Kapitel 54

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Wir haben noch etwas Zeit, bis die Läden schließen, aber trotzdem laufen wir im zügigen Tempo durch die Stadt. "Wie heißt deine Schwester?", frage ich. "Derya", gibt er kurzgebunden von sich, bevor wir in einen Schmuckladen eintreten. Die Blicke der ganzen Mädchen liegen auf Can. Falls sie mich anschauen, dann gucke ich sie mit unfreundlicher Fratze an. Nur weil ein Junge hier ist? "Such nach etwas, was ihr gefallen könnte, bitte." Oh, er hat Bitte gesagt. Mit einem Nicken schaue ich mir die Theken gut an, finde aber nichts. Auch auf der anderen Seite finde ich keine schöne Kette. Was ist das denn für ein Laden? "Shana, komm mal." Ich gehe zu Can der einige Ohrstecker in der Hand hält. Ich revidiere sie genau und bin überrascht, dass Can sie genommen hat. "Die sind echt schön", murmele ich. Die Ohrringe sind alle goldfarben. Die Ersten haben jeweils einen großen rosa Stein in der Mitte, die Zweiten sind einer Art Blume mit spitz zugehenden Blättern, die mit Kristallen versehrt sind. Die Letzen sind rund und haben einige Lücken, da das Muster aus übereinander geschlängelte Linien besteht, aber dennoch schön aussieht mit dem Kristall in der Mitte. "Willst du auch welche?" Ich schaue überrascht zu ihm und lehne sofort ab. "Schäm dich nicht." "Can, ich möchte nichts. Lass uns lieber weitersuchen." Nachdem er bezahlt hat und wir endlich von der gaffenden Menge fliehen können, laufen wir zum DM. "Hast du viel Geld dabei?", frage ich."Willst du mich abziehen?" Ich muss schmunzeln, als ich meine Augen verdrehe. "Nein", antworte ich und ziehe das Nein in die Länge. "Ja, habe ich." Mit einem gemurmelten Gut laufen wir in den Drogeriemarkt und steuern direkt auf die Nagellacke zu. Um genauer zu sein auf Essie. Ich reiche die ihm den Nagellack, namens Fiji und laufe dann zur NYX Theke. "Deine Schwester schminkt sich sicher, oder?" Er verdreht seine Augen. "Ja, aber das werde ich ihr rausprügeln", brummt er genervt, was mich schmunzeln lässt. Ein nudefarbiger, mattierender Lipgloss wird ebenfalls in seine Hand gedrückt, womit wir uns zur Kasse begeben. "Acht Euro für einen beschissenen Nagellack?", beschwert Can sich, als wir mit den verpackten Artikeln rauslaufen. "So ist das Leben", antworte ich schlicht. Im Douglas angekommen, sage ich zu Can, dass er nach einem Duft für seine Schwester suchen soll. Ich will wissen, ob er Geschmack hat. Also bei den Ohrsteckern hat er richtig getroffen. "Kann ich Ihnen behilflich sein?", fragt eine junge Mitarbeiterin, der man ansieht, dass sie Can am liebsten ausziehen möchte. "Wir kommen klar", anntworte ich stumpf und mit unfreundlicher Miene, was sie entsetzt weglaufen lässt. "Was war denn das?", fragt Can, dessen Lächeln ich heraushören kann. "Eine Mitarbeiterin?" "Das ist mir bewusst." "Dann ist dir auch bewusst, dass ich Nein gesagt habe, als sie uns ihre Hilfe angeboten hat." Dabei betone ich Hilfe etwas höhnisch. "Hat da jemand ein Problem mit anderen Mädchen?", neckt er mich in einem gespielt unschuldigen Ton. "Such lieber nach einem Parfüm für deine Schwester", gebe ich bissig von mir, was ihn leise lachen lässt. Idiot. "Wie findest du das?", fragt er mich nach einer Zeit. Er hält mir seine Hand hin, wo er einen Duft von Tommy Hilfiger drauf gesprüht hat. Sanft nehme ich seine Hand und muss ihn wieder überrascht anschauen. Der Junge hat echt Geschmack! Und weiche Hände. Ich nicke als Zeichen, dass es gut riecht und laufe dann mit Can zur Kasse. "Hoffentlich gefällt es ihr", sage ich nachdenklich. "Wird es schon." Wir laufen wieder zurück. Dabei ich mein Blick auf den Boden gerichtet. Also ich kaufe nie Geschenke für meine Geschwister. Wieso hat Can so viel Geld? Ob er wohl mit Drogen zu tun hat? Alles um mich blende ich aus, bis ich auf die andere Seite gezogen werde. "Was sollte das?", frage ich Can. "Nichts", knurrt er. Ich schaue mich kurz, während des Laufens um und sehe wieder diesen Hakan. Den Rest des Weges verhält er sich komisch. Er grinst manchmal teuflisch. Bestimmt hat er etwas geplant.

"Ich will nicht mit!", quengele ich. "Doch, du kommst! Und jetzt hör auf zu reden oder der Wing wird schief", sagt Viyan und konzentriert sich darauf, mir einen guten Eyeliner zuziehen.
Wir haben 19:30 Uhr und machen uns fertig fürs Matrix. Ich habe keine Lust! Wieso verstehen die Lehrer nicht, dass ich keine Lust habe? Während Saliha ihren rosa Skaterrock und ihre weiße, hineingesteckte Bluse richtet, bete ich, dass der Tag heute schnell vorbeigehen soll. "So, fertig!", grinst Viyan stolz. "Hässlich", entgegne ich genervt, als sie mir den Spiegel hin hält. Eigentlich wollte sie mir ein komplettes Make-up machen, doch als ich ihr gedroht habe, bestand sie auf Mascara, Eyeliner und etwas Lippenstift. Als einziges, was mir gefällt, sind der geglättete Zopf. Und mein Schmuck nicht zu vergessen, aber der Rest kann weg. Genervt ziehe ich mir meine Air Max an. Als ob ich überhaupt tanze. Viyan streicht nochmal über ihr bordeauxrotes, knielanges Kleid und lächelt in den Spiegel. Wieso machen sie sich überhaupt so fertig? Eine normale schwarze Hose und ein schwarzes Oberteil hätten doch gereicht - sowie bei mir. "Lasst uns runter", sagt Saliha. Schnaubend stehe ich auf und dackele den Mädchen unmotiviert hinterher. Wir kommen aus dem Aufzug raus und sehen schon viele aus unserer Klasse in der Lobby warten. Ich setze mich schnell auf eins der Sessel und langweile vor mich hin. "Wow, Shana. Siehst gut aus", sagt Ramazan und wackelt mit den Augenbrauen. Ich halte mir die Hände vor mein Gesicht, da ich nicht will, dass mich die Jungs mit Schminke sehen. Ich schäme mich irgendwie. "Schäm dich doch nicht", sagt Malik. "Ja, du siehst hübsch aus." Ramazan umarmt mich grinsend. Gott, ich will ihn aufessen! "Ehem, wir sind auch noch da", lenkt Viyan die Aufmerksamkeit auf sich. "Ihr seht fast so hübsch aus, wie ich", witzelt Ramazan, was mir etwas gute Laune beschert. Ich raste mein Handy ab, weil ich auf die Uhrzeit schauen will. "Scheiße, ich hab mein Handy oben vergessen", fällt es mir ein. Sofort mache mich auf den Weg nach oben, um mein Handy zuholen. Ich lasse die Tür offen und schüttle Viyans Decke, bis mein Handy runterfliegt. Angst um meine Scheibe habe ich nicht. Das Handy ist sooft runtergeflogen und die Scheibe ist nie zersprungen. Ich höre, wie die Tür zugeht, weswegen ich verwirrt in die Richtung sehe. Can steht dort lässig angelehnt, in ganz schwarz. Ich stehe langsam auf und laufe etwas in die Mitte. Er mustert mich kurz, was mir unangenehm ist und läuft dann langsam auf mich zu. Er fängt an zu lächeln und schüttelt den Kopf. Ich muss auf alles vorbereitet sein. "So naiv", raunt er. Was meint er? "Denkst du ernsthaft, dass Malik und vor allem Ramazan nur mit dir befreundet sein wollen?", fragt er abwertend und läuft um mich. "Was redest du da?", keife ich. "Du hältst dich für hart.", kommt es kalt von Can, woraufhin er kurz lacht. "Bin ich das denn nicht?" Statt zu antworten, lacht er wieder. "Shana, Shana, Shana", säuselt er. Das kommt mir so lächerlich vor. "Ich will dir doch nur sagen, was Sache ist, mehr nicht", setzt Can in einem rauen Ton an. "Dann fang mal an", fordere ich trocken. "Wir wissen alle, was deine Schwäche ist. Du musst nicht mehr so tun, als ob nichts wäre." Was redet er da? "Wenn du meine Schwäche kennst, dann nenne sie mir", kommt es monoton von mir. Ich rege mich nicht. Der Einzige, der sich bewegt ist Can, der so souverän um mich herumläuft. "Du kennst meine Schwäche nicht", sage ich bitter lächelnd. "Wieso bist du dir so sicher?", fragt er, als er hinter mir stehen bleibt und anfängt meinen Zopf zwischen seinen Finger zu drehen. "Weil ich keine habe." Er lacht. Wieso lacht er wieder? "Kommen wir wieder auf das Thema Malik und Ramazan." Hör nicht hin! "Sie wollen doch nur das eine", haucht er mir zu. Ich sage nichts, höre ihm nur zu. Mir wird kalt und danach sofort warm. "Ich verstehe nicht, warum du es bei ihnen zulässt und nicht bei mir", flüstert er mir in mein Ohr, was mir eine Gänsehaut verpasst. "Ich lasse niemanden an mich ran." Ich spüre, wie sein Griff um meinen Zopf fester wird. "Warum bist du dir so sicher?", raunt er und sieht mich von der Seite an. "Ich wette, ich könnte dich jeder Zeit verführen", murmelt er gegen meinen Hals, weswegen ich mich etwas zur Seite bewege, um Platz zu schaffen. Er lügt, er macht das mit Absicht!

ArroganzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt