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Ich schaute mich erneut um und drückte die Bücher enger an mich, die ich trug.
Es war bereits die zweite Pause, die Größere, aber Adrien hatte ich bis jetzt nur flüchtig gesehen.
Immer, wenn ich ihn erkannte und er mich, wurde er von seinen Freunden mitgerissen, doch in seinem Blick erkannte ich Reue.
Ich wollte endlich die Warheit wissen, ich wollte, dass Adrien mir sein Problem erklärte, aber bis jetzt hatten wir keine Gelegenheit.
Ich nahm mir vor ihn das nächste Mal zur Seite zu nehmen und mit ihm endlich zu sprechen.
Eine Menge Schüler drängelten sich durch die Flure und flüchteten von einem Ort zum Nächsten.
Nach ein paar Minuten entdeckte ich meinen Spind und öffnete ihn seufzend.
Gedankenverloren wechselte ich meine Bücher.
Ich hatte Angst davor mit Adrien zu reden, aber gleichzeitig konnte ich es nicht erwarten. Es war eine Mischung aus Beklemmung und Neugierde.
Würde er das mit uns beenden, würde es mir das Herz brechen, doch wenn ich daran dachte, wie gut sich unser Küsse, Berührungen und die Nähe zueinander anfühlten, konnte ich mir nicht vorstellen, dass er das einfach aufgeben würde.
Zumindest bildete ich mir das ein. Möglich, dass er gemerkt haben könnte, dass das zwischen uns einfach nicht das ist, was er sucht. Oder er hat zur Besinnung gefunden und ihm ist klar geworden, dass Claire doch seine wahre Liebe ist und er sie hätte nie gehen lassen dürfen. Ja, vielleicht wollte er mir auf schonende Weise beibringen, dass ich einfach nicht die Richtige für ihn bin, er aber noch so viel Anstand hat, es mir noch persönlich zu sagen.
Mit einem Ruck schloss ich meine Tür und atmete tief aus.
Möglich, dass ich mir zu viele Gedanken machte, aber ich konnte nicht loslassen.
Mit einem mulmigen Gefühl drehte ich mich um, doch ich merkte, dass eine Person hinter mir stand und mich mit meinem Rücken kraftvoll, aber dennoch sanft gegen die Metalltür drückte.
Es ging alles so schnell, dass ich nicht bemerkte, wer mich gerade festhielt, denn ein paar Sekunden später, legte jemand mir zärtlich seine Lippen auf meinen Mund. Es schien als würde mein Körper durchdrehen. Kälte und Hitze bildeten sich gleichzeitig, ein Prickeln setzte überall ein und ich merkte, wie mein Herz Purzelbäume schlug.
Es konnte niemand anderes sein, als Adrien, der mich in der Öffentlichkeit küsste. Vor allen anderen. Ohne Ängste. Einfach so.
Ich merkte die Sehnsucht in diesem Kuss, der mich schon fast aufforderte, mehr zu geben, doch stattdessen rutschte meine Hand auf seine Brust und drückte ihn ein paar Zentimeter von mir weg.
Schwer schnappte ich nach Luft und öffnete langsam meine Augen.
Sein Blick war zärtlich, entschuldigend, fast schon wimmernd, aber wie sollte ich das jetzt auffassen?
Gestern stieß er mich noch von sich weg, heute küsste er mich vor der gesamten Schule.
Ich merkte erst jetzt, wie sich eine Menge Schüler zu uns umdrehten, tuschelten und irritiert starrten.
Einige hatten sogar ihr Handy gezückt und schossen heimlich Fotos.
"Du Idiot, was machst du da?", flüsterte ich, packte ihn am Handgelenk und zog ihn in den Abstellraum des Hausmeisters.
Schützend verbarg ich mit meiner anderen Hand mein Gesicht, um weiteren Fotos auszuweichen, doch es gelang mir nur semigut.
Ich schloss die Tür und lehnte mich gegen das kalte Metall.
Meine Augen wanderten von Adriens Beinen, hoch zu seinem Oberkörper und dann in sein Gesicht.
Er machte einen Schritt auf mich zu, doch ich hielt meinen Zeigefinger hoch, um ihn zu stoppen, was auch gelang.
"Du wirst mir jetzt alles erklären, von Anfang bis Ende", meinte ich und ich war überrascht, wie ruhig ich blieb. "Davor weder Berührungen, noch ... Küsse."
Adrien schluckte, nickte aber.
Es schien ihm schwer zu fallen, mich nicht anfassen zu können, dabei wollte ich es genauso sehr wie er.
Anscheinend wusste er nicht, wo er anfangen sollte, also half ich ihm.
"Wieso hast du mich gestern ignoriert? Wieso hast du mich von dir gestoßen?"
Sein Blick senkte sich, er zeigte völlige Reue, doch es kam keine Antwort.
"Bin ich dir peinlich? Ist es wegen deinem Ruf?", machte ich weiter, doch Adrien schnaubte nur.
"Mein Ruf ist mir völlig egal", murmelte er und schüttelte leicht den Kopf.
"Warum bist du dann gestern so abweisend zu mir gewesen?", fragte ich erneut, was schon fast wie ein Wimmern klang.
Adrien sah mir kurz in die Augen, senkte sie aber wieder.
Nach einer langen Pause begann er endlich.
"Du bist mir weder peinlich, noch schere ich mich um meinen Ruf. Ich weiß, dass du nicht so wie Claire bist und um ehrlich zu sein, finde ich das auch gut so."
Ich schluckte und wartete bis er fortfuhr.
"Du musst wissen, Claire war meine erste richtige Freundin und man kann sagen, meine erste richtige Liebe. -"
Diese Worte versetzten mir einen Stich genau ins Herz, obwohl ich kein Recht dazu hatte.
"- Ich hatte das erste Mal erfahren, wie es ist zu lieben und geliebt zu werden. Nachdem wir uns getrennt hatten, wusste ich nicht einmal, ob ich für jemanden wieder so empfinden würde, wie für Claire."
Ich nickte und wich seinem Blick aus.
Stattdessen starrte ich auf meine Hände. Es tat weh, das alles zu hören.
Wie perfekt Claire doch war.
"Ich habe dich stattdessen kennen gelernt und nach der Zeit und Nähe, die wir miteinander verbracht hatten, wuchs auch mein Interesse an dir."
Mein Blick hob sich und es kreuzten sich unsere Augen. Sein Mund umspielte ein charmantes sanftes Lächeln.
"Unsere Moment, das Date, der Kinoabend, sie waren alle perfekt und je näher wir uns kamen, desto größer würde unser Verbindung und desto mehr entwickelten sich echte Gefühle."
Ich hielt den Atem an. Er hatte tatsächlich von Gefühlen gesprochen.
"Ich weiß, die Zeit, in der wir uns kennen gelernt haben, war nicht allzu lang, um gleich von Empfindungen zu sprechen, aber für mich ist es tatsächlich so gewesen."
Ich biss mir auf die Lippe, um ein Lächeln zu unterdrücken, aber es gelang mir nur halb.
"Ich hatte Angst, verstehst du. Angst, weil ich diese Gefühle nicht mehr kannte. Es waren nicht dieselben, wie für Claire."
Leicht schüttelte er seinen Kopf und fuhr sich durch das Haar.
"Nein, sie sind viel stärker. Und das war absolut neu für mich."
Mich juckte es bereits in den Fingern, ihn zu berühren und zu küssen, aber er war noch nicht fertig.
"Es tut mir leid, Sirina. Das alles. Ich hatte nicht geplant mich in dich zu verlieben, zumindest nicht so stark. Ich wollte dich auf keinem Fall verletzten, obwohl ich weiß, dass ich es getan habe. Anstatt mit dir darüber zu reden, habe ich dich von mir gestoßen und das tut mir so leid, dass ich es gar nicht in Worte packen kann."
Er verstummte und fuhr sich aufgeregt durch sein schwarzes Haar. Ich sah, wie er leidete. Er wartete auf eine Reaktion von mir, doch ich blieb die ganze Zeit ruhig und emotionslos.
"Bitte sag doch etwas", flehte er mich an und sah mich bittend an.
Tief atmete ich ein.
Adrien empfand etwas für mich, genauso, wie ich für ihn.
Keine Ahnung, was das für eine Verbindung zwischen uns war, doch sie existierte.
Ich sah ich an und trat einen Schritt zu ihm, dann drückte ich meine Lippen gegen seine.
Erneut stieg in mir eine Hitze auf, die nach mehr verlangte. Schmetterlinge flogen in meinem Magen auf und ab, während mein Herz Purzelbäume machte.
Seine starke Hand vergrub sich in meinem Haar, die andere umschloss meine Taille, sodass er mich enger zu sich zog.
Einige Minuten standen wir nur da und tauschten unsere Zärtlichkeiten miteinander aus, doch er gab meine Lippen viel zu früh frei.
"Heißt das, du verzeihst mir?", keuchte er schwer atmend und ich gab ihm einen federleichten Kuss, was Antwort genug für ihn war.
Wir lösten uns voneinander, trotzdem legte er mir einen Arm um meine Schultern.
"Ich bin bereit allen meine neue Freundin zu präsentieren", raunte er mir in mein Ohr und ich bekam Gänsehaut.
Ich biss mir auf die Lippen und grinste, dann öffnete er die Tür.

PainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt