Kapitel 44

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Um 14:30 Uhr treffen wir uns wieder an der Haltestelle und fahren zurück. Leider ist der Bus immer noch so voll, wie vorhin, aber diesmal ist kein Can bei mir. "Da sieht man sich wieder", flüstert mir auf einmal Can zu. Zu früh gefreut. "Was suchst du die ganze Zeit bei mir?", frage ich vorwurfsvoll. "Ich möchte Zeit mit dir verbringen." Da ich diesmal seitlich zu ihm stehe, kann ich ihn besser sehen. Ich beäuge ihn skeptisch. "Natürlich willst du das. Anstatt bei mir zu sein, kannst du ja zu Aleyna. Sie möchte nicht, dass ich in deiner Nähe bin", informiere ich ihn in einem abwertenden Ton. Er zieht die Augenbrauen zusammen. "Sie hat was gesagt?", zischt er plötzlich, weswegen ich kurz zusammenzucke. Wow, wie impulsiv. "Du wirst dich wohl in sie verlieben. Komme ich in deine Nähe, dann werde ich es wohl bereuen", meine ich neutral. Vor Aleyna werde ich niemals Angst haben. Seine Gesichtszüge werden härter, genau wie der Griff um die Stange, die er mit seiner linken Hand festhält. Ich höre auf einmal die Stimmen von Jungs. Sie sehen aus wie schmierige Player. Gut aussehen tun sie nicht wirklich. Ich wende meinen Blick ab, doch spüre ihre ekeligen Blicke auf mir. Danach fühle ich, wie Can mir seinen Arm um die Schulter legt. Ich schaue ihn verwirrt an. Er kommt mir näher und beugt sich runter. Schon wieder zucke ich zusammen. Dieser Junge bringt mich immer wieder dazu. "Keine Sorge. Ich mache das, weil diese Bastarde so ekelhaft gucken", wispert er mir zu, was mir eine Gänsehaut verleiht. Ich schaue ihn bedrückt an, er hingegen lächelt sanft. Er sieht dabei so... so süß aus? Seine leuchtend gelben Augen schauen mich intensiv an, dabei weiten sich seine Pupillen, was seine Augen noch faszinierender macht, als sie es schon sind.

Ich wende beschämt den Blick ab und höre das dreckige Lachen der fremden Jungen. Sie schmachten gerade Saliha an, doch dann kommt Ramazan und droht ihnen. Ich höre zwar nicht, was sie sagen, da im Bus viel geredet wird, doch Ramazan sieht sehr ernst aus. Etwas später spüre ich, wie Cans Arm nach unten rutscht. Ich blicke ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an. "Der Junge guckt mir viel zu viel", murmelt er gereizt und verstärkt den Griff um meine Taille. Ich drehe mich in die Richtung des Jungens und sehe, wie ekelhaft lasziv er mich beäugt. Ich gucke ihn angeekelt an und lege meine Hand um Cans Nacken, was ein komisches Gefühl in mir auslöst. Bestimmt, weil ich sowas noch nie getan habe. Anders kann ich es mir nicht erklären. Aber wieso stört es Can? Er ist nur ein Aufreißer, mehr nicht! "Was machst du da?", fragt er mich. Ich komme wieder zu mir und schaue ihn an. "Was denn?" "Du brichst mir gleich meinen Nacken", sagt er lachend. Er hat eine schöne lache. "Ouh", nuschele ich und nehme meine Hand wieder runter, doch Can legt sie wieder auf seinen trainierten Nacken. "Bis er aussteigt, beliebt deine Hand dort, okay?", flüstert er mir zu. Ich glaube, wenn man nichts hören könnte, könnte man denken, dass wir ein Pärchen wären. "Bis wir ankommen", meine ich fest entschlossen, was ihn verwirrt gucken lässt. "Ich will Aleyna damit ärgern." Daraufhin nickt er lächelnd. Es ist irgendwie sehr ungewohnt und zugleich so friedlich so zu stehen. Kein Streit, keine Provokation und keine Diskussion. Nur wir beide, nah und still. "Es gibt doch harmonische Momente zwischen uns", murmele ich. "Ja, die gibt es. Nur bist du so temperamentvoll", neckt er mich. "Gar nicht war", murmele ich lächelnd und will etwas auf Abstand gehen, doch Can hält mich wieder einmal zurück. "Zier dich nicht. Ich mache schon nichts", wispert er wieder. Er weiß gar nicht, dass ich jedes Mal eine Gänsehaut davon bekomme, genau so wenig, wie, wenn er mich anfasst oder - wie jetzt - mehr Druck auf meiner Taille ausübt.

Wir steigen aus, mit uns auch die Jungen, bei denen ich erst jetzt gemerkt habe, dass es sich um eine Klasse handelt und diese sich auch im Meininger Hotel aufhalten. Das wird Stress geben. "Jetzt sind diese Pisser auch im selben Hotel wie wir", höre ich Can knurren. Ja, es wird auf jeden Fall Stress geben. "Shana, lass uns zu Malik und den anderen", meint Saliha. "Wieso?" "Die Jungs meinten, dass wir zu ihnen kommen sollen. Chillen, dies, das." Hinter Saliha taucht eine gruselig grinsende Cathleen auf. Was hat sie jetzt schon wieder gemacht? "Was hast du jetzt wieder gemacht?", frage ich schief lächelnd. Sie zeigt mir wieder ihr Handy, wo wieder ganz viele Fotos drauf sind. Während wir uns nach oben begeben, schaue ich mir im Schnelldurchlauf die Bilder an. Sie sind eigentlich schön geworden, um ehrlich zu sein. Cans Arm ist um mich geschlungen und mein Arm ist um seinen Nacken geschlungen, dabei schauen wir uns lächelnd an. Ich glaube, da hat er gesagt, dass ich temperamentvoll sei. Ich gehe wieder zurück auf die Galerie und gucke mir die Bilder von neu an. Diesmal in Ruhe, während ich mich auf Salihas Bett setze. Die ersten sechs Bilder sind sehr früh entstanden. Da, wo Can mich sanft angelächelt hat, als er seinen Arm um meine Taille gelegt hat. Da hat es angefangen. Danach kommen noch fünf Bilder, wo wir uns intensiv anschauen. Jetzt kommen zehn Bilder. Da, wo ich meine Hand runtergenommen habe und er sie wieder um seinen Nacken legen wollte. Cathleen hat die Bilder im perfekten Momenten geschossen, denn meine Hand, die in seiner ist, liegt gerade auf seiner Brust. Außerdem lächelt er wieder so sanft.

ArroganzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt