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Seufzend schlug ich meine Augen auf und drückte auf die Schlummertaste, um dieses elende Geräusch ein Ende zu bereiten.
Wie gewohnt zog ich mich an, frühstückte schnell, machte mich im Bad fertig und ging wieder in den Flur.
"Tyler? Wo bleibst du denn?", schrie ich durch das Haus und tribbelte ungeduldig mit meinem Fuß.
"Würdest du mal deinen Führerschein machen, dann müsstest du nicht auf mich warten, Schwesterherz", entgegnete er und zog sich seine Sneaker an.
"Dann würde ich aber die interessanten Gespräche zwischen uns vermissen", grinste ich und kniff ihm in die Wange.
Seufzend öffnete er die Tür und ging zu seinem geliebten Auto, gefolgt von mir.
Wir stiegen beide ein und fuhren los.
"Hey, was soll das?", fuhr mich Tyler an und schlug meine Hand vom Radio weg.
"Deine Musik, wie du sie nennst, schmerzt wirklich in den Ohren, also sei vernünftig und schalte sie aus", rollte ich genervt meine Augen und sah ich schließlich von der Seite an.
"Finger weg! Wenn du dein eigenes Auto hast, dann darf du gerne deine Boyband-Playlist rauf und runter spielen, Schwesterchen", zwinkerte er mir kurz zu, richtete aber seine Aufmerksamkeit gleich wieder auf die Straße.
"Das ist nicht mal dein Auto, Tyler. Sondern das von Dad", lachte ich auf und verschränkte meine Arme vor der Brust.
"Aber ich habe den Lenker in den Händen und somit bin ich Herr über das Radio", entgegnete er selbstgefällig und lehnte sich ein Stück zurück.
"Und das sagt wer?", fragte ich ihn und hob meine Augenbraue, während ich gespannt auf seine Antwort wartete.
"Ich, außerdem bin ich älter als du", wendete er ein.
Als ob das ein Argument wäre!
"Dir ist schon klar, dass mir das egal ist, oder?", lächelte ich ihn provokant an.
"Wieso bist du eigentlich so temperamentvoll, von wem hast Du das?", lachte er sarkastisch auf.
Eigentlich hatte ich mich das selbst schon so oft gefragt. Ich meine, wieso bin ich manchmal so anders, als meine Familie, warum fühlte ich mich manchmal so fremd?
Aber diese Fragen sind wirklich schwachsinnig, weil meine Mom meine Mom ist und mein Dad mein Dad eben.
Seufzend ließ ich mich tiefer in den Sessel sinken und starrte aus dem Fenster.

~

"Hi, Joe!", lächelte ich meine neue Freundin an und nahm sie in den Arm.
"Hey, wer ist der hübsche Junge von dem du gebracht worden bist?", begrüßte sie mich zuerst, bevor sie mir gleich ihre Frage stellte und mit den Augenbrauen wackelte.
"Mein älterer Bruder", schmunzelte ich und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
"Ohu, dann ist das Thema ja tabu", murmelte sie grinsend und kratze sich unschlüssig am Hinterkopf.
"Wir kennen uns gerade einmal einen Tag und du hast es schon auf meinen Bruder abgesehen?", lächelte ich und schlenderte in Richtung Schulgebäude.
"Nein! Das würde ich nie tun!", schrie sie erschrocken auf und riss ihre Augen weit auf.
"Das war doch nur ein Scherz, Joe!", verkniff ich mir ein Lachen und schubste sie an der Seite an.
"Du bist wirklich unmöglich", lachte sie auf und ging zu ihrem Spind.
"Was hast du jetzt?", fragte ich schnell weiter und schaute auf den Stundenplan, der an der Innenseite des Spindes hang.
"Vier Stunden Biologie", seufzte sie auf und schlug die Tür schwungvoll zu.
"Sieh's positiv, wir haben die letzten zwei Stunden Sport und das gemeinsam", zwinkerte ich ihr zu und lächelte.
"Wenigstens etwas hat der Tag mit sich gebracht", lachte sie auf und ich stieg mit ein.
Doch unsere gute Laune wurde sofort von der Schulklingel, die zur ersten Stunden gongte, unterbrochen.
Ich seufzte auf und drückte Joe noch einmal, dann verschwand auch ich zu meiner ersten Stunde und das hieß: Mathe.

~

"Das ist mein Spind ...", erklärte ich Joe und zeigte auf den blauen Metallkasten.
"Und der da drüben ist deiner." Verwirrte blickte sie zuerst auf ihren Sportspind, dann wieder zu mir.
"Wieso kann ich mir nicht einfach einen aussuchen? Zum Beispiel den neben dir?", fragte sie unbegreiflich.
"Weil wir am Anfang des Schuljahres uns unsere Spind, zumindest in Sport, aussuchen durften ...", grinste ich sie an und öffnete die blaue Metalltür.
"Aber da bin ich noch nicht da gewesen!", rief sie dazwischen und warf ihre Arme in die Luft.
"Das ist eben der einzig Freie", schmunzelte ich und zuckte mit den Schultern, während ich meine Jacke in den Spind hang.
"Und wenn ich einfach den Anderen neben dir nehme?", seufzte sie auf.
"Der ist auch schon besetzt", lächelte ich sie traurig an, da ich wirklich Mitleid mit ihr hatte.
"Und wem soll der gehören?", schnaubte sie verächtlich und rollte ihre Augen.
"Mir, also verschwinde von hier, Neue", gab eine weibliche hochnäsig Stimme ihr die Antwort.
Ich drehte meinen Kopf um 90 Grad und sah in das Gesicht von Claire. Sofort entging mir ein Seufzer, den ich nicht unterdrückte, sodass sie ihn hören konnte und mich mit ihren wütenden Blicken durchbohrte.
"Ist das deine Freundin, Sirina? Ach stimmt ja, du hast gar keine!", lächelt sie zufrieden und ihre Anhängerinnen kicherten.
Gerade als ich einen genauso giftigen Spruch zurück geben wollte, meldete sich Joe: "Also erstens, die Neue hat einen Namen, nämlich Joe, aber für euch Josephine und zweitens würde ich an deiner Stelle die Klappe nicht so weit aufreißen und dir mal echte Freunde suchen."
Verdutzt schaute ich zu meiner Freundin, die Claires wütenden Blick stand hielt, dann warf sie ihre Haare nach hinten und ging.
"Jetzt hasst sie dich auch", grinste ich Joe an, die zurück lächelte.
"Ach, damit kann ich leben! Wir wären ja eh keine besten Freundinnen geworden", zwinkerte sie mir zu, sodass ich auflachte.
"So wie es scheint, ist dieser Spind gerade frei geworden", stubste ich sie an der Seite an und lächelte.
"Ja, da hab' ich auch so ein Gefühl", schmunzelte sie und öffnete die Spindtür.

PainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt