11. How do you feel

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/Überarbeitet/


"Ich brauche nur das zu tun, was ich will, und nicht, was die anderen von mir erwarten. In der Gemeinschaft ist es leicht, nach fremden Vorstellungen zu leben. In der Einsamkeit ist es leicht, nach eigenen Vorstellungen zu leben - aber bewundernswert ist nur der, der sich in der Gemeinschaft die Unabhängigkeit bewahrt."

- Ralph Waldo Emerson


Leo's POV:

Ich versuchte wieder zur Vernunft zu kommen und wand mich leicht von Leo ab. Ich machte einen Schritt hin zur Zimmertür, immerhin sollten wir seine Mutter nicht all zu lange warten lassen, da spürte ich, wie Yannik leicht an meinem Shirt zog. Verlegen schaute er zu Boden und wurde erneut knallrot im Gesicht.

"Du, Leo?", fragte er zögerlich, ohne zu mir auf zu schauen.

"Was los, Kleiner? Deine Mum wartet sicher schon.", wollte ich ihm die Zeitdrängnis klar machen. Immerhin wollte ich einen guten Eindruck als Gast, bei seiner Mutter, hinterlassen.

"Wie stehen wir eigentlich zu e-einander?"

"Ähm, lass uns dass nachher bequatschen, okay? Wenn wir mehr Zeit haben.", wimmelte ich ihn etwas ruppig ab, zog ihm am Arm mit mir zur Tür und die Treppen runter. Ich wusste, dass es mies war, solch eine Frage unbeantwortet zu lassen. Immerhin war ich auch ziemlich erstaunt, dass er überhaupt den Mut dazu hatte, mich so direkt zu fragen. Andererseits war ich mir dessen auch nicht wirklich im Klaren. Ihn als meinen 'Freund' zu bezeichnen, löste in mir ehrlich gesagt Unbehagen aus. Ich wollte sicher nicht Schwul sein. Also was sollte ich ihm antworten? Du bist ein netter Zeitvertreib? Er war mehr als das, dass musste ich mir eingestehen. Damals war er einfach nur ein kleiner Elftklässler, der mich übertrieben anhimmelte und mir damit ziemlich auf den Sack ging. Dann war er Teil einer Wette. Nach kurzer Zeit schon, wurde er sowas wie ein Freund. Ein niedlicher kleiner Junge, welcher bei jedem meiner Worte rot wurde. Und jetzt konnte ich nur noch daran denken, ihn zu küssen. Ich wollte sehen, wie er reagiert und ihn aus der Reserve locken. Aber mehr ist das doch nicht, oder? Hatte ich wirklich nur deswegen die Wette platzen lassen, um weiterhin bei ihm sein zu können und Dinge mit ihm anzustellen, welche eindeutig nicht normal unter Jungs sind?

"Leo? Leo...!", holte mich Yanniks Stimme aus meinen Gedanken.

"Ja, was?", antwortete ich ihm schnell, noch völlig verwirrt, was er von mir wollte.

"Ich hab gefragt, ob du mir die Kartoffeln reichen kannst.", dabei rollte er frech mit den Augen.

"Sorry, Kleiner. Ich war total in Gedanken gewesen. Hier, ...Bitte.", und überreichte ihm das Gewünschte.

"Nicht schlimm. Woran hast du denn gedacht, dass du so abgelenkt bist? Du scheinst ja ziemlich in Gedanken versunken zu sein, hm? Doch nicht etwa an etwas komisches...", dabei zeichnete ihn ein breites Grinsen.

Sag mal! War er schon immer so frech? Wo hat der denn plötzlich seine Schüchternheit gelassen?

"Yannik, sowas fragt man nicht.", wendete schnell seine Mutter ein, und an mich gewendet, "Der Junge ist immer so ungezogen. Tut mir Leid, aber du kennst das ja sicher."

Aha! Langsam richtete ich meinen Blick auf Yannik, welcher ertappt zu mir aufschaut.

"Eigentlich kenne ich ihn ziemlich schüchtern und alles andere als frech.", antwortete ich seiner Mutter, hielt meinen Blick jedoch weiterhin auf Yannik gerichtet, welcher wieder leicht rot wurde.

"Ach Gott, dann ist er also nur bei mir so? Dann kann ich ja fast beruhigt sein, dass er sich nicht auch so in der Schule benimmt.", sagte seine Mutter empört, jedoch mit einem Lächeln auf den Lippen.

"Stimmt gar nicht.", nuschelte Yannik nun leise und stopfte sich eine Gabel in den Mund.

"Sprich nicht mit vollem Mund, Yannik.", ermahnte ihn seine Mutter.

Schockiert und unverstanden blickte Yannik nun seine Mutter an, kaute zuende und schluckte schnell runter.

"Ich hab gar nicht mit vollem Mund gesprochen, sondern bevor ich was gegessen hab!", meckerte er los, um sich zu verteidigen.

"Das spielt keine Rolle. Dann mach den Mund eben ordentlich auf beim reden. Du nuschelst ständig vor dich her."

"Du hast immer was zu meckern.", funkelte er nun seine Mum an.

"Du bist ja auch kein einfaches Kind."

Ich konnte nicht mehr länger an mich halten und musste auflachen. Ich hatte noch versucht, mit vorgehaltener Hand den Lacher zu unterdrücken, schaffte es jedoch nicht, bei dem ulkigen Gespräch der beiden. Yannik und seine Mutter schauten erst verwirrt zu mir auf, mussten dann jedoch auch mitlachen.

"Hoffe wir verschrecken dich nicht, Leo. So ist das bei uns meistens bei Tisch. Wir rappeln ständig miteinander und machen ein paar Späße, meistens auf Kosten meines Sohnes.", lachte seine Mutter nun laut auf.

"Wie bitte?", spielte sich Yannik wieder empört auf. Irgendwie war seine rebellierende Art seiner Mutter gegenüber niedlich.

"Nein nein, ich finde das ganz amüsant, Frau Keppler.", versuchte ich die beiden zu beruhigen.

"Ach, nenne mich ruhig Susanne. Frau Keppler klingt so förmlich."

"In Ordnung, Susanne.", erwiderte ich ihre Bitte.

"Der Yannik schreibt immer so schlechte Noten in der Schule, da wollte ich dich eh darum Bitten ihm Nachhilfe zu geben. Du bist ja älter und hattest sicherlich schon den meisten Stoff in der Schule gehabt. Ich würde dich natürlich dafür bezahlen.", plauderte Susanne fröhlich los.

"Ja, dass ist kein Problem. Aber eine Bezahlung nehme ich nur ungern entgegen. In welchen Fächern hat Yannik denn Schwierigkeiten?"

"Ach, natürlich bekommst du dafür etwas Geld. Ein richtiger Nachhilfelehrer würde ja ein halbes Vermögen kosten, da ist uns das ganz recht. Yannik ist sehr schlecht in Mathe und den naturwissenschaftlichen Fächern.", klärte mich Susanne auf.

"In den Fächern bin ich gut. Zwar nicht hervorragend, jedoch schreibe ich ganz gute Noten. Dann würde ich zweimal die Woche herkommen und Yannik beim Stoff helfen. Am besten zu Mitte und gegen Ende der Woche. Oder je nach Bedarf, wie es am besten passt."

"Hallo! Hab ich auch noch was mitzureden?", brachte sich Yannik wieder ins Gespräch ein.

"Sieh es so, du lernst was und kannst mich auch noch zweimal die Woche sehen.", sprach ich an ihn gerichtet und sofort schwieg Yannik und wurde wieder rot im Gesicht.

Wir saßen nach dem Essen noch solange am Tisch und redeten über Gott und die Welt, dass es schon so spät war, dass ich direkt nach Hause ging. Nicht, dass dort irgendwer auf mich gewartet hätte. Jedoch wollte ich ehrlich gesagt, der Frage von Yannik aus dem Weg gehen, welche er mir kurz vor dem Essen gestellt hatte. Ich konnte ihm keine Antwort darauf geben, daher verwendete mal ich wieder eine Ausrede und sagte ihm, dass ich nach Hause müsse. Bei meiner Wohnung angekommen, welche in einem Plattenbau, bestehend aus vielen kleinen Wohnungen, lag, öffnete ich die Wohnungstür und trat ins Dunkel. Wie in Routine glitt meine Hand nach rechts zur Wand und legte sich auf den Lichtschalter. Nach kurzem zögern, entschied ich mich jedoch dazu, dass Licht einfach aus zu lassen und mich durch den Flur hin zum Schlafzimmer zu tasten. Dort entledigte ich mich schnell meiner Kleidung und huschte noch schnell ins Bad. Die Straßenbeleuchtung, welche durch das kleine Zimmer schien, erhellte den Raum genügend. Dort putze ich mir die Zähne und wusch mein Gesicht und legte mich anschließend ins Bett. Lautes Gepolter und dumpfes Geschrei drang durch die Wände der dünnen Wohnung und mal wieder verfluchte ich die Nachbarn, welche nur am Krach machen waren. Das alles hier widerte mich nur an, doch woher sollte ich das Geld nehmen, um mir eine Wohnung in einem angenehmeren Viertel zu mieten? Immerhin erhielt ich kaum finanzielle Unterstützung von meinen Eltern und ein Nebenjob würde wahrscheinlich meinen Notendurchschnitt ruinieren. Ehrlich gesagt war ich mir auch irgendwie zu fein zum Jobben, immerhin müsste ich ja dann auch auf die vielen Partys verzichten, welche meinen Beliebtheits-Faktor in der Schule sicherten. Gefangen in dieser Wohnung, gefangen in meinem zwanghaften Drang nach Anerkennung, gefangen in meinem Leben und doch war ich glücklich. Immerhin war ich einer der angesehensten und ansehnlichsten Jungs der Schule. Das würde ich für nichts her geben. Niemals!



How much I am worth to youWhere stories live. Discover now