Kapitel 35

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Ich will doch nur wissen, was los ist. Er antwortet nicht, schaut mich nur mit diesen atemberaubenden, gelben Augen an, in denen graue Sprenkel tanzen an. "Sag doch, wieso? Wieso hast du mich vor Cihan gewarnt? Wieso beschützt du mich vor Cihan seit fünf Monaten, obwohl ich nichts Besonderes bin? Wieso sagst du zu Cihan, dass er sich von mir fernhalten soll? Wieso war ich etwas Besonderes und bin es jetzt nicht mehr?" Bei jeder Frage werde ich immer wütender. Wieso antwortet er nicht? "Was wolltest du auf der Klassenfahrt machen? Mich abfüllen und mir dann meine Jungfräulichkeit nehmen, sowie du es vor fünf Monaten gesagt hast?" Ich reiße meine Handgelenke aus seiner großen Hand und schubse ihn in die entgegengesetzte Richtung. Er sagt immer noch nichts. Wieso?! "Antworte doch! Sonst bist du immer so großmäulig mir gegenüber!" Dabei schubse ich ihn immer weiter. Er lässt sich einfach treiben und verliert mich nicht aus den Augen. "Wolltest du mich, wie alle deine anderen Mädchen, nur ausnutzen? Sie sind doch nur zum Küssen und Ballern gut. Erinnerst du dich an diesen Satz, Can? Erinnerst du dich?!", brülle ich ihn an, als sein Rücken die Wand erreicht hat. "Du bist nichts, als eine Hure, Can. Eine Hure ohne stolz, die sich mit anderen Huren vergnügt", spucke ich ihm die Wahrheit ins Gesicht. Meine Arme zittern. Ich spüre meine Wut gegenüber diesem Jungen tief, bis in die Fingerspitzen. "Irgendwann kommt diese eine Frau, die dein Leben verändern wird. Ich hoffe, dass du um sie kämpfst, dass du leidest", fauche ich. Er bleibt immer noch ruhig, aber ich sehe das Feuer in seinen Augen. "Das wird niemals passieren!", ruft er nach seinem langen Schweigen. Ich zucke, wegen der plötzlichen Erwachung Cans, zusammen, aber dann lache ich bitter auf.

"Und wie es passieren wird, Can. Vielleicht nicht jetzt, vielleicht erst in drei, vier Jahren, aber es wird auch dich treffen!" "Was weißt du schon? Du warst doch niemals verliebt. Das kannst du nicht wissen!", blafft er arrogant. "Ich war es noch nie, ja. Trotzdem weiß ich, dass die Liebe jeden treffen wird, sowohl dich als auch mich!", keife ich und tippe auf seiner harten Brust herum. "Warst du jemals verliebt, Can?", frage ich ernst. Vielleicht ist er deswegen so, weil er betrogen wurde. Er schaut mir tief in die Augen. "Nein." Okay, doch nicht. "Dann hast dir gerade eben widersprochen." Can schaut mich mit gerunzelter Stirn an. "Was wolltest du in Berlin machen?" Was wollte er bloß machen? "Deine Vernunft testen. Ich wollte sehen, ob du mir widerstehst." Sein Ernst? "Wenn ich nicht vernünftig wäre, hätte ich mich nicht direkt von Cihan oder dir verführen lassen? Oder mich auf euch geschmissen?" Bei Cihans Namen kneift er für eine Sekunde die Augen leicht zusammen. "Besser für dich, wenn du dich nicht auf Cihan einlässt", bringt er zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus. "Wieso denn? Ich bin doch eh nichts Besonderes, also muss es dich nicht interessieren!" Ich schlage auf seine Brust. Als ob ich mich wirklich auf Cihan einlasse. Die Ereignisse sprechen doch für sich. "Irgendwann wirst du auf mich hören", meint er. "Wenn das passieren sollte, dann nur aus einem bestimmten Grund. Einer, der mein Leben verändern würde." Er löst sich von der Wand und kommt einen Schritt auf mich zu. Wir stehen jetzt mit ungefähr zehn Zentimeter Abstand zueinander, doch das stört mich jetzt nicht. Ich nehme seinen Duft auf. Markant und herb, wie immer. Statt sein Gesicht erblicke ich seine Brust, da er so groß ist.

"Bald wird niemand da sein, der uns stört. Dann, wenn du es am wenigsten erwartest, werde ich dich testen, meine Liebe", haucht er zart und fährt mir durch das Haar. Nach zwei Sekunden schlage ich seine Hand weg. "Mal sehen, wer wen besiegt", kommt es ruhig von mir, während er mich eindringlich ansieht. Er lächelt schalkhaft. "Willst etwa versuchen, mich zu verführen? Das würde mir gefallen", raunt er mir zu. Ich habe eine Idee, hoffentlich geht es gut aus. Ich schaue ihn tief in die Augen, sodass sein Lächeln verschwindet und er mich ebenfalls intensiv beäugt. Bis jetzt läuft es gut. Nun drücke ich ihn sachte gegen die Wand, an der er vor einigen Minuten noch angelehnt war. Immer noch gut. Zwar ist es mir unangenehm das zu tun, aber irgendwie macht es Spaß. Ich lehne mich etwas an ihn ran, sodass mein Bauch seinen Bauch berührt - na ja, ich versuche es, wenn er bloß nicht so groß wäre. Ich setze meine rechte Hand auf seiner Brust ab und mit der linken Hand ziehe ich seinen Kopf an mich heran. Perfekt. Er spielt mit, lässt mich dirigieren. Idiot. Nur wenige Zentimeter trennen unsere sich unsere Gesichter voneinander. Er lässt alles zu und schaut mich intensiv an. Ich fahre mit der linken Hand über seine Wange, während ich die andere Hand nach unten sinken lasse. Was er wohl denkt? Seine Pupillen weiten sich. Er genießt jede einzelne Sekunde. Er denkt bestimmt, dass ich mich an seinen Hals werfe. Seine Lippen sind leicht geöffnet, er leckt über seine Unterlippe. Idiot. Langsam nähere ich mich seinem Gesicht und sehe, wie er langsam seine Augen schließt. Perfekt, du Trottel. Gleich komme ich an meinem Ziel an: Cans Ohr. "Gewonnen", flüstere ich in sein Ohr und kneife in seinen Bauch, der sehr hart ist, wegen des Trainings. Seine Augen weiten sich, nachdem er realisiert hat, dass ich ihn verarscht habe. "Dachtest du wirklich, dass ich dich küssen würde?" Nun fange ich an zu lachen, dabei schließe ich amüsiert die Augen. Plötzlich werde ich von einem wütenden Can an die Wand gedrückt. Huch, da ist jemand sauer. "Sei doch nicht sauer. In Berlin gibt es viele schöne Mädchen, die dir diesen Wunsch erfüllen können. Leider sind diese Mädchen nicht ich, aber ich hoffe, dass das kein allzu großes Problem für dich sein wird", sage ich provokativ lächelnd und zwinkere. Danach drücke ich ihn weg von mir und laufe endlich aus dieser Gasse raus. Zum Glück hat uns keiner gesehen.

ArroganzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt