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-Ladys Sicht-
Ich lehne mich schweratmend an die Wand im Treppenhaus. Theoretisch könnte ich mit dem Fahrstuhl nach oben fahren, doch ich habe eine Phobie vor diesen engen Teilen. Wieso spielt mein Kreislauf auch wieder so verrückt?! Es lief so gut und jetzt kommt es plötzlich wieder zurück. Mit zusammen gebissenen Zähnen steige ich die Treppen hinauf. Rose musste auch unbedingt in einem der höchsten Stockwerke wohnen. Aber naja, ich krieg das hin! Ich drücke mich Stufe für Stufe am Geländer hoch, bis ich kurz vor unserem Stockwerk zusammen breche. Ein dumpfes Geräusch hallt durch das Haus. Was soll das, warum bin ich nur so schwach?! Ich bekomme es nicht mal auf die Reihe richtig nachhause zu kommen. Ich krümme mich auf der Treppe zusammen und weine in meine Jeanshose. Ich höre, wie eine der Haustüren aufgeht. Schnell wische ich mir die Tränen aus dem Gesicht. Kurz darauf erblicke ich Viviennes liebenswertes Gesicht. "Was machst du denn da, Engelchen?" fragt sie verwundert und kommt runter auf meine Stufe. "Nichts, es ist nur mein Kreislauf. Der ärgert mich manchmal." antworte ich und setze ein Lächeln auf, um die vorher gefallenen Tränen unsichtbar zu machen. "Menschenskind, überanstrenge dich doch nicht! Jetzt komm erstmal mit. Ich mache dir eine schöne warme Tasse Tee." Sie nimmt meine Hand und zieht mich hoch. Mit wackeligen Beinen bringt sie mich in die Wohnung von ihr, Jean und Milena. Ich setze mich an den Küchentisch, während Vivienne den Tee zubereitet. Die beiden anderen sind nicht da, daher ist es sehr still. Man hört nur den Wasserkocher und das Kratzen von dem dürren schwarz-weiß gefleckten Kater. Ich glaube, dass Juliet sich überhaupt nicht mit ihm verstehen könnte. Juliet ist eine hoch gepflegte Perserkatze, während dieser Kater aussieht, als hätte man ihn auf der Straße gefunden. Vivienne bemerkt, wie ich den schlanken Vierbeiner dabei beobachte, wie er seinen Kratzbaum zerfleischt. "Das ist Charls. Ich hatte ihn als Babykatze auf der Straße gefunden. Armes Ding, wurde einfach ausgesetzt." erzählt mir die weißblonde Frau. Bin ich gut oder bin ich gut? Sie reicht mir die Tasse Tee und setzt sich neben mich. Ich nippe vorsichtig an dem heißen Porzellan, als sie mich etwas fragt. "Ihr habt gelogen, nicht wahr?" Ich verschlucke mich, worauf mir Vivienne helfend auf den Rücken klopft. "Komm, sei ehrlich. Ich sehe doch, wenn sich zwei Menschen gern haben." kichert sie und lächelt mich an. "Ja gut, wir sind zusammen ... Aber sagen Sie bitte nichts ihren Mann! Ich hab Rose's Job schon so oft aufs Spiel gesetzt ..." Mit einem Mal lasten schwere Schuldgefühle auf mir. Wie oft Rose wohl schon wegen mir lügen musste? "Keine Sorge, hätte ich sowieso nicht. Erzähl, wie seid ihr zusammen gekommen?" Ihre Frage lässt mich verlegen werden. Kann sie bitte aufhören meine Gefühle zu durchwühlen und alles durch die Gegend zu schmeißen, was ich so gut vertuscht habe? "Es fing alles auf einer Party an. Ich könnte jetzt dramatisch sein und ungefähr so anfangen, dass wir uns sahen und wir sofort wussten, dass wir uns lieben, doch ich glaube, so war es nicht." lache ich und aus irgendeinem Grund bilden sich schon Tränen in meinen Augen. "Ich war betrunken und hatte Rose nur durch Zufall gesehen ... Sie hatte auf ihren besten Freund aufgepasst. Irgendwie hatten mich ihre dunklen Augen inspiriert, obwohl sie eigentlich total gruselig waren. Ich wollte wissen, was hinter ihnen steckt ... Und da ich nicht gerade auf der Höhe war, hab ich sie einfach geküsst." Es ist schön, daran zurück zu denken. "Und weiter?" will Vivienne wissen. "Am nächsten Morgen sind wir beide komplett nackt aufgewacht und ich hatte keine Ahnung mehr, was überhaupt passiert war. Ich dachte wir hätten miteinander geschlafen, hatten wir aber nicht. Danach bin ich einfach abgehauen und schon am nächsten Tag sah ich sie wieder. Sie war meine Praktikums Chefin im Krankenhaus. Natürlich war sie mega sauer auf mich, aber ich wollte sie nicht gehen lassen. Sie war praktisch das einzigste, was mir in meinem jämmerlichen Leben Halt gab. Sie gab mir das Gefühl geliebt zu werden ... Durch sie habe ich aufgehört zu rauchen und zu trinken. Man könnte schon fast sagen, dass sie mir das Leben gerettet hat. Klingt vielleicht übertrieben, doch ich glaube, so kann man es gut beschreiben." Die erste Träne bahnt sich ihren Weg über mein blasses Gesicht. "Warum erzähle ich das Ihnen überhaupt?" schluchze ich. Vivienne streicht meine Träne weg. "Lass alles raus. Ich habe gehört, dass du noch vor kurzer Zeit lange im Krankenhaus lagst. Was war passiert?" Sie trifft einen sehr tiefen und wunden Punkt. "Ich ... Ich hatte Mist gebaut. Ich hatte einem Mädchen vertraut, von der ich anfangs nicht wusste, dass sie im Inneren eine Hexe ist. Erst als ich es wirklich merkte, war es schon zu spät und ich war zu schwach um mich zu wehren ..." Ich war so verdammt schwach. Eigentlich sollte ich mir dafür selbst eine klatschen. "Es kam sogar so weit, dass sie mich bei ihr Zuhause einsperrte, mich schlug, missbrauchte ... Ich hab ihr blödes Püppchen gespielt ... Nichts weiter, als ein wertloses Stück Dreck, an dem sie ihre Wut auslassen konnte ..." Jetzt kann ich nichts mehr zurück halten. Mir läuft eine bittere Träne nach der anderen über meine Wangen. Ich kann nicht mehr und lasse mich einfach still und weinend von Vivienne umarmen. "Engelchen, weißt du eigentlich, wie stark du bist? Du hast schon so viel durchgemacht und alles überlebt. Weil du stark bist. Du kannst stolz auf dich sein, glaub mir."

Too young for you [GxG]Where stories live. Discover now