Kapitel 31

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Er dachte wirklich, dass ich einen Freund hätte. Die ganze Zeit war er angespannt. Woran es lag, ist mir immer noch nicht bewusst. Warum er mich nach Hause begleitet hat, weiß ich ebenfalls nicht. Er ist so komisch. Mal ist er wütend und aggressiv und dann ist er irgendwie beschützend.

'Seid ihr noch im Krankenhaus?', schreibe ich in die Gruppe. Wir haben schon 18:22 Uhr. Nach zwei Minuten kriege ich immer noch keine Antwort, also gehe ich davon aus, dass sie immer noch dort sind.

Ich muss schmunzeln, weil Can dachte, dass ich in einer Beziehung bin, Idiot. Aber warum hat es ihn so mitgenommen? Wieso suggeriert es seine Laune? Mal sehen, wie er morgen drauf ist. Bestimmt ist seine Einstellung negativ. Wann ist sie positiv? Can ist mürrisch, herrisch und aggressiv. Fröhlich passt nicht zu ihm. Nachdem meine Mutter gefragt hat, wo ich war, gehe ich essen, lege meine Kleidung für den nächsten Morgen hin, beginne mit meiner Nachtroutine und lege mich danach auf mein Bett. Ich stöbere etwas auf Instagram herum und gehe auf Cans Seite. Das Bild mit dem blonden Mädchen ist weg, wieso? Haben sie schon Schluss gemacht? Oder war es nur einmaliger Sex? Sonst ist nichts Spektakuläres in Instagram aufgetaucht, also schaue ich bis 22:54 Uhr fern und schlafe ein.

Am nächsten Morgen stehe ich auf. Irgendwas bedrückt mich, aber was? Ich hoffe, dass es nicht schon wieder zu irgendeiner Scheiße kommt. Ich versuche diesen Gedanken beiseite zuschieben und mache mich fertig. An der Schule angekommen, sehe ich Saliha und laufe zu ihr. "Was habt ihr im Krankenhaus noch so gemacht?", frage ich sie. "Wir haben über vieles gelacht, was eigentlich unnötig ist, aber Ramazan macht alles witzig. Außerdem haben wir über dich und Can geredet." Über Can und mich? Warum? "Wieso?" Meine Augenlider kneife ich zusammen. "Er ist, nachdem du nach Hause gehen wolltest, dir hinterher gegangen. Deswegen sind wir auf das Thema gekommen. Die Jungs meinen, dass Can das erste Mal so zu einem Mädchen ist und wir glauben, dass ihr zusammenkommt", erzählt Saliha schmunzelnd. Zusammen? Wir beide? Niemals! "Ich sterbe lieber, als mit ihm zusammenzukommen! Hast du mal gesehen, wie er drauf ist?" "Das sagen sie alle", ist das Einzige, was sie mir antwortet. Durch den Eingang kommt Malik, der mich wie immer warm anlächelt und mich umarmt. "Wie geht es Ramazan?", erkundige ich mich. "Er ist wie immer. Gleich wird er entlassen. Er meinte, dass er zu Chemie kommen wird." Malik löst sich aus der Umarmung. Ein monotoner Can kommt ebenfalls mit Cathleen und Viyan zu uns. "Ich hoffe, dass ich wenigstens eine Vier in Englisch kriege", fleht Cathleen. Stimmt, der Test. Dieser Test soll wohl über unser aller Englischnoten entscheiden. Bis jetzt war ich immer sehr gut. Malik auch, er will Englisch und Literatur studieren. Ich finde es irgendwie süß, dass solche Bad-Boys studieren wollen. Es passt einfach nicht zu ihrem Aussehen. Wir laufen zum Raum und setzten uns hin. Cathleen und Malik links und rechts neben mir, Viyan vor mir und Can genau hinter mir.

"Good morning students. I'll give you your tests after the first lesson", begrüßt uns Frau Mikulski. "Our new topic will be relationships." Wie passend das Thema doch ist. "There are a lot of relationships like a relationship between a mother and her children, between two boys or girls or a relationship between a girl and a boy", erzählt sie uns schmunzelnd, was mich ebenfalls schmunzeln lässt. Während der ersten Stunde sammeln wir Begriffe zu Charaktereigenschaften und Erscheinungsbildern, die wir dann an die Tafel schreiben. Danach sollen wir uns im Kopf eine Situation ausmalen, in der wir mit unserem Freund oder unserer Freundin reden. Als wir dies in der ersten Stunde geschafft haben kriegen wir unsere Vokabeltests zurück. Eine Eins! Die Eins auf dem Zeugnis wird wunderbar aussehen. "Sauber, eine Vier!", schreien Viyan und Cathleen, weswegen viele aus dem Kurs lachen. Die beiden sind Nieten in Englisch. Malik hat ebenfalls eine Eins. Ob Can auch eine hat? "Well students. I will pick a girl and a boy who will have a conversation. I would like to have some drama in it." Das erinnert mich an die achte Klasse, wo ich mit mir selber ein Dialog vor der Klasse aufgeführt habe, weil mein Partner nicht da war. In Sachen Improvisation war ich schon immer gut. "Lets have a look", sagt sie und schaut sich im Raum um. "What about Can and..." Bitte nicht ich, bitte nicht ich! "Shana, please stand up." Klischee! Klischee! Das ist doch nicht wahr! Er schaut mich kalt an, als er nach vorne schreitet. Guck nicht so! "Start please", meint unsere Englischlehrerin lächelnd. Can räuspert sich.

ArroganzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt