Kapitel 69

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Mit den Nerven am Ende sitze ich nun frisch geduscht und in sauberer Kleidung in meinem Auto, während ich meine Stirn an das Lenkrad gelehnt habe. Ich bin so müde und gleichzeitig froh, dass ich in der Lagerhalle noch duschen und mich umziehen konnte. Wieso ist mein Leben manchmal so anstrengend? Eigentlich ist es gar nicht so anstrengend, aber mir geht alles so auf den Sack. Vorallem hat es Vater in den letzten Stunden echt auf die Spitze getrieben. Was wollte er vorhin eigentlich erreichen? Dass ich ihn wie einen Hund tröste, weil er meine Mutter gehen lassen hat? Ich hätte ihm am liebsten ins Gesicht getreten, als er sich zum Heulen gezwungen hat. 

Naja, das ist Nebensache. Vielmehr sollte ich mir Gedanken darüber machen, wo ich jetzt hin gehen soll. Zu Jane möchte ich nicht. Zu meinen Brüdern kann ich nicht und will ich auch überhaupt nicht und Taehyung wird mir an die Kehle gehen, wenn er Vater und mich zusammen gesehen hat und ich bin zu müde, um einen aggressiven Taehyung zu ertragen. Jedoch muss ich auf jeden Fall in einigen Stunden bei ihm auftauchen, da er meine Tabletten hat und auf die Nebenwirkungen kann ich liebend gerne verzichten. Mein Gott, früher musste ich mir nie so viele Gedanken über andere Menschen machen. Ich hasse Menschen. Alleine ist man besser dran. Mutter machte alles richtig, als sie sich entschied uns zu verlassen. Sie muss sich nicht mehr um diese ganzen Idioten in meinem Umfeld kümmern. Meine Brüder sind genauso scheiße wie Vater. Jin sucht mich nicht mal. Arschloch. Jimin ist eine kleine Bitch und betrügt Chanyeol sicherlich mit Namjoon. Der Typ kann mir auch gestohlen bleiben. Ich will gar nicht wissen, was er meinen Brüdern erzählt hat. 

"Ich bin so saaaauuueeeer! Ich tick gleich noch aus. WARUM SIND ALLE MENSCHEN IN MEINER UMGEBUNG SO SCHEIßE UND DUMM?", schrei ich wütend und in meinem Hals bilden sich komische Schmerzen, da ich versuche meine Aggressionen zu unterdrücken. 

Ich knalle meine Stirn gegen das Lenkrad vor mir und beiße mir fest auf die Zähne, um nicht noch mehr herum zu schreien. Diese Müdigkeit verstärkt meine Aggressionen um das zehnfache. Irgendwann fahre ich noch gegen eine Wand, damit ich mit niemanden mehr reden muss. Dann habe ich auch noch dieses beschissene Tattoo an meiner Hand. Was habe ich mir bloß dabei gedacht? Taehyung macht mir nur noch das Leben schwer. Als hätte ich einen Vertrag unterschrieben, indem ich ihm erlaube, mich in den Wahnsinn zu treiben. Ich bin auf dem guten Weg, die Fassung komplett zu verlieren. Da reicht die Liebe zu ihm oder zu meiner Familie auch nicht mehr, um mich zurückzuhalten. Scheiß Taehyung. Ich hasse ihn gerade unnormal sehr.

Unerwarteterweise klopft jemand gegen die Autoscheibe, sodass ich mich ruckartig aufrecht hinsetze und zu der Person schaue, jedoch rutscht mir mein Herz direkt in die Hose, als Taehyung vor mir steht und mich mit seinem Blick tötet. Wenn man von Teufel spricht, kommt er wohl wirklich angerannt. Ich starre ihm nur verwirrt und geschockt ins Gesicht und frage mich, wie er mich gefunden hat. Mein Herz fängt in meiner Brust an zu rasen, weil Vater sich immer noch in der Lagerhalle befindet und jeden Moment rauskommen könnte. Warum zur Hölle bin ich nicht einfach losgefahren? Ich hätte wirklich gegen eine Wand fahren sollen.

"Steig aus dem scheiß Wagen oder soll ich dich herauszerren?", verlangt er, nachdem er die Autotür aufgerissen hat. 

Widerwillig tue ich, was er sagt und werde in den nächsten Sekunde auch schon am Kragen gepackt und gegen mein Auto gedrückt. Erschöpft mustere ich die Lagerhalle hinter ihm und hasse mich und Vater immer mehr. Zu meinem Glück steht Taehyung mit dem Rücken zu der Lagerhalle gerichtet, sodass er nicht sofort sehen wird, wer die Lagerhalle verlässt.

"Du machst mich echt sauer, Jungkook. Erst verschwindest du mit diesen Typen aus der Bar und sagst mir nicht mal Bescheid und suche ich wie der letzte Vollidiot nach dir. Gefällt es dir, mich so zu provozieren? Hast du wenigstens deinen Spaß gehabt? Wer war der Kerl in dem Auto?", faucht er mich an und kommt mir mit seinem Gesicht so nahe, dass ich seinen warmen Atem auf meiner kühlen Haut und seine Nasenspitze an meiner spüre. 

"Reg dich mal ab, Taehyung. Ich habe mir nur Janes Geld zurückgeholt und mich ein wenig an ihnen ausgetobt... Deine Klamotten musste ich danach leider in den Brenner schmeißen und der Kerl war mein Vater", erwidere ich mit einem falschen Lächeln und lege meine Hände auf seine Brust, um über diese zu streicheln. 

Taehyungs Gesichtszüge entgleisen ihm völlig und er fängt vor Unglauben einfach an zu lachen. Er lässt meinen Kragen endlich los und fährt sich gestresst durch die Haare. Der kriegt irgendwann noch einen Anfall, wenn ich meinen Vater erwähne. Ich weiß gar nicht mehr, wie Taehyung ihn nennt. War es Doyoung? Ich habe keine Ahnung. Mein Vater hat sich viel zu viele Identitäten ausgedacht. Es ist ein Wunder, dass ich mir seinen echten Namen merken kann. 

"Du bist anscheinend genauso widerlich wie dein Vater oder? Erst stalkst du mich jahrelang. Dann tauchst du eines Tages in meinem Haus auf und wickelst mich ab dem ersten Moment um deinen Finger. Ich bekomme dich einfach nicht aus meinem Kopf und es macht mich so aggressiv! Ich weiß, dass dein beschissener Vater meine Eltern umgebracht hat. Du warst auch der Junge, der in der Nacht in dem Van gesessen hat! Ihr habt mein Leben zerstört! Meine Eltern hatten es nicht verdient zu sterben!", gibt er vollkommen aufgebracht von sich und in seinen Augen bilden sich nun auch Tränen. 

Es regt mich so sehr auf, dass er wirklich der Überzeugung ist, dass mein Vater seine dummen Eltern umgebracht hat. Er lebt in irgendeiner Traumwelt, in der seine Eltern die tollsten Eltern der Welt waren, was sie auf keiner Weise waren. 

"Denk, was du willst, Tae. Du kennst nicht mal den richtigen Namen meines Vaters und beschuldigst ihn für etwas, das er nicht getan hat. Ich weiß nicht, was in deinem Kopf nicht stimmt, aber Vater ist in dieser Geschichte nicht der Böse", meine ich und habe es satt, dass er nur an seine Rache denkt. 

"Wie meinst du das? Dein Vater soll nicht der Böse sein? Warum hat er dann nicht seinen richtigen Namen benutzt, huh?", fragt er verächtlich und macht einen Schritt zurück. 

"Soll ich dir jetzt die ganze Wahrheit erzählen, damit du mich dann anbrüllst, dass ich dich anlüge? Vergiss es. Du wirst deine scheiß Rache niemals bekommen, weil mein Vater deine beschissenen Eltern nicht umgebracht hat! Wieso hat mein Vater dich denn nicht umgebracht? Dachtest du wirklich, dass du dich so gut gewehrt hat oder was? Sieh es mal ein, Tae. Du warst ein 13 jähriger Pimpf und hättest dich niemals gegen einen über 1,90 Meter großen Mann wehren können, wenn er dich wirklich umbringen gewollt hätte. Ich frage mich auch, warum ich noch eigentlich lebe. Du weißt doch, dass ich der Teufelsbraten meines Vaters bin. Willst du wirklich Rache an ihm ausüben? Wenn ich du wäre, hätte ich mich schon längst umgebracht. Dadurch hättest du doch deine Rache oder nicht?", entgegne ich und habe einfach keine Lust mehr auf dieses ganze Hin und Her. 

Irgendwann bin ich auch müde von dieser ganzen Kacke. Taehyung schweigt für mehrere Minuten und bohrt Löcher in mein Gesicht mit seinem leblosen Blick. Als er nichts sagt, setze ich mich auf den Fahrersitz und halte mir den schmerzenden Kopf. Die Tabletten wirken langsam auch nicht mehr. Auf einmal packt er mich am Kinn und drückt meinen Kopf nach oben, sodass ich ihn anschaue. Er beugt sich blitzschnell zu mir runter und presst seine Lippen auf meine. Aus Reflex möchte ich ihn von mir weg schubsen, jedoch legt er seine andere Hand in meinen Nacken und setzt sich breitbeinig auf meine Oberschenkel. Kann mir mal jemand verraten, warum er mich gerade küsst und wieso ich mich darauf einlasse? Langsam erwidere ich den Kuss und kralle mich mit beiden Händen in sein schwarzes T-Shirt. Taehyung beginnt zu lächeln und löst sich etwas von mir, bevor er sich einen Weg von meinen Lippen zu meinem Ohr küsst. 

"Ich glaube dir wirklich kein einziges Wort, solange ich keine Beweise habe. Darum gehe ich erstmal deinem Vater auf den Sack, der uns sicherlich beobachtet. Er hasst mich doch genauso sehr wie ich ihn", kichert er in mein Ohr und drückt mich an Brust nach hinten, sodass ich liege.

Grinsend fahre ich mit meiner Hand in seine Haare und drücke seinen Kopf zu mir nach unten, um ihn in einen weiteren Kuss zu verwickeln. Taehyung hat Recht, mein Vater beobachtet uns bestimmt und ich gehe ihm liegend gerne auf die Nerven. Wahrscheinlich verletzt es ihn auch ein Wenig, dass unsere Beziehung ihn an seine Beziehung mit Mutter erinnert. Aber dieser alte Sack hat es verdient zu leiden. Ich musste jahrelang auch leiden und will immer noch keine Rache. Sie werden alle das kriegen, was sie verdient haben und dafür muss ich nicht mal einen Finger krümmen.

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Ich mach die Geschichte doch länger als geplant. So wie immer. Man kennt mich 😂

Revenge | TaekookWhere stories live. Discover now