Kapitel 115

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Taehyungs Sicht:

Die Schmerztabletten habe ich schnell gefunden, da sich in der Schublade seines Nachttischs viele verschiedene Schmerzmittel befinden. Er hat sogar mehrere Flaschen Morphin. Manche sind komplett leer. Was haben sie ihm alles gegeben, um ihn ruhig zu stellen? Ich setze mich auf sein Bett und schaue mich in seinem Zimmer um. Es gibt keine persönlichen Sachen von ihm. Er hat das Zimmer nicht mal dekoriert. Nur ein Bett und gegenüber davon steht der große weiße Kleiderschrank. Jungkook hat all seine Klamotten aus dem Schrank geschmissen und wühlt im Moment in einer Kiste herum.

Still streife ich über die graue Bettwäsche und stoppe in meinen Bewegungen, als ich eine Pistole in seiner Hand sehe. Er streicht über diese und flüstert sich selbst irgendetwas zu, was ich nicht höre. Einerseits habe ich eine riesige Angst vor ihm, aber andererseits suche ich seine Nähe. Auch wenn die Schmerzen unerträglich sind, kann ich ihn nicht hassen. Langsam fasse ich an meinen Hals und fahre über seinen Namen auf meiner Haut. Dafür bin ich zu besessen von ihm geworden. Ich brauche ihn an meiner Seite, sonst bringt mich diese Einsamkeit noch um.

"Hast du die Schmerzmittel gefunden?", fragt er mich plötzlich und reißt mich aus meinen Gedanken.

Mehrmals blinzle ich und sehe ihn an. Der boshafte Gesichtsausdruck von eben ist komplett verschwunden und hat Platz für diese liebenswerten großen Augen gemacht. Ich nicke leicht und halte die volle Packung nach oben. Am liebsten würde ich ihn fragen, was es mit dem Morphin auf sich hat. Jungkook steht auf und steigt über den Klamottenberg, um sich dann zu mir aufs Bett zu setzen. Er wirft einen kurzen Blick in die Schublade, die ich offengelassen habe. Seine Gesichtszüge verhärten sich erst, aber er beugt sich dann über meinen Schoß, um ein Fläschchen Morphin aus der Schublade zu holen.

"Das könnte ich benötigen", sagt er und dreht das Glasfläschchen in seiner Hand.

"Wofür?", frage ich nach und betrachte sein hübsches Gesicht.

Direkt liegen seine wunderschönen Augen auf mir, die mein Herz höherschlagen lassen. Seine Mundwinkel heben sich etwas und er kommt mir etwas näher, um meine Wange zu küssen. Meine Augen flattern zu und ich werde sofort unter seinen Berührungen schwach, da er mit seiner Hand unter mein Oberteil wandert und über meinen Hosenbund streichelt. Er verbindet unsere Lippen miteinander, was ich liebend gerne zulasse. Als er sich nach ein paar Sekunden entzieht, muss ich mir verkneifen nicht allzu enttäuscht zu wirken.

"Mit manchen Leuten habe ich noch eine Rechnung offen, damit bekomme ich sie etwas gefügiger. Wir können auch gleich wieder gehen. Ich packe noch schnell ein paar Fläschchen in die Kiste und nehme meine Bankkarten mit", erklärt er mir und erhebt sich ruckartig.

"Was ist mit deinen Klamotten?", gebe ich verwirrt von mir.

"Die sind mir zu klein", zuckt er mit den Schultern, während er die ganze Schublade ausräumt und zur schwarzen Kiste läuft, um die ganzen Medikamente reinzulegen.

Wieso hat er eigentlich so viele Medikamente in seiner Schublade? Musste er alle nehmen? Aber in den letzten paar Stunden verhielt er sich relativ normal. Als Jimin ihn gegen die Wand geschleudert hat, musste er nicht mal lachen. Welcher Arzt würde einem jungen Mann Morphin verschreiben? Ein kalter Schauer durchfährt mich und ich starre Jungkooks breiten Rücken mit aufgerissenen Augen an. Wollten sie ihm etwa einreden, dass er krank ist, um ihn in Schach halten zu können?

"Warst du jemals bei einem anderen Arzt?", möchte ich von ihm wissen und stehe vom Bett auf.

"Nein, wieso fragst du?", antwortet er und sieht mich irritiert an.

"Darf ich etwas ausprobieren? Du darfst aber nicht sauer werden", bringe ich zögerlich über die Lippen und nähere mich ihm.

"Okay?", nickt er und stellt sich gerade hin.

Nervös spiele ich mit meinen Fingern, bevor ich mit meiner linken Hand aushole und ihm eine heftige Ohrfeige gebe. Sein Gesicht schellt nach rechts und er reagiert erstmal nicht, was mich hart schlucken lässt. Er legt seine Hand auf seine rote Wange und dreht seinen Kopf langsam zurück. Wenn Blicke töten könnten, dann wäre ich genau jetzt tot umgefallen. Aber ich hatte Recht. Jungkook lacht, noch weint er.

"Willst du mich verarschen? Das hat weh getan!", knurrt er mich an.

"Das müssen wir beobachten. Du lachst nicht mehr unkontrolliert", sage ich ihm und nehme sein Gesicht zwischen meine Hände.

"Oh, stimmt", flüstert er leise und beruhigt sich ein wenig.

Leicht lächle ich ihn an und umarme ihn fest, damit er schnell vergisst, dass ich ihm eine Ohrfeige verpasst habe. Er legt seine Hände auf mein Kreuz und drückt mich fest an sich, während er sein Gesicht in meiner Schulter vergräbt. Seine Haare kitzeln meinen Hals, weswegen ich lachen muss. Er schnauft belustigt und verteilt mehrere Küsse auf meiner freiliegenden Haut. Mir vergeht das Lachen und ich spanne meinen Körper an, als er beginnt zu saugen und mich nach hinten zum Bett drängt. Ich verkneife es mir zu stöhnen und schiebe ihn von mir weg, weil seine Brüder immer noch da unten rumlungern und uns eigentlich aus dem Haus haben wollen.

"Hör bitte auf. Lass uns lieber gehen, bevor es zwischen dir und Jimin erneut eskaliert", bitte ich ihn und fühle mich tatsächlich etwas unwohl.

"Na gut. Gib mir einen Moment", entgegnet er und lässt von mir ab.

Erleichtert atme ich auf und schaue dabei zu, wie er unter das Bett kriecht und eine blaue Kiste herausholt. Diese ist deutlich kleiner als die schwarze Kiste. Er öffnet auch diese und nickt zufrieden, nachdem er die ganzen Geldbündel, Bankkarten und Autoschlüssel sieht. Danach schließt er sie wieder und drückt sie mir in die Hand. Ich presse sie sofort an mich, weil ich nun mehrere tausend Euro in meinen Händen halte. Er steht auf und läuft dann zur schwarzen Kiste, um diese hochzuheben.

"Komm, Tae", fordert er mich auf, während er zur Tür läuft.

Brav folge ich ihm in den Flur und die Treppen nach unten. An der Haustür steht Seokjin, der seinen Bruder unter Tränen mustert. Scheinbar hat er auf uns gewartet, um sich zu verabschieden. Jungkook stellt sich vor ihn und sieht ihn unbeeindruckt an. Mein Herz wird deutlich schwerer, als Seokjin zitternd einatmet und sich vor seinen kleinen Bruder aufrichtet.

"Morgen ist die Beerdigung. Ich würde mich freuen, wenn du dabei wärst", teilt er ihm mit.

"Um wie viel Uhr?", nickt Jungkook und sieht seinen Bruder etwas weicher an.

"Um zehn Uhr. Pass auf dich auf, okay? Was auch immer geschieht... Ich habe dich lieb", antwortet Seokjin auf seine Frage und kommt ihm etwas näher, um einen Kuss auf Jungkooks Stirn zu hinterlassen.

"Okay, Hyung", murmelt Jungkook und lässt sich von ihm umarmen.

Seokjin lässt ihn nach gewisser Zeit wieder los und küsst nochmal seine Wange, bevor er sich von ihm verabschiedet. Er läuft an mir vorbei und klopft mir auf die Schulter, was ich mit einem Nicken abtue. Jungkook bleibt für einen Moment stillstehen, bevor er den Kopf schüttelt und die Tür öffnet. Ich glaube, dass Seokjin mehr als nur ein Bruder für ihn ist. Die Beiden haben beinahe eine Vater-Sohn-Beziehung. Seokjin hat sich immer um ihn gekümmert und ihm Liebe geschenkt. Wenn ich ihm jetzt irgendwas sagen würde, fange ich mir nochmal eine Faust ein. Darum schweige ich lieber.

Wir verlassen das Haus und legen die Kisten in den Kofferraum. Schließlich steigen wir wieder ins Auto und bleiben erstmal schweigend sitzen. Wie auf Knopfdruck fließen Tränen über Jungkooks Wangen, aber er wischt sich diese direkt weg und startet den Motor. Offensichtlich möchte er nicht getröstet werden oder darüber sprechen.

Revenge | TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt