das wieder Ärger. Du bist so ein gescheiter Junge." Tim ging bereits in Abwehrhaltung für den eventuell nächsten Gegenstand in seine Richtung. So wie er das gerade einschätzte, war der Junge wütend und wollte wirklich seine Ruhe. Er sah ja nicht mal zu ihnen, was wohl ein Zeichen dafür war, dass er wirklich keine Lust hatte zu reden. „ Jetzt verpiss dich endlich und nimm den da gleich mit.", schrie der Junge. Tim meinte unter der Wut Verzweiflung und Erschöpfung zu hören. Aber er konnte auch komplett daneben liegen. Er hatte es nicht so mit Analyse vom Verhalten anderer. Gerade bei Mädchen. Die waren da so kompliziert.

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