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-Rose's Sicht-
"Lady?" Meine Stimme zweifelt daran, was ich sehe. Lady liegt neben mir im Gras, welches übersähet ist mit Gänseblumen. Sie hat nichts an und schläft seelenruhig vor sich hin. Vorsichtig öffnet sie nun ihre Augen. Ihre wunderschönen großen blauen Augen, die sie aussehen lassen, wie eine kleine zerbrechliche Porzellanpuppe. "Rose." Auf ihren blassen Lippen erscheint ein zuckersüßes Lächeln. Ich will sie in meine Arme nehmen, doch als meine Hand über ihre Haut streift entstehen dort blaue und lila Flecken, die sie schmerzvoll zum Wimmern bringen. Ich zucke mit der Hand zurück. "I-Ich wollte dir nicht wehtun ..." schluchze ich. Wieso passiert das? Sie weint bitterlich. "Umarm mich, Rose." Ihre kleinen Händen strecken sich nach mir aus, aber ich weiche zurück. "Nein, sonst tue ich dir wieder weh." Ich will ihr nicht wehtun. Niemand soll ihr wehtun. Sie ist so klein und wehrlos. Das hat sie nicht verdient!
Mit nassem Gesicht wache ich auf. Was für ein qualvoller Traum. Jetzt weiß ich, wie Lady sich immer fühlt, wenn sie einen Albtraum hatte. Lady ... Wo bist du nur, mein kleines zerbrechliches Mädchen, meine Lolita? Ich versuche den Gedanken an sie kurz zu verdrängen und aufzustehen, doch das klappt nicht. Alles hier erinnert mich an sie. Das Bett, in dem sie sonst immer in meinen Armen einschläft. Das Bücherregal, dass sie zu dem Menschen gemacht hat, der sie heute ist. Und das Bild ihrer Mutter, die ihr gleiches Lächeln und die selben unschuldigen Augen trägt. Ich wische meine Tränen weg und gehe in die Küche. Etwas zu Essen mache ich mir nicht, denn ich habe keinen Appetit. Dafür kippe ich aber Juliet ihr übliches Futter in ihren Napf und rufe sie beim Namen. Sie kommt schwer tapsend zu mir gelaufen und schaut ihr Futter ausdruckslos an. Sogar sie hat kein Hunger. Wir beide können wohl einfach nicht, ohne dass Lady wie eine Vierjährige anfängt zu lachen, weil Juliet vor Hunger maunzt, wobei ich ihr nachmache, und fröhlich das Frühstück macht. Ich will sie zurück haben. Falls sie wirklich jemand entführt haben sollte, dann werde ich dieser Person jeden einzelnen Knochen zertrümmern. Unbewusst balle ich meine Fäuste, sodass die Knochen weiß hervorragen. Juliet beobachtet mich dabei und streift dann maunzend meine Beine. Ich nehme sie hoch und kuschle mich mit ihr auf die Couch. Wenigstens bin ich nicht ganz alleine. Und zur Arbeit kann ich heute sowieso nicht. Es ist zu viel passiert, so kann ich mich nicht konzentrieren ...

-Ladys Sicht-
"Ich gehe zur Schule, benimm dich in der Zeit." sagt sie streng, während sie sich ein rotes Tanktop über den Kopf zieht. "Du nimmst mich nicht mit?..." Meine Stimme versagt vom Weinen. Ich kann einfach nicht aufhören. "Natürlich nicht. Sonst nimmt dich mir noch jemand weg und das wollen wir ja nicht, stimmt's mein Püppchen?" gickelt sie schrecklich und küsst mich flüchtig. "Du meinst wohl, du willst das nicht ..." korrigiere ich sie. Ich würde gerade am liebsten aus dem Fenster springen. "Falsche Antwort." Sie zwickt mich fest in die Hüfte, worauf ich quieke und mir noch mehr Tränen übers Gesicht huschen. "Ich muss jetzt los, also bis später." Mit diesen Worten schnappt sie ihren Rucksack, schlüpft in ihre Schuhe und verschwindet aus der Tür. Sie schließt zwei Mal ab und dann höre ich sie nur noch die Treppen runtergehen. Das ist meine Chance, ich muss hier weg! Zuerst ziehe ich mich wieder an und durchsuche dann die ganze Wohnung nach einem Zweitschlüssel oder Ähnlichem, doch nichts. Die Zeit vergeht schneller, als es mir lieb ist und mir graut es, wenn ich daran denke, dass Grace bald zurück kommt. Ich hasse sie. Ich hasse sie abgrundtief. Ich habe die Hoffnung schon längst aufgegeben, als mir ein Kleiderbügel aus Draht ins Auge fällt. Ich befinde mich zwar nicht bei Sherlock Holmes, doch trotzdem ist es ein Versuch wert. Also verbiege ich den Draht und versuche damit die Tür zu knacken. Ich schraube bestimmt eine halbe Stunde am Schloss herum, als es plötzlich 'Klick' macht und die Tür sich öffnet. Ich hab es geschafft! Ich kann zurück zu Rose! Mit rasenden Schritten stolpere ich die Treppen hinunter. Für einen Moment habe ich wieder Hoffnung, bis ich in jemanden rein renne und auf den Boden falle. Ich schaue hoch und sehe Grace's, mit Zorn erfüllten, braunen Augen. "I-Ich ..." kommt stotternd aus mir heraus. Sie packt mich am Haarschopf und zieht mich wieder auf die Beine. Ich schreie vor Schmerz laut auf, als sie mir mit ihrem Knie in den Bauch tritt. "Du wolltest also abhauen?!" Sie ist nicht wütend. Sie ist vollkommen außer sich. Immer noch mit der Hand in meinen Haaren, zieht sie mich die Treppen runter. Wir gelangen in einen steinernen Keller, der nur mit einer kleinen flackernden Lampe beleuchtet ist. Nirgendwo sind Fenster zu sehen. Mit voller Kraft wirft sie mich auf den harten und kalten Boden. Als würde das nicht schon genug schmerzen, tritt sie auf mich ein. Es tut so weh! Ein paar Mal höre ich sogar meine Knochen knacken, doch sie ignoriert es. Ich schaue bettelnd zu ihr hoch. "Bitte hör auf!" heule ich. "Schau mich nicht so an!" schreit sie und tritt fester zu. Diesmal trifft sie unbewusst mein Gesicht und selbst sie schreckt zurück. Anscheinend wollte sie mich dort gar nicht treffen. Aus meiner Nase spritzt Blut, das sich nun überall auf dem grauen Boden verteilt. Grace schaut mich erschreckt an, als wäre es meine Schuld, dass ich blute und rennt dann schnell die Treppen hoch. Ich sehe ihr noch hinterher, doch dann wird mir Schwarz vor Augen.

Too young for you [GxG]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt