Kapitel 2

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Im Klassenraum angekommen, setzen Cathleen und ich uns nebeneinander in die zweite Reihe. Viyan und Saliha hingegen setzen sich in die letzte Reihe. Bestimmt um Leute zu stalken und zu lästern, so gut, wie ich die beiden nun mal kenne. Während sich der Raum mehr und mehr füllt, zeichne ich auf meinem Block meine alten Lehrer. Ich muss jedoch wieder an dieses überhebliche Arschloch denken. Hätte ich mir doch sein hässliches Gesicht genauer angeschaut, um ihn dann in den Pausen mit den anderen zu beleidigen. Idiot! Was war sein Plan? Dass ich es still hinnehme? Nicht mit mir! Soll sich dieses Arschloch noch einmal trauen! Ich mache ihn wieder fertig! "Shana, der Lehrer ist da." Ich zucke leicht zusammen, als sie mir mit ihrem Ellbogen in die Seite stößt. Ich kann das Kunstwerk ja immer noch beenden. Der Lehrer fängt ja nur mit der Begrüßung und Organisatorischem an. Ich stelle mir währenddessen vor, wie das überhebliche Arschloch in Zukunft eines Tages so aufwacht, wie ich meine alten Lehrer aufgezeichnet habe: hässlich, mit Glatze und rundem Rücken. Eine Person setzt sich vor mich. Ich schiele nur kurz auf seine Füße und bemerke, dass ich diese Schuhe schon mal gesehen habe. Jordan 4 Oreo. Ist das der Typ? Ich grinse. Das kann nur Schicksal sein! Das ist doch tatsächlich der Leggings-Junge! Das wird ein richtiger Spaß, nur darf er nicht meine Hauptpriorität werden. Die Schule und meine Zukunft als Ärztin sind wichtiger. Gesagt, getan. Ich schaue also nach vorne, bemerke aber aus dem Augenwinkel, wie er kurz zu mir rüber blitzt und kann mir ein Schmunzeln nur schwer unterdrücken. Ja, ich bin die, die dich mit Worten zerstückelt hat und ich tue es liebend gern weitere Male.

Der Lehrer erzählt uns von der diesjährigen Einführungsphase. In den folgenden zwei Jahren werden unsere Leistungen mit Punkten bewertet. Zudem erzählt er uns noch etwas zu jedem Fach, wie es mit den Klausuren und der Facharbeit in der zwölften Klasse ablaufen wird, wie das mit dem Mündlichen und Schriftlichen läuft und vieles mehr. Zum Glück müssen wir uns nicht vorstellen, denn sowas hasse ich. Er bevorzugt Namensschilder, wie sicherlich jeder hier im Raum. Unterricht haben wir in den ersten beiden nicht. Ich mag Herrn Markus jetzt schon. Ein Grund ist, dass ich Cathleen damit ärgern kann, dass er ihr richtiger Vater sei, weil sie denselben Nachnamen tragen. Das wird mehr als amüsant werden. In diesen zwei Stunden setzen Cathleen und ich uns zu den Mädels nach hinten und fangen an zu reden. Herr Markus hat uns die freie Wahl zum Kennenlernen gelassen. "Jackpot! Hier sind hübsche Jungs", fängt Viyan das Gespräch mit ihrem signifikanten Grinsen an. Sie kann es nie seinlassen, bei Typen ihres Geschmacks, über ihre bemalten Lippen zu lecken. "Zeig mal, wer so hübsch sein soll", fordere ich sie auf. Sie duckt sich ein kleines Stück, was ich ihr nachmache – ebenfalls so unauffällig wie möglich.

"Der mit dem Nike Oberteil in Schwarz." Ich revidiere ihn: Hellbraune, lockige Haare, zwei kleine Muttermale an der rechten Schläfe, schwarze Hose. Von der Seite sieht man aber nicht sonderlich viel. "Na ja, zeig mir die anderen." Sie verdreht ihre Augen und zeigt mir den nächsten, angeblichen Hübschling. "Der mit der schwarzen Strickjacke und hellblauen Hose." Okay, er hat echt wunderschöne blaue Augen. Sonst hat er nur etwas füllige Lippen, schwarze Haare und blasse Haut. Er erinnert mich ein wenig an Saliha, weil sie ebenfalls so verdammt blass ist. "Der Nächste." Viyan beugt sich etwas zu mir und flüstert es mir dann zu. "Er sitzt vor dir und guckt dich sehr oft an." Auf einmal schauen mich alle drei mit ihren zweideutigen, obszönen Blicken an, vergessen dabei auch ja nicht anzügliche Laute von sich zu geben. Anders hätte ich es mir nicht denken können. Ich muss schmunzeln. Das ist so typisch für sie. "Jetzt guckt er schon wieder!" Und schon wieder werde ich von weiteren übertriebenen, obszönen Blicken attackiert. Dazu kann ich nur die Augen verdrehen und lachen.

"Shana, er ist dein Lover", meldet sich Saliha zu Wort, worauf sie das Kichern der beiden anderen Idioten erntet. Ich verziehe sofort das Gesicht. Dieses Arschloch doch nicht. Nie im Leben! So etwas Überhebliches kommt in den Müll, aber nicht in mein Herz. "Mein Lover," dabei wackele ich einmal mit dem Kopf hin und her. "hat, bevor ich euch gefunden habe, eine peinliche Show abgezogen." "Was hat er gemacht?", fragt Viyan gespannt. "Ich hab doch in der Gruppe von diesem Typen geschrieben, der unnötig nach Stress gesucht hat. Das war er. Er dachte, dass er mich wegen meiner Hose vor seinen Freunden bloßstellen könnte, woraufhin ich ihn, wegen seiner Hose blamiert habe." Sofort bekomme ich von allen dreien High-Fives und Gelächter. Zum Glück ist es durch die ganzen anderen Gespräche schon so laut im Raum. "Gut gemacht, Schwester!", lobpreist Viyan mich voller Stolz. Ich bin gespannt, wann er das nächste Mal bellen wird. Mit ihm werde ich noch einige Reibereien haben, das weiß ich.

Nach zwei Stunden Gelächter und Geläster enden die ersten beiden Stunden, und wir begeben uns auf den Hof. Als ich anfange den Titelsong von Drake und Josh zu summen, werde ich von Cathleen unterbrochen. "Dein Lover sitzt hinter dir, auf der Bank mit seiner Gang. Die zwei Jungs von heute gehören auch dazu." Ich wette bei denen sind auch entsprechende Damen. Langsam drehe ich mich um und habe recht. Es sind drei Stück unter fünf Jungs. Alle drei sehen fast identisch aus; Die Erste trägt roten Lippenstift, zwei blonde Bauernzöpfe, ein weißes, bauchfreies Top und eine schwarze taillierte Jeans. Wenigstens ist ihr Eyeliner schön gezogen. Die Zweite hat das gleiche Make-Up und die gleiche Frisur, hat aber braunes Haar. Sie trägt auch fast das gleiche Outfit, nur mit einem pinken Oberteil. Ihr fast identischer Dress-Code ist gruselig. Die Dritte trägt ihre mit Spliss übersäten, schwarzen Haare offen. Es hat den Anschein, als hätte sie ihre Haare über Nacht in Flechtzöpfen getragen. Wohlmöglich wollte sie Locken haben. Süß. Mit ihrer umgekehrten Nike Kappe kann sie das Chaos auf ihrem Kopf auch nicht bändigen. Gleiches Make-up wie Klon eins und zwei, aber nur mit pinkem Lippenstift. Wow, steckt ihre Hose aber tief drin! Nachdem ich sie zu Ende revidiert habe, drehe ich mich wieder zu meinen Freundinnen. "Schäbig", ist das Einzige, was ich dazu sage. Vorurteile sind auch so ein Tick, den ich besitze, aber so hängen mir keine unnötigen Menschen am Leib. Meistens befürworten sich diese Vorurteile auch. Deshalb sehe ich die Vorurteile nicht als Nachteil. Eher als semipermeable Membran.

"Würde ich so herumlaufen, würden mich meine Brüder jagen", lacht Saliha, wo Viyan nur einschlagen kann. Ich schmunzele nur teilnehmend, weil ich das nicht ganz nachfühlen kann. Ich lasse mir von meinen Brüdern nichts sagen. Das hat nie geklappt und das wird auch nie klappen. Das muss es nicht einmal, so unproblematisch bin ich nach der kurdischen Kultur. Und sollte jemand etwas sagen, wird es mich nicht interessieren. Ich mache trotzdem weiter, denn ich weiß, dass ich kaum das tue, was in unserem Kulturkreis als Schande betitelt wird. Außerdem vertrauen meine Eltern und Brüder mir und das ist der auch der ausschlaggebende Punkt, wieso ich mit den Problemen der beiden nicht zu sehr mitfühlen kann. Ich besitze mehr Freiheiten dadurch. "Shana, er guckt schon wieder", merkt Viyan an. Sie wirkt so hibbelig. Was ist los mit ihr? "Viyan, wenn du ihn schon die ganze Zeit beobachtest, geh direkt zu ihm und blas ihm einen", gebe ich provokativ von mir. Was guckt er die ganze Zeit? Will er wieder einen Streit? Sie hebt ablehnend die Hände. "Nein, Schwester. Er steht auf dich." Sie zwinkert vielsagend. Meine Augen verdrehen sich bei ihrer Aussage. Mhm, ist klar. "Ich geh auf die Toilette", sage ich. Dass ich keine Ahnung habe, wo sich die Toiletten befinden, müssen sie ja nicht unbedingt jetzt wissen. Ich will nur vor weiteren Fantasien abhauen und meine Locken auffrischen.

Nach einer fünfminütigen Suche habe ich die Toilette gefunden. Die armen Putzkräfte, die sich um das Chaos hier kümmern müssen, tun mir extrem leid. Hoffentlich kriegen sie eine gute Entschädigung dafür, dass sich diese Blagen so schlecht benehmen. Ich feuchte meine Locken an und knete sie vor dem schmierigen Spiegel. Wieder denke ich an diesen Trottel, obwohl ich es nicht will. Ich rege mich einfach nur über seinen dummen Spruch auf, aber grinse dann wieder, weil mir mein Spruch einfällt. Als ich die Mädchentoilette wieder verlasse, sehe ich das blonde Mädchen an der Wand angelehnt mit dem Locken-Jungen. Ist das Mädchen auch in meiner Stufe? Oh, er fängt an, sie an der Taille zu greifen und sie zu küssen. Etwas anderes hätte ich jetzt von ihnen auch nicht erwartet. Andere würden sie jetzt als Paar sehen, doch ich weiß, dass es keine richtige Liebe ist. Da kann kommen, wer will. Ich würde sogar 50 Euro verwetten. Ich laufe angewidert an ihnen vorbei, schiele nur einmal kurz zu ihnen. Im perfekten Moment, wie es den Anschein hat, denn der Junge guckt auch mich an. Was guckst du Ekliger so? Das ist echt verstörend. Soll er seine Liebe für eine Nacht ablecken, ohne mich dabei anzustarren. Was habe ich für komische Gestalten auf meiner Schule? Drei Kopien, überhebliche Arschlöcher und Spanner? Das wird ja alles noch sehr interessant.

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