Kapitel 110

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Taehyung wollte nicht, dass sein treues Gefährt im asozialen Viertel steht, wodurch wir den restlichen Weg zu Fuß zurücklegen mussten. Die ganze Zeit über hält er meine Hand fest in seiner und wagt es nicht seinen Griff zu lockern. Als hätte er Angst, mich ein weiteres Mal zu verlieren. Vielleicht sucht er auch nur nach Halt, da er mehrmals schon gegen mich geknallt ist und ziemlich langsam läuft. Scheinbar machen es ihm seine Verletzungen etwas schwer und nach dem Zwischenfall mit diesen dummen Polizisten wäre er beinahe auf dem Beifahrersitz eingeschlafen.

Wenn Areum nicht einfach abgehauen wäre, dann hätte ich ihn zu sich nach Hause fahren können und müsste ihn nicht noch mehr quälen. Nein, wegen Vater ist sie abgehauen, weil er sich gegenüber Frauen einfach nicht benehmen kann. Wie ich ihn hasse... Dieses Fünkchen an Mitleid, das ich für ihn übrig hatte, zerquetschte er mit seinen Fingern. Er ist auch so erbärmlich und schwach. Wie kann er bloß mit dieser Hure unterwegs sein, die seinen Sohn um die Ecke gebracht hat? Ich habe keine Worte mehr für diesen Mann. Er ist so lächerlich.

Im Moment kann ich bloß hoffen, dass Areum das Taxi irgendwo stehen lassen hat, damit der Typ sie nicht erwischt. Ich brauche die hübsche Dame noch für Younghyun. Nichts läuft wie ich es mir erhoffe und das treibt mich zur Weißglut.

Plötzlich klammert sich Taehyung an meinen Arm und lehnt seinen Kopf gegen meine Schulter. Ich sehe ihn an und die Wut in mir legt sich ein wenig. Es ist eine unbeschreibliche Genugtuung, dass ich mein Ziel erreicht habe, ihn von mir abhängig zu machen. Am Anfang konnte ich mir es überhaupt nicht vorstellen, dass er irgendwann derjenige ist, der mir nach rennt und alles dafür tun würde, bei mir sein zu können. Ein kleines Schmunzeln umspielt meine Lippen und meine Laune bessert sich deutlich.

"Wohin laufen wir eigentlich?", fragt mich Taehyung müde und hebt seinen Kopf an, um mir in die Augen zu sehen.

Seine linke Gesichtshälfte ist sehr angeschwollen und er bekommt sein linkes Auge nicht mehr richtig auf. Ich lächle ihn breit an und streichle seine Wange behutsam, bevor ich seine Stirn küsse. Dadurch schließt er seine Augen und verstärkt den Griff um meinen Arm.

"Wir gehen erstmal in Areums Wohnung. Vielleicht ist sie dort", antworte ich ihm schließlich.

"Müssen wir noch lange laufen?", möchte er gequält wissen.

Leicht schüttle ich den Kopf, weil ich das Mehrfamilienhaus in diesen widerlichen Gassen schon von weitem erkenne. Auf der anderen Seite der Straße sitzen ein paar Leute mit Alkoholflaschen auf dem Boden, die sich gegenseitig beleidigen. Manche starren uns durch ihre glasigen Augen an, was an mir liegen könnte, weil ich mich schon bekannt gemacht habe. Taehyung bekommt davon nichts mit und läuft still neben mir her.

Nach wenigen Minuten kommen wir auch endlich an und ich stoße die Eingangstür auf, da sie nie abgeschlossen ist. Der ekelhafte Gestank schlägt uns direkt ins Gesicht, sodass Taehyung sich sofort die Nase zuhält und mich fragt, was das für ein abartiges Gebäude sei. Ich hielt mir selbst die Nase zu und zog ihn eilig die Treppen hoch, bis wir bei Areums Stockwerk ankommen. Ich öffne die Wohnungstür und schubse Taehyung förmlich in den Flur, um die Tür hinter uns zu zu knallen. Areums Schlüssel hängt am Türschloss, darum müsste sie eigentlich hier sein.

Schnell laufe ich an Taehyung vorbei und reiße die Tür zum Babyzimmer auf, um sie schließlich zusammengekauert im Bettchen liegen zu sehen. Scheinbar scheint sie schon zu schlafen, weil ihre Silhouette sich leicht hebt und senkt. Langsam gehe ich auf sie zu und knie mich neben sie, um ihr sanft durch die etwas feuchten Haare zu fahren. Durch das Licht im Flur kann ich ihr Gesicht besser erkennen und bemerke ihre feuchten Wimpern. Wahrscheinlich hat sie sich nach den ganzen Geschehnissen in den Schlaf geweint. Tief atme ich ein und stehe dann wieder auf. Ich verlasse das Zimmer und schließe die Tür hinter mir. Danach gehe ich ins Wohnzimmer, in dem Taehyung schon auf der Couch sitzt und die Wand anstarrt.

Ächzend lasse ich mich neben ihn nieder und lege meinen Arm um seine Schultern. Er rückt automatisch näher und dreht seinen Kopf in meine Richtung. Was sollen wir jetzt tun? Schweigend mustern wir uns, bis mir einfällt, dass sich noch Alkohol im Kühlschrank befindet. Das würde mich davon ablenken, dass ich ihn hier und jetzt wie ein verdammter Hund besteigen wollte. Seit unserem Kuss im Duschraum schwirrt mir die ganze Zeit diese Vorstellung im Kopf herum, was gewesen wäre, wenn wir nicht unterbrochen worden wären.

"Es gibt Alkohol im Kühlschrank. Möchtest du was?", frage ich ihn und stehe wieder von der Couch auf, um meine Unruhe im Schach zu halten.

"Ja, mir ist alles recht", nickt er und lächelt mich sanft an.

Mein Herz macht einen Sprung vor Freude, jedoch eile ich in die Küche und hole gefühlt jede Flasche aus dem Kühlschrank, die ich in die Finger bekomme. Danach gehe ich wieder ins Wohnzimmer und lege alle Flaschen auf dem Tisch ab. Taehyung blinzelt mehrmals und fängt leise an zu lachen.

"Es hätte auch gereicht, wenn du eine Flasche für uns beide genommen hättest. Aber mal sehen, was wir hier haben... Uh, Soju", sagt er lachend und beugt sich nach vorne, um die grüne Flasche zu nehmen.

Ich setze mich wieder neben ihn und schaue dabei zu, wie er die Flasche aufdreht und erst daran schnuppert, bevor er mehrere Schlücke davon nimmt. Er reicht mir dann die Flasche, die ich gerne entgegennehme. Ich trinke ebenfalls ein paar Schlücke und genieße die kühle Flüssigkeit, die meine Speiseröhre runter fließt. Taehyung lehnt sich an mich und schmiegt seine Wange gegen meine Schulter, während er beide Arme um meinen linken Arm schlingt. Entspannt atme ich auf und lege meinen Kopf auf seinem ab. Konnte es nicht immer so schön zwischen uns sein? Wieso musste diese ganze Scheiße passieren? Wenn meine Mutter nicht aufgetaucht wäre, dann wäre nichts zwischen uns geschehen. Rein gar nichts. Ich hätte in diesem Moment bei ihm im Bett liegen und alles hinter mir lassen können.

Genervt setze ich die Flasche wieder an und leerte sie komplett. Durch die Mangelernährung schießt mir der Alkohol direkt in den Kopf und es fühlt sich langsam etwas benebelt an. Taehyung beobachtet mich von der Seite, aber bringt kein einziges Wort heraus. Ich bin so verrückt nach ihm. Er hat das schlimmste von mir gesehen und gespürt, aber trotzdem schaut er mich durch seine hübschen Augen so an, als wäre ich der schönste Diamant, den er gesehen hat. Ich komme seinem Gesicht mit meinem etwas näher und hauche einen federleichten Kuss auf seine weichen Lippen. Tief sehen wir uns in die Augen und ich erkenne, wie seine Pupillen seine dunkelbraune Iris beinahe verschwinden lassen. Taehyung greift nach meinen T-Shirt Kragen und verringert unseren Abstand, indem er mich näher an sich zieht und unsere Lippen verbindet. Ich schließe sofort die Augen und erwidere den Kuss mit dem selben Verlangen. Blut schießt direkt zu meiner Körpermitte und ich packe ihn mit beiden Händen an den Seiten, um ihn auf meinen Schoß zu ziehen. Taehyungs Hände fahren durch meine Haare und ziehen leicht an diesen, was meine Lust noch mehr verstärkt. Meine eigenen Hände spielen mit seinem hübschen Gesäß und entlocken ihm süße Töne, da ich in diesen kneife.

Wenige Sekunden später unterbricht er den Kuss und zieht mir ohne Vorwarnung das T-Shirt über den Kopf. Daraufhin zieht er sein eigenes aus und schmeißt beide Oberteile hinter sich zu Boden, bevor er meine Lippen wieder beschlagnahmt und mit seinen Fingerspitzen über meine erhitzte Haut streicht. Mein Herz rast in meiner Brust und mir ist alles im Moment total egal. Es ist mir egal, ob Areum jeder Zeit aufwachen kann und uns dabei erwischt. Ich will Taehyung ganz für mich allein und ich weiß, dass er es auch will.

Revenge | TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt