49.Kapitel

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Endlich.
Nach knapp 11 Stunden voller weinender und schreiender Kinder und einer unfreundlichen Stewardess sind wir endlich gelandet.
Da wir kein Gepäck hatten konnten wir den Flughafen viel schneller als die anderen Passagiere verlassen.
Mittlerweile war es schon 23:05, was ich mit einem Blick auf die große Uhr feststellte.
Diese ganze Zeitverschiebung  machte mich verrückt.
Wären sie doch nur in den USA geblieben, dann hätte ich noch 9 Stunden Zeit gehabt, doch so blieb mir nur noch eine Stunde.
Eine einzige Stunde.
Naja genau genommen eher 55 Minuten und wenn ich noch weiter Zeit mit Gedanken vergeudete noch ein paar weitere kostvolle Minuten. Wir mussten es einfach rechtzeitig zu ihr schaffen und ihn stoppen. Ich war mir immer noch nicht ganz sicher, ob es wirklich mein eigener Bruder war. Ich meinte, war er wirklich so verbittert und grausam und brachte einfach Menschen aus Rache um? Ich hatte mir die ganze Zeit während des Fluges eingeredet, dass er es nicht war, bestimmt war es nur ein Zufall, dass der Entführer und Lucy in meinem alten Zuhause waren.
Aber das konnte wirklich sein, ich meinte um mich auf eine falsche Fährte zu bringen.
Mein altes Zuhause stand schon lange leer, aber die Einrichtung befand sich noch immer dort.

Es durfte einfach nicht mein Bruder sein.
Da lag bestimmt eine Verwechslung vor.
Naja, ich werde es ziemlich bald erfahren, wer dafür verantwortlich war, dass ich und Lucy getrennt wurden und wenn ich zu spät kam für immer.
Doch dass durfte nicht passieren.

"Kann es losgehen?", fragte mich mein bester Freund.
"Ja kann es."

Und schon begannen wir mit Leichtigkeit zu rennen.
Eins zu werden mit der Umgebung um uns herum.
Fast abzuheben und zu fliegen.
Und mit dem Ziel vor Augen um jeden Preis rechtzeitig Rouen zu erreichen.

Lucy's P.O.V

Ich schreckte aus meinem Traum und sah mich panisch in dem Zimmer um, indem ich mich befand.
Ich war wieder in dem Raum, indem ich mich vor meiner Folter befand.
Ich stand langsam auf.
Meine Beine waren eingeschlafen.
Wie lange hatte ich wohl geschlafen?
Ich sah an mir herunter und sah, dass ich ein weißes Kleid trug.
Ich trat zu dem Spiegel, der sich an der Wand, an dem der Schrank stand befand.
Ich betrachtete mich darin.
Meine Haare hingen mir wie immer in leichten Wellen über den Schultern und ich trug ein kleines Diadem auf meinem Kopf.
Ich trug ein schulterfreies enges weißes Kleid, das an meiner Hüfte breit wurde.
Es sah einfach nur wunderschön aus, nur der Grund aus dem ich es trug war nicht so rosig.
Es war mein Todeskleid.
Bei dem Gedanken, dass er mich berührt hatte, da er mir das Kleid angezogen haben musste, verzog ich mein Gesicht und wollte am liebsten sofort unter die Dusche springen.
Doch es brachte nichts und ich konnte jetzt wohl schlecht duschen gehen.
Ich sah aus dem Fenster und sah, dass es schon dunkel draußen war.
Bald war es soweit.
Bald würde er mich komplett aussaugen.
Wie lange hatte ich noch zu leben?
War es eine Stunde, oder doch nur eine halbe Stunde?
Oder sogar nur noch ein paar Minuten?
Gleich würde er in mein Zimmer kommen und mich mitnehmen.
Ich spürte es.
Bald war es soweit.
David wird es nicht schaffen.
Es war zu spät.
Wäre es nicht besser jetzt schon mein Leben zu beenden?
Ich meinte dann könnte Dylan sein Ritual nicht mehr vollziehen, ich werde ja so oder so sterben.
Das war eigentlich keine so schlechte Idee.
Irgendwann musste jeder einmal sterben und bei mir war es anscheinend heute der Fall.
Das einzige brauchbare was ich hier in dem Zimmer fand war ein Spiegel.
Es hieß zwar man würde dann 7 Jahre Unglück haben, wenn man einen Spiegel kaputt machte, doch wie sollte ich Unglück haben, wenn ich tot war und außerdem glaubte ich an diesen Aberglauben nicht.
Meine Mutter hatte als ich 10 war auch einen Spiegel fallen lassen und sie hatte kein Unglück gehabt.
Ich hatte meinen Entschluss gefasst.
Ich hing den Spiegel von der Wand ab und ließ ihn auf dem Boden fallen.
Ich ließ mich auch fallen und saß in den Scherben.
Ich begann fürchterlich zu weinen.
Sollte das wirklich mein Ende sein?
Dass ich mich selbst umbrachte nur weil David mich nicht rechtzeitig finden wird und ich so Dylans Ritual verhinderte?
Aber wenn es die einzige Möglichkeit war.
Ich nahm eine Scherbe in die Hand.
Ich musste mir einfach nur die Pulsadern aufschneiden und dann hatte endlich alles ein Ende.
Als ich 16 war kurz nach Liam hatte ich damit angefangen mich zu ritzen.
Ich hatte gehofft, dass der körperliche Schmerz den seelischen lindern konnte.
Und es half auch eine Zeit lang.
Es hatte sich wirklich gut angefühlt, ja es tat zwar weh, aber irgendwann blendete ich den Schmerz aus.
Doch dann eines Tages, als ich es wieder getan hatte stand auf einmal Emily hinter mir im Bad.
Emily war zu dem Zeitpunkt erst 6 Jahre alt.

Flashback

"Lucy was machst du?"
Ich drehte mich erschrocken um und blickte in die großen Augen meiner kleinen Schwester.
Ich ließ die Rasierklinge ins Waschbecken fallen und drehte den Wasserhahn auf und hielt meinen linken Arm darunter.

"Ich hab mich nur geschnitten Süße", sagte ich und zwinkerte ihr zu.
"Du darfst dir nicht selbst wehtun, das tut doch weh, wieso machst du das?"

Also hatte sie mich schon länger beobachtet. Wieso hatte ich nicht besser aufgepasst?
Ich drehte mich zu ihr um und kniete mich vor sie.

"Das war heute das letzte Mal versprochen?", fragte sie.
Sie war echt reif für ihr Alter.
Diesen blauen Augen konnte ich noch nie etwas abschlagen.
Und sie hatte ja auch irgendwie Recht es war dumm sich selbst zu verletzen.
Was war ich bitte für ein schlechtes Vorbild?
Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn Emily damit mal anfing.

"Versprochen", sagte ich und lächelte sie an.

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Ich hatte mein Versprechen gehalten, bis zum heutigen Tag.
Ich nahm die Scherbe fester in meine Hand, sodass sie mir in meine Hand drückte.
Wollte ich das wirklich tun?
Ja wollte ich, sagte meine innere Stimme und ich hob meine rechte Hand und steckte mir die Scherbe in die Innenseite meines linken Armes.
Ich schrie vor Schmerz auf, doch bald hatte es ein Ende.
Ich zog die Scherbe durch meine Haut und schon floss das erste Blut heraus und tropfte auf mein weißes Kleid.
Mir wurde übel und schlecht von dem vielen Blut und ich übergab mich auf den Boden.
Doch aufhalten konnte und wollte ich das jetzt auch nicht mehr.
Der Schmerz war unerträglich.
Doch ich hatte es bald geschafft.
Es wurde langsam dunkler um mich herum.
Ich kippte nach vorne.
Doch dann vernahm ich eine Zimmertür, die sich öffnete, mich umdrehte mir die Scherbe aus meinem Arm zog und mich anschrie.
Und dann spürte ich wie jemand mir eine Flüssigkeit einflößte.
War das vielleicht David?
Hatte er es geschafft rechtzeitig zu mir zu kommen?

Entführt von einem VampirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt