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Mit einem schnellen Tempo lief ich den Waldweg entlang und atmete die frische Luft ein.
Ich hatte mich extra beeilt früher bei den Blacks zu sein, damit ich Scàth nochmal kurz besuchen konnte.
Ich hatte ihn in den letzten Wochen viel zu kurz kommen lassen. Er fehlte mir etwas, außerdem war er ein richtig guter Zuhörer.
Ich blieb an unserem Platz stehen und sah mich um.
"Scàth?", flüsterte ich in den Wald hinein und sah mich etwas genauer um.
Es brauchte nur ein paar Minuten, da trottete der schwarze Wolf auf mich zu und rieb seinen Kopf an meiner Hand.
Lächelnd strich ich über sein dunklen Pelz zur Begrüßung.
"Hey, mein Kleiner", wisperte ich und Scàth sah mich hechelnd an. "Tut mir leid, dass ich dich so vernachlässigt habe, aber jetzt wollte ich dich kurz wieder sehen."
Scàth schien nichtmal traurig zu sein, stattdessen wirkte er froh, dass ich wieder da war.
"Ich bin auf dem Weg zu Adrien, der jetzt mein Freund ist", gab ich ihm ein Update und grinste. "Ich lerne seine Familie kennen, ich bin wirklich aufgeregt, weißt du."
Scàth leckte seine Schnauze ab und setzte sich vor mich. Sanft kraulte ich ihn am Ohr.
"Deswegen muss ich jetzt wieder gehen, aber es war schön dich wieder gesehen zu haben."
Jetzt schien der Wolf traurig zu sein, aber nach ein paar Sekunden hechelte er wieder fröhlich, ließ sich von mir das letzte mal streicheln und lief davon.
Tief atmete ich aus und machte mich weiter auf den Weg zur Villa.
Ja, ich weiß, zur Zeit schienen meine Gefühle nur aus Aufregung und Nervosität zu bestehen, aber die letzte Woche war einfach nervenaufreibend.
Angespannt richtete ich mir meine Haare, stieg die paar Stufen hinauf und klingelte.
Ein paar Momente später öffnete mir Adrien aufmunternd die Tür und fuhr sich durch sein Haar.
"Hey, Fremde", begrüßte er mich und küsste mich.
Stromschläge fuhren durch meinen Körper, die sich in eine Hitze umwandelte.
"Hey", krächzte ich und räusperte mich. Die Aufregung stand mir wohl ziemlich ins Gesicht geschrieben.
Dankend nahm er mir meinen Mantel ab.
Er sah wieder einmal verdammt gut aus, obwohl er nur eine einfache schwarze Jeans und ein weißes Hemd trug, dass sich über sein breites Kreuz spannte und fasst jede seiner Muskeln abformte.
"Komm", raunte er mir ins Ohr und legte seine Hand auf meinen unteren Rücken.
Nervös setzte ich einen Fuß vor den anderen.
Ich hatte nicht Angst seine Familie zu sehen, denn das hatte ich ja bereits. Ich hatte eher Angst, etwas falsches zu sagen. Ich wollte einfach, dass alles perfekt verlaufen würde.
Wir traten in die Küche und alle Köpfe schossen zu mir.
"Sirina!", begrüßte mich Adriens Mutter mit offenen Armen und hörte auf in einem riesigen Topf zu rühren. Ein paar Sekunden später drückte sie mich liebevoll, sodass ich auflächelte. "Es ist so schön dich wiederzusehen!"
"Gleichfalls", murmelte ich schüchtern und ließ sie los.
"Willkommen", lächelte mir Adriens Vater zu und gab mir die Hand.
"Danke für die Einladung!"
Als Adriens Vater mich begrüßte, richtete er sich automatisch etwas auf.
Liam rannte auf mich zu und schloss seine kleinen Arme um meine Beine.
Schmunzelnd senkte ich mich zu ihm runter und umarmte ihn.
"Endlich kommst du mich besuchen!", grinste er und strahlte wie ein Sonnenschein.
Ein Lachen ging durch die Familie, genauso wie von mir.
"Hab' ich dir doch versprochen!", flüsterte ich und zwinkerte ihm zu.
Als ich mich wieder aufrichtete, legte Adrien mir den Arm um die Taille und zog mich eng zu sich.
Aiden nickte mit zusammengepressten Lippen und murmelte mir ein 'Hey' zu, dass ich erwiderte.
Es war irgendwie anders ihn zu sehen, denn er schien so ruhig im Gegensatz zu den Erzählungen, die Adrien mit mir geteilt hatte.
Adriens Arm war so fest umschlossen, dass ich mich nicht einmal bewegen konnte - Das war seltsam, denn so verhielt er sich normalerweise nie.
Kurz warf ich ihm einen Seitenblick zu. Er presste seinen Kiefer so fest zusammen, dass er angespannt aussah.
Ich erkannte Eifersucht. Das war seltsam,  immerhin interessierte ich mich nur allein für ihn. Ich bin seine Freundin, und nicht auf der Suche nach jemanden anderen.
Ich stieß ihm mit dem Ellenbogen an und lächelte. Er sollte sich entspannen.
"Wie du siehst, hatten wir nicht ganz so früh mit dir gerechnet und sind gerade erst dabei zu decken", kommentierte Adriens Mutter und sah mich freundlich an.
"Tut mir leid, ich wollte unbedingt pünktlich kommen", meinte ich und biss mir verlegen auf die Lippen.
Adriens Eltern lachten auf und warfen sich einen bedeutenden Blick zu.
"Kann ich irgendwie helfen?", fragte ich stattdessen und sah auf den halbgedeckten Tisch.
"Du bist doch unser Gast!"
"Ach, bitte! Ich helfe wirklich gerne", meinte ich mit einer abwinkenden Handbewegung.
"Nun ja, dann könntest du das Besteck aus der obersten Schublade rechts holen."
Ich nickte zufrieden und lief um die Kücheninsel herum.
"Adrien, Schatz, holst du noch die großen Teller?", fragte seine Mutter ihn, aber es war mehr eine Aufforderung.
"Natürlich", lächelte er und trat neben mich.
Langsam nahm ich das Besteck in die Hand und drehte mich wieder um, damit ich es ins Esszimmer tragen konnte, doch Adrien stand hinter mir und streckte sich nach oben.
Sein Hemd rutschte ein Stück hoch und entblößte etwas nackte Haut, die ich wie gebannt anschaute. Selbst bei dieser kleinen Partie erkannte ich seinen gut gebauten Körper.
Ein Kribbeln setzte automatisch auf meiner Haut ein.
Er holte die Teller und sah mich zwinkernd an.
Ich vermutete, gleich rot zu werden und flüchtete in den Essbereich.
Adrien blieb hinter mir stehen und ich drehte mich zu ihm um. Sein Blick war mysteriös, was mich neugierig machte.
Er strich mir sanft eine Strähne aus dem Gesicht und berührte meine Wange.
Mein Herz pochte nicht nur wegen meiner Aufregung schneller.
Wären wie gerade nicht beim Kennen lernen, könnte ich ihm vermutlich nicht mehr widerstehen. Ich merkte, wie meine Hand sich hob, doch Adriens Mutter rief ihn wieder zu sich.
Ich presste die Lippen zusammen und widmete mich wieder dem Besteck.
Adrien nahm sich Zeit mich weiterhin zu beobachten, doch schließlich half er seiner Mutter.
Es dauerte nur noch ein paar Minuten, dann nahmen wie alle an den edlen Holztisch platz und begannen zu essen. Man merkte, wie gespannt Adriens Eltern darauf waren, mich kennen zu lernen.
Ich schob mir die Gabel in den Mund und kaute auf dem Stück Fleisch herum.
Eins musste man Adriens Mutter lassen, kochen konnte sie aufjedenfall.
"Das schmeckt wirklich köstlich", lächelte ich und sah die Frau an, welche mir schräg gegenüber saß.
"Vielen Dank", meinte sie und machte eine abwinkende Handbewegung. "Viel Zeit und Liebe ist das Geheimnis!"
Ich nickte und kaute bereits auf dem nächsten Stück herum.
"Also", begann Adriens Mutter. "Erzählt mal, wie habt ihr euch kennen gelernt?"
Kurz schaute ich zu meiner rechten und Adrien grinste mich an.
Ich wusste, dass sie unsere erste Begegnung meinte, die, als er mich vor meinem Spind angesprochen hatte, doch, was er vermutlich verdrängt hatte, entdeckte er much auf den Sportplatz. Die Erinnerung an diese besonders schimmerndes Augen tauchte vor meinem Inneren auf.
Ich sah wieder zu Mrs Black rüber und begann zu erzählen: "Um ehrlich zu sein, hat mich Adrien vor meinem Spind angesprochen und mit mir über unseren gemeinsamen Kurs geredet. Seitdem haben wir immer mal wieder das Gespräch zueinander gefunden."
Adrien ergriff sanft meine Hand und drückte diese leicht.
Eine Welle der Wärme überrollte mich und ich lächelte ihn an.
"Das klingt vielleicht nicht allzu spannend und romantisch, aber es war im Endeffekt genau richtig."
Beide Elternteile nickten.
"Bei uns war es nicht anders. Wir waren Nachbarn und eins führte zum anderen", erzählte Mrs Black lachend.
"Was möchtest du nach der Schule machen, Sirina?"
Die Stimme von Mr Black war ruhig und interessiert.
"Wie Sie wissen, arbeite ich zur Zeit im Kindergarten. Die Zeit dort macht mir so viel Spaß, dass ich überlegt hatte, Lehramt zu studieren."
Meine Antwort klang plausibel und war zu einhundert Prozent wahr.
Adriens Eltern warfen sich einen Blick zu und lächelten zufrieden.
Meine Nervosität sank etwas.
"Darf ich nach deiner Familie fragen?"
Mrs Black sah zu mir rüber.
"Sicher", meinte ich und begann zu erzählen. "Ich habe einen älteren Bruder, Tyler. Er ist 20 und geht bereits auf das College."
Beide nickte interessiert und ich fuhr fort.
"Ansonsten gibt es nur noch meine Eltern, Steve und Gloria."
Stirnrunzelnd sah sie mich an.
"Was ist mit weiteren Verwandten?"
"Mom."
Adriens Stimme hallte durch den Bereich und ich zuckte zusammen.
"Tut mir leid", schluckte sie. "Ich bin einfach neugierig."
"Schon in Ordnung", murmelte ich und sah Adrien fragend an. "Meine einen Großeltern sind bereits gestorben und zu den anderen haben wir eher gemäßigten Kontakt. Weiter Verwandte habe ich leider nicht. Zumindest weiß ich nichts davon."
Sie nickte langsam.
Kurz sah ich Adrien an, aber er beobachtete nur seine Mutter. Ich wusste nicht, was ihn so launisch machte, denn sein Blick sagte mehr als tausend Worte.
"Es ist nur", begann Mrs Black. "Ich hatte einfach angenommen, dass du aus einer großen Familie kommst, so wie -"
"Mom", fuhr Adrien sie an und presste die Lippen zusammen.
Wut sprühte von seinem Körper aus.
So wie Claire, beendet ich den Satz und seufzte innerlich.
Natürlich verglichen sie mich mit Claire, sie ist immerhin die letzt Freundin gewesen und dazu noch eine perfekte Kandidatin als Schwiegertochter.
Stille kehrte ein, doch keiner sagte auch nur einen Ton.
"Sie haben wohl eine?", fragte ich stattdessen und brach damit die Ruhe.
Mrs Black lächelte auf und nickte.
"Alleine ich habe schon sechs Geschwister und James fünf."
Erstaunt nickte ich.
"Das sind dann wohl viele Geburtstage, die sie sich da merken müssen", meinte ich und alle lachten auf.
Zufrieden lächelte ich und aß weiter.
"Ja, es gibt fast keine Woche ohne eine Familienfeier", schmunzelte Mr Black.
"Wünscht du dir denn eine große Familie?"
Kurz überlegte ich. "Sicher. Ich meine, Kinder bereichern das Leben, aber ab sechs wird das dann doch viel Arbeit auf einmal."
Mrs Black lachte. "Einfach war es sicherlich nicht mit drei Brüdern und zwei Schwestern."
"Was ist mit Heiraten?"
Die Blicke waren wieder auf mich gerichtet, doch ich spürte Adriens besonders auf mir.
Natürlich hatten wir in unser Jungen Beziehung noch kein Wort über dieses Thema verloren, doch es schien ihm anscheinend wichtig zu sein.
Ich schluckte schnell und räusperte mich.
"Ich will unbedingt heiraten, ja", murmelte ich, aber rümpfte die Nase. "Nur noch nicht jetzt. Ich bin gerade einmal 17 und habe noch mein ganzes Leben vor mir."
Adrien nickte verständnisvoll und legte das Besteck ab.
"Ich hole mir noch etwas Wasser, willst du auch?", fragte er mich und nickte dankend. Beim Vorbeilaufen drückte er mir einen federleichten Kuss auf den Hinterkopf.
Vor Scharm stieg mir die Röte ins Gesicht. Ich wollte auf jeden Fall einen guten Eindruck hinterlassen, doch, dass Adrien mir vor seiner Familie einen Kuss gab, brachte mich aus dem Konzept. Gleichzeitig fand uch es wirklich süß, dass er zeigte, dass wir zusammen gehörten.
"Und wie sieht es aus mit umziehen und hier leben?", fragte Mrs Black und aß ihr Gemüse.
"Ich ... ähm ...", überlegte ich.
Um ehrlich zu sein hatte ich mir noch nie so viele Gedanken um meine Zukunft gemacht. Ich wusste gerade einmal, was ich später machen möcht, was für mich schon eine Menge war.
"Naja", erläuterte sie weiter. "Unsere und auch deine ganze Familie leben nunmal hier und es wäre doch etwas schade alle zu verlassen, oder nicht?"
Ich schluckte und strich mir nervös eine Haarsträhne hinter mein Ohr.
Es war nicht so, dass mich Mrs Black verunsicherte, aber es klang einfach so, als ob sie nur einer Antwort akzeptieren würden: Die, dass ich hierbleibe.
Hilfesuchend sah ich zu Adrien.
"Mom, bitte", entgegnete er vorwurfsvoll.
"Es wäre doch nur von Vorteil. Stellt euch vor, wie sehr wir euch in jeglichen Bereichen unter die Arme greifen könnten. Bei Kindern zum Beispiel", erklärte sie sich.
Ich riss die Augen auf.
Ich war 17 Jahre alt, und ging gerade mal in die vorletzte Klasse - und Adriens Mom erwähnte bereits Kinder?
Ob es immer bei ihnen so zu ging, wenn einer von ihren Söhnen ein Mädchen nach Hause brachte?
Klar, sie wollten mehr über mich erfahren, aber es war fast so, als würden sie Adriens und meine Beziehung dir Erfahrungen geben, die sie noch nicht hatten.
"Mom", half mir Adrien erneut und sah seine Mutter ernst an. "Vielleicht sollten wir die Fragerunde etwas einstellen. Sirina hat noch nichtmal etwas gegessen."
Ich presste die Lippen zusammen und sah auf den Teller.
Mir war diese Situation mehr als unangenehm. Ich wollte keine Differenzen zwischen ihnen auslösen.
"Natürlich", murmelte sie und verstummte.
Unsicher sah ich kurz zu ihr rüber, dann zu ihrem Mann, der ebenfalls den Blick gesenkt hatte.
Adrien sah mich entschuldigend an. Ich wusste, dass es nichts dafür konnte.
Schnell entschuldigte ich mich und lief ins Badezimmer.
Mit dem Rücken drückte ich mich gegen die Tür und atmete aus.
Adriens Familie war wundervoll, und doch anstrengend.
Ich fragte mich, ob das nur an der aktuellen Situation lag, oder vermutlich doch an dem Aspekt, dass sie mich direkt und indirekt ständig mit Claire verglichen.
Kurz kühlte ich mein Gesicht mit kaltem Wasser, dann strich ich mein Kleid glatt und lief zurück zum Essbereich, doch ich hörte bereits im Gang eine Diskussion zwischen Adrien uns seine Eltern. Sie versuchten gedämpft zu sprechen, aber ich konnte trotzdem jeden Wort verstehen. Abrupt blieb ich stehen.
"Ihr könnt doch Sirina nicht allen Ernstes mit ihr vergleichen", seufzte Adrien.
Ihr? Claire.
"Adrien, du musst verstehen, dass wir uns um deine Zukunft sorgen", erklärte sein Vater eindringlich. "Wir wollen nur das Beste für dich."
"Deswegen müsst ihr sie aber nicht unter Druck setzen! Sie ist 17 und uch erst 19. Unsere Beziehung geht gerade einmal eine ganze Wochen, und nicht fünf Jahre!"
Adriens Stimme klang wütend und aufgebracht.
In meinem Magen drehte sich der Inhalt um.
Ich wollte nicht, dass sie sich wegen mir stritten.
"Wir wollen doch nur wissen, wer sie ist, und wie sie sich bei uns integrieren würde", erklärte Adriens Vater.
"Es ist aber mein Leben und meine eigene Beziehung", fuhr Adrien sie erneut an. "Ich möchte sie richtig kennen lernen, und sie soll das auch bei mir tun. Nur, weil es bei den Meisten so ist, dass sie sich blind in die Liebe stürzen, muss ich das nicht auch tun, oder? Ich will, dass sich etwas zwischen uns echtes aufbaut, und nicht wegen dieser bescheuerten Bindung!"
Ich schluckte und runzelte die Stirn.
Was für eine Bindung?
"Ich möchte, dass alles perfekt wird, erst dann kann ich ihr alles erzählen. Ihr seht doch selber, dass sie anders ist und ich möchte sie nicht mit allem überfallen, sie ist noch nicht so weit", fügte er hinzu.
Meine Fragezeichen wurden immer größer.
Erst dann kann er mir alles erzählen? Ich bin noch nicht so weit?
Von was sprach er? Was hatte er mir noch nicht erzählt?
"Wir meinen doch nur, dass du nicht zu lange damit warten solltest. Du trittst in ein paar Jahren an meine Position und ich will nicht, dass du ohne eine Partnerin da stehen musst", erklärte Mr Black eindringlich.
"Wir sehen, wie viel sie dir jetzt schon bedeutet, und genau deshalb solltest du es ihr erzählen", fügte Mrs Black hinzu.
Mein Kopf drehte sich vor lauter Unsicherheiten.
Von was sprachen sie da?
Ich war anders? Wieso war ich anders?
Weil ich nicht wie Claire bin? Was verdammt verheimlichte Adrien vor mir?
"Ich werde ihr es erzählen", brummte Adrien schließlich. "Bald, aber noch nicht jetzt."

PainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt