Kapitel 20

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Dienstag, 6. September

Ich stehe vor dem Eingang der Schule und verweile dort, weil die Sonne angenehm scheint. Heute war es erstaunlich ruhig. Kein Can, der mich nervt und Aleyna habe ich komplett vergessen. Vielleicht haben sie endlich mal verstanden, dass sie sich nicht mit mir anlegen sollen. Can ist heute nicht da. Also werde ich mich in Bio nicht mit ihm messen müssen. Aber eins ist mir flau im Magen: Cihan. Wieso will er es klären? Da gibt es rein gar nichts zu klären. "Shana? Was ist los?" Saliha tippt mich an und auch die anderen schauen mich an. "Was ist?", frage ich ahnungslos, da ich in Gedanken versunken war. "Du bist abwesend, was ist los?", wiederholt Saliha ihre Frage. Ich hole mein Handy raus und zeige den Chat meinen Freundinnen. Sofort tickt Viyan aus. "Was will dieser hässliche Hund von dir? Wenn er dich anpackt, reiße ich ihm die Eier aus! Er soll abwarten!" Sie knurrt leise vor sich hin. "Wenn er dich anpackt, komme ich und schlage ihn!", fügt Cathleen hinzu. Sie schaffen es, mir ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Es wird etwas passieren. Mein Lächeln verfliegt. "Lasst uns nicht weiter über ihn reden. Lasst mal wieder raus. Ich brauche wirklich neue Sachen", wechsele ich das Thema. "Lasst uns am Samstag oder so in eine andere Stadt. Dortmund wäre gut", schlägt Saliha vor, woraufhin wir ihr zustimmen. Die Pause endet und etwas weiter weg steht ein wartender Ramazan auf mich. "Alles okay?", fragt er mich. Bin ich etwa so leicht durchschaubar? Vielleicht liegt es daran, dass ich sonst aufgedrehter bin. Ich sollte ihm vielleicht sagen, was los ist. "Es-, also-, wie soll ich sagen?" Ich bin schlecht im erzählen meiner Probleme, vor allem bei Fremden. So fremd ist er aber nun auch nicht. Er wartet gespannt auf meine Antwort, während wir uns auf den Weg zum Biologie Raum machen. Ich hole einmal tief Luft und seufze. "Cihan lässt mich nicht in Ruhe. Ich habe das Gefühl, heute wird etwas passieren und mein Gefühl täuscht mich nicht." Sofort bleibt er stehen.

"Was hat er gemacht?" Ramazan schaut total ernst. Soll ich alles sagen? Leicht beschämt erzähle ich ihm, was sich auf der Hochzeit abgespielt hat und was er mir geschrieben hat. "Hör zu, Shana. Malik, Can und ich werden heute auf dich aufpassen. Also wundere dich nicht, wenn wir dich eindringlich angucken, okay?", sagt er immer noch sehr ernst. Ich lächele leicht. "Okay, danke." Warte mal. Can? "Ramazan, Can ist nicht da." Scheiße, wenn Can das weiß! "Er kommt zu Chemie, er hat einen Arzttermin." Oh nein, er darf es nicht wissen! Scheiße! Ich habe keine Lust auf seine nervige Inquisition. "Er darf es nicht wissen!", rufe ich schon fast hysterisch, weswegen Ramazan mich verwirrt anguckt. "Er soll es einfach nicht wissen. Sie hassen sich schon so oder so, bitte", flehe ich ihn an. "Okay, ich schreibe kurz Malik." "Danke." Ramazan du bist ein Schatz! Ich lächele zufrieden. Mir fällt auf, dass ich mich ihm geöffnet habe - zumindest ein wenig. "Ich freue mich, dass du mir ein wenig Vertrauen schenkst, Shana. Ich hoffe wir werden noch bessere Freunde werden", meint er mit einem sehr warmen, ehrlichen Lächeln, weswegen mein Herz aufgeht, und ich könnte schwören, dass ich ihn umarmen würde, wenn ich mich nicht schämen würde. "Bestimmt", murmele ich nur verlegen. Nach unserer Biostunde laufen Ramazan und ich zu Chemie. Nachdem Malik gekommen ist, kommt Can, den ich nicht beachten will. Noch einmal gucke ich zu Ramazan, um ihn zu erinnern, dass er es nicht sagen darf, welches er mit einem Nicken bestätigt und laufe zu Cathleen und den anderen. Ich fühle mich schon sicherer. Auch, wenn ich Cihan heute noch nicht ein einziges Mal gesehen habe, weiß ich, dass heute etwas passieren wird. Ich erzähle meinen Freundinnen, was ich besprochen habe mit Ramazan und kurz danach beginnt der Chemieunterricht.

Ich bin Ramazan und Malik echt dankbar! Sie waren wie zwei Überwachungskameras, auch Cans verwirrten Blicke waren sehr lustig anzusehen. Ich kann ihnen echt vertrauen, wenn sie es selbst Can nicht verraten haben. Mein Gefühl hat mich diesmal getäuscht. Egal. Hauptsache, ich komme entlastet nach Hause. "Leute, geht schon mal vor. Ich will mich bei Ramazan und Malik bedanken. Ich komme nach." Ich habe gesehen, wie sie zum Netto gelaufen sind. Sie sind bestimmt schon an der Haltestelle. Ich laufe, bis ich in die Ecke gezogen werde - mal wieder! Als ich das Gesicht erblicke, sehe ich nicht wie gedacht Can, sondern Cihan. Scheiße! "Was willst du?", fauche ich. "Rede vernünftig!", bellt er zurück, kurz danach legt sich ein dreckiges Grinsen auf seine Lippen. "Ich habe dir doch gesagt, du entkommst mir nicht." Er kommt mir näher und ich weiche zurück. So kenne ich Cihan gar nicht. Mein Herz schlägt schneller. Das ist nicht gut. "Und jetzt? Was willst du machen?" Ich lasse mich nicht einschüchtern. "Wir klären die Sache jetzt." Ist er dumm? Wie oft noch? Muss ich es ihm buchstabieren? "Junge, wie oft noch? Da gibt es nichts zu klären!", sage ich extra langsam und betone jedes Wort, jede Silbe. Sein Lächeln wird immer dreckiger und er kommt mir immer näher. "Wir klären es auf meine Art." Ich runzele die Stirn. "Indem du mich in eine Ecke ziehst und schon zum dritten Mal oder so sagst, wir klären es? Wie einfallsreich, Cihan", gebe ich herablassend von mir. Er hingegen lacht nur und schüttelt den Kopf. "Nein, so!"

ArroganzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt