36.Kapitel

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Mein Körper und mein Herz schrien ja, doch mein Verstand nein.
Doch wie sagt man so schön, man sollte auf sein Herz hören, da es schon schlug, bevor man denken konnte.
Ich legte meine Arme um seinen Nacken, um ihn so ein Stück weiter herunter zu mir zu ziehen.
Dann legte ich meine Lippen auf seine.
Ein warmes kribbelndes Gefühl machte sich in meinem Körper breit.
Ich zog ihn noch näher zu mir und er legte seine Hände auf meine Hüfte.

Ich liebe dich, sagte eine Stimme in meinem Kopf, seine Stimme.

Und genau in diesem Moment passierte es.
Meine ganzen Erinnerungen, die ich vergessen hatte, strömten förmlich wieder in meinen Kopf herein, als wären sie nie weg gewesen.
Es war wie ein Buch, dessen letzte Seiten herausgerissen waren und sie jetzt wieder vollständig da waren.
Es war so ein unbeschreiblich schönes Gefühl sich wieder an alles erinnern zu können.
Ich konnte mich wieder an alles erinnern, bis zu den letzten Minuten von dem Autounfall, als er mir gesagt hatte, dass er mich liebte.
Mein Herz schlug automatisch noch schneller als ich daran dachte.
Wie konnte ich das alles nur vergessen haben?
Ich löste mich von ihm und sah in seine mir wieder sehr vertrauten blau-grünen Augen.

" Ich liebe dich."
"Was?"
"Du hast schon richtig gehört, ich kann mich wieder an alles erinnern."
"Was wirklich? Endlich. Und ich liebe dich."

Er umarmte mich stürmisch und ich drückte mich an ihn.
Ich roch seinen, mir vertrauten, Geruch nach Pfefferminze. Er war mir wieder vertraut.
Ich hatte nicht daran geglaubt, dass ich ihn meinem Leben auch einmal Glück haben werden.
Doch das hatte ich.
Ich hatte Glück so einen hübschen, netten und schlauen Menschen zu kennen, der mein Freund war.
In meinen Augen war er perfekt.
Ich liebte ihn wirklich sehr, ich liebte alles an ihm.
So kitschig das auch klingen mag, es war die Wahrheit.
Ich hatte endlich meine große Liebe gefunden, mit der ich den Rest meines Lebens verbringen möchte.
Doch was passierte wenn ich eines Tages starb?
David würde noch immer leben, da er unsterblich war, doch würde er das aushalten mich ein weiteres Mal zu verlieren und das für immer?
Doch was war, wenn er mich zu einem Vampir machte, wir wären unsterblich, doch wir konnten keine Kinder haben, weil diese, wenn beide Eltern ein Vampir waren verboten waren.
Wollte er überhaupt irgendwann einmal Kinder?

"Nein Lucy, du bleibst ein Mensch, glaub mir, hätte ich jetzt die Wahl zwischen einem Menschen- oder Vampirleben, ich würde mich für das Menschenleben entscheiden."

" Also heißt dass, du willst nicht für immer mit mir zusammen sein?"
" Nein Lucy, das ist es nicht."
"Was dann?"
" Es ist nicht gerade schön zusehen, wie die Menschen um dich herum alle sterben. Und jedes Mal wenn ein weiterer Mensch den du liebst stirbt, ist es als würdest du zerbrechen daran.
Du willst bestimmt nicht mitansehen wie deine Freundinnen und deine Schwester sterben oder?
Du wirst sie dann auch nicht mehr sehen können, da sie es komisch finden werden, dass du nicht mehr alterst."

"Ja du hast Recht. Aber sieht das nicht komisch aus, dass du irgendwann mit einer alten Oma zusammen bist?"

" Mir ist es egal, was andere über uns denken."

"Du hast Recht, können wir vielleicht Mia und Sophia besuchen, ich glaube sie sind immer noch sauer."
"Können wir machen."
"Und wie sollen wir da hinkommen?"
"Du vergisst doch wirklich immer, dass ich ein Vampir bin, oder?"
"Ja, weil du so menschlich für mich bist, nicht wie jemand, der in der Lage ist, mich nur durch einen Biss auszusaugen und zu töten."
"Lucy?"
"Ja?"
"Du weißt doch, dass ich das nie tun könnte, lieber würde ich mich umbringen, als dich. Klettere auf meinen Rücken."

"Und woher willst du wissen, wo sie gerade sind?"
"Mit der gleichen Fähigkeit, wie ich auch dich gefunden habe.
Vampire besitzen nämlich auch einen sehr guten Geruchsinn."

Er machte sich kleiner, sodass ich problemlos auf seinen Rücken konnte.
Er nahm die beiden Krücken in die Hand und schon begann er zu rennen.
Ich sah wie die Landschaft an uns vorbeiflog.
Ich hielt mich gut an ihm fest, sodass ich auch nicht herunterfallen konnte.
Es kam mir so vor, als würde ich fliegen.
Als Kind hatte ich mir schon immer gewünscht fliegen zu können.
Ich wollte die Welt so gerne einmal aus der Vogelperspektive betrachten und einfach davon fliegen.
Zu der Zeit war Emily noch nicht auf der Welt und nichts und niemand hielt mich zu Hause zu bleiben, bei meinen Eltern, die fast nie da waren.
Ich wollte frei sein, soweit wie ich konnte davon fliegen und abends wieder zum Schlafen zurückkommen.

" Fliegen kann ich leider nicht", schrie David gegen den Gegenwind an.
"Musst du immer meine Gedanken lesen?", fragte ich und lachte.
"Ja, ich hab noch nicht herausgefunden, wie ich das abschalten kann."
"Sind..."

"Wir sind gleich da. Sie sind gerade bei Mia zu Hause."

Auf einmal wurde er immer langsamer und blieb dann plötzlich stehen.
Er half mir von seinem Rücken herunter und gab mir meine Krücken.

"Soll ich mit..."
"Ja, bitte."

Er lief hinter mir zu der Haustür.
Als wir vor der Haustür standen, drückte ich auf die kleine Klingel.
Drinnen ertönte die Melodie der Klingel, doch auch nach zwei Minuten, war die Tür noch geschlossen.

"Bist du dir sicher, dass sie da drin sind?"
"Ja ich rieche sie doch."
"Kannst du vielleicht auch Türen öffnen, ohne sie dabei kaputt zu machen?"
"Ja."

Er trat vor die Tür, holte etwas kleines aus seiner Hosentasche, was er dann ins Türschloss steckte, ein paar Sekunden später ertönte das vertraute Klicken einer offenen Tür.
Er öffnete die Tür und wir traten beide ein.
Ich wusste sofort, dass hier etwas nicht stimmte und David wusste das auch.

Wir liefen in die Küche, doch hier waren sie nicht.
Ich vertraute meinem Gefühl und lief in Mias Schlafzimmer.
David folgte mir.
Ich öffnete die Tür und was ich da sah, verschlug mir die Sprache.

Entführt von einem VampirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt