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Joe blätterte ihre Notizen um und starrte wie hypnotisiert auf ihre Aufzeichnungen.
"Du packst das schon!", versicherte ich ihr zuversichtlich und drückte ihren Arm.
Nervös sah sie mich an und lächelte unsicher.
"Du hast recht, ich habe gelernt und schaffe das!", sagte sie wohl eher zu sich, anstatt zu mir.
Joe stand eine wichtige Prüfung bevor, die sie auf gar keinen Fall verhauen durfte.
"Oh Gott! Ich schaffe das nicht", zitterte sie und schlug sich die Hände vor ihr Gesicht.
Ich lächelte neben ihr, umschloss ihre Handgelenke und zog sie weg von ihrem Kopf.
"Joe, du bist nicht die Erste und auch nicht die Letzte, die diesen Test schreiben muss. Du hast geübt und packst das!", versicherte ich ihr erneut und sie nickte zustimmen.
Sie atmete tief ein und aus, dann klingelte es zur Pause.
Panisch sah sie mich an.
"Ich drück' dir die Daumen", flüsterte ich und nahm sie in den Arm.
Der Test sollte überaus pünktlich beginnen, deshalb sollten sie bereits am Anfang der Pause dort sein.
Ich sah ihr nach, wie sie mit ihren Zettel zum Raum stolzierte.
Wieder widmete ich mich meinem Spind und sortierte meine Bücher aus und ein.
Ich spürte, wie eine Person neben mich trat und ich wusste auch sofort, wer es war.
Adrien sah mich an und lehnte sich gegen die Metaltür.
"Hallo Fremde", begrüßte er mich und befeuchtete seine Lippe.
"Hallo Fremder", flüsterte ich mit einem Lächeln zurück und nahm mir meinen Geschichtsordner heraus. "Was gibt's?"
Adrien grinste mich an, mit einem mysteriösen Blick, der mein Interesse kitzelte.
"Sag nicht, du hast ein neues Auto", meinte ich sarkastisch und er lachte. "Nein, warte! Ein neues Haus", setzte ich noch einen drauf und Adrien schüttelte lächelnd den Kopf.
"Okay, aber irgendetwas neues musst du dir doch zugelegt ha-"
"Geh mit mir aus."
Perplex sah ich ihn an, als hätte ich mich verhört. "Was?"
Er grinste mich an. Er meinte es vollkommen ernst.
"Geh mit mir auf ein Date."
Sein Lächeln verschwand nicht, ganz im Gegenteil seine Mundwinkel wurden breiter, je länger Zeit verstrich.
"Bist du ... dir sicher? Ich-", begann ich, doch seine Hand umschloss meinen Oberarm und ich verstummte.
"Ich war mir noch nie sicherer gewesen", meinte er und nickte zusätzlich.
Ich atmete tief ein und aus, dann lächelte ich sanft und nickte langsam.
"Okay", wisperte ich und er biss sich glücklich auf die Unterlippe.
Gott, war er sexy ...
Er lief rückwärts von mir weg und zwinkerte mir zu.
"Wir sehen uns", murmelte er und ich lächelte.
Er war bereits außer Hörweite, da flüsterte ich wohl eher zu mir, als zu ihm: "Wir sehen uns."

~

Mit einem Dauergrinsen lief ich zu dem Platz, wo Scàth und ich uns immer trafen.
Egal, wie oft ich es auch versuchte, mein Lächeln verschwand nicht.
"Scàth?", rief ich durch den Wald und ein paar Minuten später trottete er auf mich zu, ließ sich kurz von mit kraulen und legte sich dann auf meinen Schoß.
Er hatte mir einen dieser fragenden Blicke zugeworfen. Selbst er merkte anscheinend, wie ich vor Glück strahlte.
"Okay, ich erzähl dir was passiert ist", gab ich nach, obwohl es ihm wahrscheinlich egal war, warum ich heute so beschwingt war.
"Ich habe dir doch von dem Jungen erzählt - Adrien", begann ich und Scàth hob seinen Kopf. "Ich geh mit ihm aus."
Das Tier legte seinen Kopf schräg und senkte ihn dann wieder auf meine Beine.
"Aber weißt du, was das beste ist?", fragte ich nach und fuhr ihm durch sein pechschwarzes Fell.
Als Antwort zuckte er nur mit seinem Ohr, doch ich redete weiter.
"Adrien hat einen kleinen Bruder, Liam. Ich arbeite im selben Kindergarten und du wirst nicht glauben, war Liam mir erzählt hat", flüsterte ich, doch Scàth erhob sich und setzte sich vor mich, wie ein Hund.
Ich merkte, wie interessiert er plötzlich war.
"Liam hatte gemeint, dass Adrien sich sehr häufig mit seinen Eltern über mich unterhielt."
Scàth zuckte mit der Nase, so an würde er nicken.
"Adrien würde nur gutes über mich erzählen", grinste ich. "Und weißt du, was das heißt?"
Doch der Wolf rührte sich nicht, sondern starrte mich nur abwartend an.
"Dass er mich wirklich mag und ich einen positiven Eindruck hinterlassen habe."
Ich grinste wieder, denn diese Erkenntnis konnte einen nur zum Strahlen bringen.
"Ich wusste nicht, wie ich seine anfänglichen Berührungen und Blicke deuten sollte, besonders wegen der einen Nacht im Bett ..." Ich würde immer leise und schüttelte meinen Kopf. "Naja, ist ja auch egal! Durch die Frage nach einem Date könnte er es vielleicht ernster meinen, verstehst du?"
Scàth zuckte wieder mit den Ohren und drückte seinen Kopf an meinen Arm. Automatisch kraulte ich ihn wieder, sodass er ruhiger wurde.
"Ich hatte erst Angst, dass ich vielleicht ein Zeitvertreib oder die Ablenkung von Claire bin, seiner Ex", meinte ich und der Wolf hob erneut seinen Kopf. "Um ehrlich zu sein, bin ich mir bis jetzt nicht sicher, warum er sich gerade für mich interessiert. Er könnte jede haben."
Gedankenverloren strich ich über den Pelz, als Scàth mich mit seiner Schnauze anstubste.
Lächelnd blickte ich zu ihm rüber.
Es schien so, als würde er gerne wissen, über was ich nach dachte.
"Es ist nur", begann ich und stockte.
War es nicht komisch mit einem Wolf über mein Liebesleben zu sprechen?
Andererseits wollte ich weder mit meinen Eltern, noch mit Tyler darüber reden, und Joe wollte ich gerade nicht nach dem Todd-Debakel meine Probleme aufbinden.
"Eigentlich kenne ich ihn überhaupt nicht. Klar, wir treffen uns wegen der Präsentation ab und zu, und in der Schule reden wir auch häufig, aber ..."
Ich seufzte und schlug mir die Hände vor mein Gesicht.
"Ich will einfach nicht verletzt werden, ich will keine Ablenkung sein. Ich will, dass er mich für das Gut findet, was ich bin, und nicht, weil er Claire mit mir eins reinwürgen oder er die besten Noten aus den Fächern rauholen kann."
Ich senkte meine Hände und legte sie auf meinen Schoß ab.
Scàth leckte mir mit seiner Zunge über die Wange, sodass ich auflachte.
Ich weiß, ich sollte das beste aus allem sehen, nur Adrien gefiel mir schon so gut, dass ich vorsichtkg sein musste, mich nicht in etwas reinzusteigern oder in etwas verlieren, wozu ich noch nicht einmal bereit war.
"Du hast recht", wisperte ich und umarmte den Wolf. "Wenn er mir das Herz brechen sollte, übergebe ich ihn dir."
Ich lachte und sah, wie Scàth lächelte, aber innerlich hoffte ich, dass es nie dazu kommen wird.

PainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt