Kapitel 32- Versprechen

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Als er wenig später Stegis Zimmer betrat, war es zum ersten Mal leer. Auf dem Schreibtisch lag lediglich eine Notiz, dass er gerade draußen war. Tim stellte seine Tasche rein und ging dann wieder zurück, um Stegi draußen zu suchen. Bei dem schönen Wetter konnte er das gut verstehen, dass Stegi lieber draußen war, als in diesem Zimmer. Auf dem Spielplatz war wie zu erwarten auch einiges los. Auf die Schnelle fand er jedoch keinen blonden Schopf in Stegis Größe. Hinter dem Haus wurde er dann fündig. Stegi hockte mit einem Psychologen an einem der Picknicktische. Zwischen ihnen ein so sah es zumindest aus Protokoll oder Stegis antworten. Als er jedoch näher trat, sah er das es ein unheimlich schönes Bild war, welches Stegi gerade zeichnete. Eine fast fotorealistische Abbildung einer Katze. Sofort beneidete er Stegi um sein Talent. Wie gerne er das auch können würde. „ Na Stegi." Augenblicklich schnellte sein Blick hoch und er sprang schon fast auf, um ihn in den Arm zu nehmen. Behutsam schloss er Stegi in eine Umarmung. Einen kurzen Moment hielt er Stegi einfach, bevor er sich langsam löste, eine Hand weiterhin Steigs haltend. Auch wenn Stegi es nicht zeigte durch ein Lächeln, oder Freude in den Augen, so war er doch froh ihn hier zu haben. Er gab eine knappe Begrüßung in Richtung des Psychologen, welche freundlich erwidert wurde. „ Komm setz dich. Ich dachte bei so einem schönen Wetter muss man eine Sitzung nicht drinnen halten. War zwar ein bisschen Wiederwillig, aber ich denke Stegi scheint es jetzt doch zu genießen." Sofern man ein Gespräch mit einem Psychologen genießen konnte. Tim setzte sich neben Stegi, wurde aber still, um das angefangene Gespräch nicht weiter zu stören. Allerdings antwortete Stegi auf keine der Fragen, sondern starrte nur auf den Tisch. Das Blatt, auf welches er seine Antworten schreiben sollte blieb weiterhin unberührt. Auch nach mehrmaliger Wiederholung machte Stegi keine Anstalten eine Antwort zu geben. Schließlich hörte er den Psychologen seufzen. „ So geht das immer. Stegi ist keiner derer, die dir viele Antworten geben. Meist ist er so wie jetzt in Gedanken versunken oder aber gibt nur ganz knappe, unspezifische Antworten. So wirklich weiter sind wir mit seinen Schlafproblemen noch nicht und das er nicht spricht, macht es nicht leichter für uns." Besser sagte er jetzt nicht, dass Stegi fast mal mit ihm gesprochen hatte. Aber wann immer er da war und mit Stegi geredet hatte, waren seine Antworten knapp ausgefallen. Wahrscheinlich auch bedingt durch eben den Fakt, dass er nicht sprach und so jedes zusätzliche unnötige Wort umständlich war. Vielleicht konnte er es probieren. „ Stegi du weißt, dass die Leute hier dir helfen wollen, deine Probleme in den Griff zu bekommen. Sie können die Bilder verschwinden lassen. Dazu musst du denen aber sagen, was du siehst, damit sie dir helfen können." Sonderlich kooperativ zeigte Stegi sich nicht, er schien sich beinahe davor zu sträuben mit ihm zu reden. Wahrscheinlich auch davor seine Bilder im Kopf wieder aufleben zu lassen. Letzten Endes griff Stegi nach dem Stift, zog das Papier zu sich und kritzelte ein paar flüchtige Sätze auf das leere Papier.
Ich träume von dem Unfall. Jedes kleine Detail von den Worten ich liebe dich, bis der Wagen von der Straße entgleist ist. Ich sehe wie das Glas vor meinen Augen zersplittert und die verletzten, blutigen Körper meiner Eltern. Die leeren Augen meiner Mutter, während ich eine Ewigkeit vergebens um Hilfe geschrien hab. Mein Körper taub von Schmerz, ich unfähig mich zu bewegen.
Stegi ließ den Stift los und vergrub das Gesicht in den Händen. Leise hörte er Stegi schluchzen und nahm ihn sofort in den Arm. Sowas musste einfach nur grauenhaft sein. Egal in welchem alter. Er wäre nicht minder verstört, wenn ihm das passiert wäre und er hätte auch wahnsinnige Angst sich anderen gegenüber zu öffnen, um nicht Gefahr zu laufen wieder jemanden zu verlieren. „ Ich kann mir nicht mal ansatzweise vorstellen, wie schlimm das für dich sein muss, aber ich kann dir versprechen, dass deine Eltern dich wirklich geliebt haben. Sie wollten dich nicht alleine hier lassen. Aber ich verspreche dir, dass du immer noch geliebt wirst. Und diese Bilder werden auch irgendwann verblassen." Zart hob er Stegis Kopf an, um ihm in die Augen sehen zu können. „ Hey du bist nicht alleine kleiner. Ich bin für doch da und ich schwöre dir, ich lass dich nicht mehr alleine." Und genau diese Versprechung machte Tim wahr. Über den ganzen Sommer hinweg war er bei Stegi, wann immer er nur konnte. Abgesehen von der einen Woche beim Basketballcamp. Langsam taute Stegi bei ihm auf und auch sonst wurde er kooperativer, wenn Psychologen mit ihm reden wollten. Tim wär hauptsächlich bei Stegi, kümmerte sich jedoch auch um die anderen. Meist ging er bevor er bei Stegi rein schaute ein paar Minuten zu Vivi. Die kleine hatte ihn schon in ihr Herz geschlossen. Wann immer er da war, quietschte sie freudig und lächelte breit. Tim nahm sich seine Zeit mit ihr zu spielen und herum zu albern. Langsam wurde er selbst auch lockerer, wenn es darum ging sich vor ihr lächerlich zu machen und herum zu albern. Bei Stegi machte er gerade in den Ferien oft noch ein kleines bisschen was für die Schule, während Stegi zeichnete. Schweigen tat er allerdings immer noch. Bis zu dem einen Morgen. Tim hatte für sie Frühstück in der Küche geklaut und ein kleines Picknick zusammengestellt. Das er dafür ziemlich früh raus musste, war ihm egal. Stegi hatte er dann noch im Morgengrauen geweckt und ihn gebeten sich anzuziehen. Natürlich war Stegi seiner Bitte gefolgt. Er hatte Stegi dann raus geführt und ihm auf das Dach des kleinen Schuppens geholfen. Dort kletterten immer wieder Kinder rum und es war dementsprechend auch gesichert. Stegi war ein bisschen unsicher im halbdunkeln, daher nahm er seine Hand und half ihm sich weiter auf dem Dach bis zu ihrem Picknick vor zu bewegen. Stegi lächelte glücklich, als er das ganze sah. Zumindest war es das, was er erkennen konnte im halbdunkeln. Gerade ging auch perfekt die Sonne auf und tauchte den Himmel in bunte Farben. Besser ging es vom Timing nicht mehr. Es war fast schon perfekt.

Orphan-StexpertWhere stories live. Discover now