Kapitel 26:

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Dorcas Meadowes wusste nicht, weswegen sie heulend durch die Korridore lief; warum ihr die Tatsache, dass eine ihrer besten Freundinnen mit dem Jungen, in den sie verliebt war, zusammen war. Es ergab keinen Sinn. Natürlich wusste sie, wieso ihr das etwas ausmachte. Es machte Jedem etwas aus. Dorcas wanderte durch den hochgewölbten Gang und bog ziellos nach links ab, wo sie haarknapp nicht gegen eine Tür stieß.

Astronomieturm
Zutritt nur für Gemeldete. Bei Wunsch sich bitte an Professor Atoris wenden. Unbefugter Zutritt ist strengstens verboten und wird genau wie das unerlaubte Ausleihen der Utensilien streng bestraft.

Professor Angelica Atoris, Astronomie

Dorcas starrte nachdenklich auf das Schild. Sollte sie es wagen? Zweifelnd drehte sie sich um. Der Gang war wie ausgestorben. Dorcas straffte die Schultern und presste sich, die Klinke herunter drückend, gegen die Tür. Sie war verschlossen. Entschlossen zückte sie ihren Zauberstab und murmelte: " Alohomora!"
Ein winziger Lichtstrahl schoss durch das rostige Schlüsselloch und die Tür ließ sich quietschend öffnen. Dorcas schlüpfte durch den Spalt und schloss sie hinter sich. Fasziniert betrachtete Dorcas die hohe Wendeltreppe. Astronomie war ihr Lieblingsfach; sie kannte die steinernen Stufen auswendig und konnte selbst in der Dunkelheit den Weg nach oben finden. Die ersten zwei Abzweigungen führten jeweils in riesige Abstellräume der Unterrichtsmaterialien, die dritte war Professor Atoris' Büro. An dieser Tür schlich Dorcas auf Zehenspitzen vorbei. Endlich kam sie auf der Aussichtsplattform an. Es war eine unklare Nacht; gut, dass Professor Atoris hier nicht aufzufinden war, denn die Lehrerin verbrachte oft die Nächte mit der Beobachtung des Alls.
Dorcas schwebte förmlich über den Boden. Es war eiskalt und ihre Füße waren eingeschlafen, doch das kümmerte Dorcas nicht im Geringsten. Ihr Blick schweifte über die vielen Sterne; Schneeflocken fielen auf ihren Kopf und sie kniff die Augen zusammen. Sie meinte, ein paar ihr bekannte Sternbilder zu erkennen und Dorcas holte Pergament, ein Tintenfass und eine Feder heraus. Konzentriert begann sie die Sternfügungen zeichnerisch zu protokollieren.
" Dorcas?"
Sie ließ zitternd die Feder sinken und drehte sich um. Es war nicht Professor Atoris. Im Türrahmen stand Remus Lupin.
" Oh! Remus", versuchte Dorcas ein Lächeln.
Remus setzte sich etwas steif zu ihr.
" Du zeichnest?"
" Sternbilder, ja. Ich habe ganze Alben von meinen Zeichnungen", erklärte Dorcas und ein strahlender Glanz trat in ihre Augen. Remus war ihr bester Freund. Sie wusste, dass sie ihm vertrauen konnte; und trotzdem... Er war einer der Rumtreiber. Und sie wusste, dass die Rumtreiber wie Brüder waren. Brüder hatten keine Geheimnisse. Zumindest ihre beiden Brüder.
" Wow", grinste Remus und fixierte sich darauf, auf Dorcas' Blatt zu starren. Dorcas fuhr fort und während sie die Entfernung zweier Sterne maß, dachte sie darüber nach, was Lily ihr zugeflüstert hatte. Empfand Remus für sie mehr als Freundschaft? War sie blind?
" Hast du schon was vor? Am nächsten Hogsmeade-Wochenende?", fragte er urplötzlich und schaute ihr direkt in die Augen. Dorcas betrachtete seine Augen gebauer, ausdrucksvolle, schöne braune Augen. Sie hatten einen anderen Farbton als James' Augen. Heller. Dorcas verlor sich in den beige farbenen Augen und fragte sich, wo ihr Verstand sich all die Jahre verborgen hatte.
" N...Nein, eigentlich nicht. Ich wollte mit Mary und Beth vielleicht in die Drei Besen, aber ich glaube Mary hat andere Pläne mit einem gewissen Hufflepuff."
Auf einmal fiel es Dorcas einfach, zu lächeln; wieso war ihr nie aufgefallen, wie einfach alles in Remus' Gesellschaft war? Du hohle Nuss, spuckte ihr Gehirn aus.
" Ich habe nur eine Idee", antwortete Remus, nun ebenfalls lächelnd. Es war ein anderes Lächeln, als das was er seinen Kumpels schenkte; ein sanfteres.
" Was denn?" Dorcas' Neugier brachte sie innerlich um; Remus brachte sie völlig aus der Fassung und sie wusste nicht weswegen. Er war immer für sie da gewesen.
" Ich wollte eigentlich ein Mädchen zu einem Butterbier einladen."
Dorcas' Herz fing an, wie ein Propeller auf Hochdruck zu arbeiten.
" Wirklich...", wisperte sie leise; Remus hörte es kaum. Er ging nicht weiter drauf ein.
" Alles okay mit dir?" Dorcas wurde rot; sie konnte es nicht leiden, wenn sie für andere Menschen ein offenes Buch war. Doch Remus war der Einzige, der sich Zeit nahm, es sich durchzulesen.
" Ja."
" Du siehst nicht so aus", schmunzelte er.
Dorcas kaute auf ihrer Unterlippe. James existierte nicht mehr; nur Remus.
" Remus?"
" Ja?"
" Denkst du, ich bin klug?"
Für ein paar Sekunden sah er sehr verdattert aus.
" Und wie! Du hattest vier Ohnegleichens und sonst nur Erwartungen übertroffen in allen Fächern!"
" Außer der Schule", widersprach Dorcas langsam.
" In welcher Hinsicht?"
" Unter Menschen", sagte Dorcas knapp.
" Du bist etwas schüchtern, aber das ist ja nicht schlimm", meinte Remus sanft.
" Nein, Remus. Ich bin eine dumme Nuss. Ich habe etwas Entscheidendes nicht bemerkt. Ich..."
" Was hast du nicht bemerkt?", fragte Remus erstaunt wegen Dorcas' heftigem Ton.
" Das." Sie schaute Remus in die Augen und küsste ihn mitten auf den Mund. Remus war zuerst bewegungslos, doch dann zog er sie näher an sich und erwiderte den Kuss. Dorcas fühlte sich beflügelt. Sie war in Remus Lupin verliebt: sie hatte es nur nicht gemerkt. Und Remus Lupin war in sie verliebt. Dorcas fühlte zum ersten Mal in vielen Monaten Glück, Zuversicht und Zufriedenheit. Sie wusste, dass Remus der Richtige war; es wert war.
Als sie sich nach Minuten voneinander lösten, lehnte Dorcas ihren Kopf auf Remus' Schulter und lächelte.
" Wer ist das Mädchen, dass du einladen willst?"
" Es sitzt neben mir."
Dorcas schaute ihm direkt in die Augen.
" Ich würde nichts lieber tun."

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Im Schlafsaal der Mädchen herrschte heute Abend eine schwere Stille. Dorcas war nach 3 Stunden immer noch nicht zurück gekehrt und es herrschte schon längst Bettruhe. Alle vier Mädchen lagen steif auf ihren Betten und starrten mit offenen Augen an die Decke.
Plötzlich knarrte die Tür auf und Dorcas betrat durchnässt, aber strahlend den Raum.
Lily sprang als Erste auf die Füße und umarmte Dorcas stürmisch.
" Wo warst du?"
Dorcas lächelte schüchtern.
" Astronomieturm. "
" Alleine?" Beth stand neben Lily, die Augenbrauen hebend.
" N...Nein. Ich bin mit ihm zusammen." Bei diesen Worte guckte sie nur Lily an, die vor Freude auf jauchzte.
Beths Augen wurden glasig. " Was?"
" Ich wusste es! Ihr seid perfekt füreinander! Ja!", brüllte Lily, nicht auf die Bettruhe achtend, und umarmte Dorcas nochmals überglücklich.
" Dorcas, das kann nicht wahr sein." Beth hatte alle Aufmerksamkeit. Lily sah sie fragend an, doch Dorcas erschrak plötzlich, als sie die Situation realisierte. Doch Beth redete weiter.
" Du lügst doch, Dorcas! Du lügst! So etwas würde er Lily nie antun!"
Lily stemmte die Hände in die Hüften und schob fragend den Kiefer vor. Dorcas fing inzwischen leicht an zu weinen. " Beth, nein! Sei still! Du weißt nicht über wen ich rede!"
" Und ob ich das weiß!", giftete Beth voller Verachtung.
" Wer würde mir was nie antun?" Lily wurde langsam sauer; es ging um sie, aber sie wurde nicht eingeweiht.
Dorcas zischte: " Nein!"
Doch es war zu spät; Beth holte tief Luft und hauchte: " Potter."
Lily krachte rückwärts gegen den Bettpfosten.
Dorcas schaltete sich kreischend ein.
" BETH! NEIN! Das stimmt nicht Lily! Ich rede über Remus!"
Nun war Beth am Zug mit dem Fassungslos sein.
" Remus...Lupin?"
" Ja, Remus Lupin. Stell dir vor, Beth." Mit einem letzten verachtungsvollen Blick ging Dorcas zu Bett und niemand sprach ein Wort mehr.
Lily hatte kurz keine Luft bekommen, als Beth Potter geflüstert hatte. Doch es war nicht wahr. James liebte sie. Sie liebte James. Remus liebte Dorcas. Dorcas liebte Remus.
Lilys neues Mantra für heute Nacht wirkte und sie sank problemlos in einen tiefen Schlaf.
Was Lily nicht mehr hörte, war Beths leises Schluchzen ins Kissen.

тне мaurauders ~ eine erinnerung {fanficтion}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt