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Ich kuschelte mich näher an das Kissen. Es roch unglaublich stark nach Adrien und seinem Aftershave, welches er ständig benutzte.
Meine Mundwinkel hoben sich.
Adriens Brust hebte und senkte sich hinter meinem Rücken. Die Wärme, die von ihm ausging, übertrug sich auf mich.
Sein Atem streifte immer wieder von hinten mein Ohr und verlor sich in meinen Haaren.
Es fühlte sich wie der sicherste Ort an, an dem ich je war.
Vorsichtig versuchte ich mich zu ihm umzudrehen, um ihn beim schlafen besser beobachten zu können, doch Adrien drehte sich selber mit auf die andere Seite, sodass ich nun seinen muskulösen Rücken betrachtete.
Mit meinem Finger fuhr ich einige rote Kratzer nach, für die ich vermutlich verantwortlich war.
Adrien gab einen undefinierbaren Laut von sich als ich ihn berührte.
Ich atmete tief aus und setzte mich auf.
Ich wollte Adrien noch etwas Schlaf gönnen, nachdem wir die Nacht nicht viel ... zum Ausruhen hatten.
Mein Gedanke ließ mich grinsen, doch ich unterdrückte es sofort.
Leise rutschte ich bis an die Bettkante und suchte meine Unterwäsche.
Von dem Holzstuhl, nahm ich mir Adriens Hemd von gestern und zog es mir über die Schultern.
Kurz warf ich meinem schlummernden Freund einen sanften Blick zu, dann lief ich weiter ins Bad und lehnte die Tür vorsichtig an.
Ich stützte mich am Beckenrand ab und betrachtete mich im Spiegel.
Vor mir sah ich nicht mehr das schüchterne und introvertierte Mädchen, dass sich von der Außenwelt, so gut es ging, abkapselte.
Das Mädchen wurde zu einer erwachsenen und selbstbewussten Frau.
Und es gefiel mir ziemlich gut ...
Keine Ahnung, ob es an der gestrigen Nacht lag, aber ich fühlte mich nun irgendwie stärker, irgendwie besser.
Unglaublich, wenn ich daran dachte, wie sich mein Leben in nur ein paar Monaten verändert hatte.
Und alles fing an mit Adrien.
Ich war froh, dass es so gekommen war, auch, wenn er mich tief verletzt hatte.Doch er gab mir so viel mehr, als ich erwarten würde. Er liebte mich wirklich.
Stumm grinste ich in mich hinein.
Mein Blick wanderte an meinem Oberkörper herab.
Einige Erinnerungen an letzter Nacht tauchten vor meinem inneren Auge auf. Für einen langen Moment schloss ich meine Augen, damit ich mich besser auf die Erinnerungen konzentrieren konnte. Ich konnte jeden einzelnen Kuss auf meiner Haut fühlen.
Meine Hand wanderte von meinem Schlüsselbein hoch zu meinem Hals, und von da weiter zu meinen Lippen.
Sie fühlten sich geschwollen an.
Ich konnte nicht einmal in Worte beschreiben, was ich letzte Nacht erlebt, geschweige denn gefühlt hatte. Dazu würden meine Worte nicht einmal reichen.
Ich wusste nicht, ob es sich auch so bei normalen menschlichen Partner anfühlte, doch ich war mir sicher, dass es zwischen Adrien und mir viel intensiver war als mit jemand anderem.
Plötzlich spürte ich, wie Adrien sich hinter mich stellte und durch den Spiegel beobachtete. Seine Arme zogen mich von hinten in eine innige Umarmung.
Durch den Spiegel sah ich ihn lächelnd an.
Sein Blick war so tiefgründig, dass ich Gänsehaut bekam.
Wir brauchten keine Worte, die Stille alleine sagte genug aus.
Adriens Hände wanderte an meine Hüfte, sodass er mich zu sich umdrehen konnte.
Ich schenkte ihm mein schönstes Lächeln. Er reagierte mit einem Schmunzeln. Seine Augen glitzerten mir zu, meine Knie wurden automatisch weich.
Adriens Finger strichen mir sanft eine Strähne hinter mein Ohr. Als seine Haut meine berührte, entließ ich Luft aus meinen Lungen.
Sein Blick wanderte von meinem Gesicht zu meinem Hals.
"Du bist wunderschön", hauchte er.
Meine Wangen färbten sich leicht rot. Ich wandte den Blick ab.
Als Adrien meinen Nacken umschloss, schloss ich meine Augen. Sofort prasselte auf mich Momente von gestern Nacht nieder.
Ich biss mir auf die Unterlippe und sah ihn wieder an.
Sein Gesicht zierte er durch ein leichtes Lächeln. Er wusste, welche Reaktion er auf mich hatte.
Deine Daumen umkreisten meine Halsschlagader. Seine Wärme durchströmte meinen ganzen Körper.
"Ich wünschte, du könntest es sehen," murmelte er und fixierte seinen Blick auf eine bestimmte Stelle meines Halses.
Ich berührte meine Haut dort, doch ich konnte nichts fühlen.
Der Biss schien wirklich komplett verheilt zu sein. Komisch.
Allerdings gab es in dieser Welt so einiges, dass nicht wirklich logisch war.
"Was siehst du?", fragte ich leise nach und beobachtete ihn dabei.
Seiner Mimik nach zu urteilen, konnte er es nicht wirklich in Worte packen. Aber er versuchte es für mich.
Er holte kurz Luft. "Es ist wie eine kleine Wunde, oder ein kleines Mal. Ganz klein, und so zart, dass es keinem auffallen würde. Aber es ist wunderschön", flüsterte er und schenkte mir ein Lächeln.
Meine Hand umschloss sanft die seine.
Er sah mir endlich wieder in die Augen. Und ich hätte mich in ihnen, wie schon so oft, verlieren können. Sie schienen bodenlos zu sein.
Wortlos zog er mich zu sich. So nah, dass mich sein Geruch umhüllte.
Ich erschauderte innerlich.
Einige Momente sahen wir uns nur an, doch mich ließ eine kleine, dumme Frage nicht los.
"Adrien?" Meine Stimme klang ganz heiser.
Seine Finger berührten meine Wange. Er gab einen leisen Laut von sich, der mich dazu aufforderte, weiterzusprechen.
Ich kaute auf meiner Lippe herum und sah an ihm vorbei.
"Sirina?"
Ich holte leise Luft. "Das, was gestern Nacht ... passiert ist", Adriens Mundwinkel zuckten nach oben, "hat es - ich meine, war es ... okay?"
Meine Stimme klang irgendwie fremd, so verängstigt.
Er grinste mich an.
Hatte ich etwas falsches gesagt?
Seine Lippen strichen sanft über meine Stirn. Endorphine überkamen mich mit einem mal.
"Sieh mich an", entgegnete er ruhig. Seine Hand umschloss meine Wange. Er zog mich noch näher zu sich. Sein Atem streifte meine Haut, sodass ich Gänsehaut bekam.
"Die gestrige Nacht war die Schönste meines Daseins, Sirina. Also ja, es war okay. Mehr als das sogar. Es war unbeschreiblich schön."
Eine Welle der Erleichterung überkam mich.
"Ich liebe dich", flüsterte er gegen meine Lippen, dann vollendete er schließlich den Kuss.
Mein Herz stolperte fast vor Aufregung. Meine Hände zogen ihn am Nacken zu sich und drückten seinen nackten Oberkörper gegen meinen leicht bekleideten. Dort, wo unsere Haut sich kurz berührte, schien ein Feuer aufzulodern.
Ich glaubte wirklich, ich schwebte auf Wolke sieben.
Adrien hielt kurz inne. Seine Lippen formten ein leichtes Lächeln.
Ich sah ihn neugierig an.
"Was ist?"
Seine Augen kreuzten meine für einen kurzen Moment. Ich merkte, wie meine Beine wieder nachgeben wollte, also hielt ich mich zur Unterstützung an der Waschbeckenkante fest.
"Es ist Tristan", murmelte er und machte kurz eine Pause.
Ich brauchte einen Moment um zu verstehen, dass er von diesem Telepathie-Ding sprach.
"Ich hatte ihnen gestern versprochen, dass wir zusammen frühstücken würde. Natürlich wusste ich nicht, dass mein Abend so enden würde."
Ich grinste ihn an, genauso wie er mich.
"Ich sag' ihnen einfach ab-"
"Nein", entgegnete ich schnell.
Auch wenn ich den ganzen Tag mit Adrien im Bett hätte verbringen können, wollte ich, dass wir wieder im Alltag ankommen, zusammen.
Ich war mir nicht sicher, ob Adriens Freunde wussten, dass wir wieder zueinander gefunden hatte, aber ich wollte, dass sie es wissen. Ich wollte, dass es die ganze Welt weiß.
"Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich gerne hingehen", fügte ich hinzu und sah ihn forsch an.
Als Antwort gab er mir einen federleichten Kuss auf die Lippen.
Zusammen machten wir uns also schnell fertig, und liefen zu Tristans Haus auf der anderen Seite der Siedlung.
"Sag' mal, wissen sie eigentlich das von uns?", fragte ich nach, kurz bevor wir die Treppen zum Eingang hinaufstiegen.
Mich überkam plötzlich ein bedrückendes Gefühl.
"Was ist denn das zwischen uns?", stellte er mir eine Gegenfrage und hielt inne.
Ich presste die Lippen zusammen und wandte kurz den Blick ab.
"Wenn wir lieber einen Schritt zurück gehen sollten, dann -"
"Nein", warf ich ein und blickte in seine Augen. "Ich will das hier. Ich will wieder mit dir zusammen sein."
Er nickte zustimmend.
"Ich weiß nur nicht, was die andere davon halten", flüsterte ich verlegen.
"Du machst dir Sorgen, dass sie uns verurteilen könnten?", wiederholte er.
Als ich nichts einwarf, verstand er es als ein Ja.
"Sirina."
Verdammt, wie machte er das bloß?
Mein Kopf schaltete sich für einen kurzen Moment aus.
"Es ist mir egal, was andere denken könnte. Das einzige, dass mich interessiert, bist du."
Ich lächelte ihn an. Er schmeichelte mir sehr, aber es gefiel mir gut.
"Aber ich kenne meine Freunde. Ruby ist verrückt nach dir und Tristan nervt mich schon andauernd, wann ich dich wieder mitbringe", fügte er hinzu und verdrehte seine hübschen Augen.
"Das klingt fast so, als wärst du eifersüchtig", warf ich lachend ein und hob meine Augenbrauen.
"Ich bin eifersüchtig", grinste er und schnitt eine Grimasse, was mich erneut zum Lachen brachte. "Sie waren noch nie so heiß darauf, mich zu sehen."
Ich verpflechtete unsere Hände ineinander und zog ihn kopfschüttelnd zur Tür.
Kurz klopfte ich an.
Adrien legte mir seinen freien Arm um die Schultern und zog mich zu sich. Ich lehnte meine Schälfe gegen seine Brust und sog seinen Geruch auf.
Es war Tristan, der die Tür mit Schwung öffnete und uns herein bat. "Immer herein spaziert", begrüßte er uns kurz und deutete mit dem Kopf Richtung Küche, wo bereits Geplaudere zu hören war.
Ich wollte Trsitan zwar mit einer kurzen Umarmung begrüßen, doch als ich merkte, wie Adriens Arm sich fester um meine Schulter schlang, beließ ich es bei einem freundlichen Hallo.
Tristan schien kein bisschen überrascht zu sein, mich zu sehen.
Ob Adrien es ihm irgendwie telepathisch hatte zu kommen lassen?
Wir traten gemeinsam in die große Küche.
Ruby schnappte nach Luft und hackte sich bei mir ein. Adrien lockerte seinen Griff, doch er ließ mich niemals zu weit weg gehen.
"Ich bin so froh, das ihr endlich wieder zusammen seid", setzte sie ein und zog mich zu einer der Essstühle.
Eigentlich war das alles erst durch gestern Nacht passiert, und daher noch absolut frisch. Trotzdem schien es, dass sie bereits davon wussten.
Ich warf Adrien einen kurzen Blick zu, doch er zuckte nur mit seinen Schultern.
Ruby begann mir bereits den neusten Klatsch und Tratsch aufzutischen, doch ich konnte nach der Hälfte nicht mehr zu hören.
Ich wusste nicht, was mit mir los war. Mein Blick suchte die ganze Zeit nach Adrien, obwohl wir uns im selben Raum aufhielten. Es schien aber nicht nur mir so zu ergehen. Auch er verließ nie die Nähe zu mir.
"Wir sollten jetzt wirklich essen. Ansonsten verdaut sich mein Magen schon selbst", warf Tristan ein und Ruby verstummte.
Wir setzten uns alle gemeinsam an den Tisch und begannen zu essen.
Adrien saß am Kopfende und ich ihm schräg gegenüber.
Seine Augen huschten ab uns zu zu mir rüber. Manchmal streifte seine Hand die meine. Sein Knie drückte sich gegen mein Bein, was mir allerdings gut gefiel.
Die Stimmung am Tisch war irgendwie bedrückend, obwohl ich nicht wusste, warum. Ruby versuchte zwar ständig mit irgendwelchen Thema das Gespräch ins Laufen zu bringen, allerdings verliefen die Konversationen nie länger als sechs Sätze.
Möglicherweise war es doch zu viel, dass ich hier war ...
Adrien stupste mich mit dem Knie an und warf mir einen besorgten Blick zu. Schnell schüttelte ich den Kopf und lächelte ihn leicht an. Zudem legte ich meine Hand kurz auf seinen warmen Arm und drückte diesen. So wusste er, dass er sich keine Sorgen machen musste.
Ich widmete mich wieder meiner halb vollen Müslischüssel. Diese komische Atmosphäre drückte mit gegen den Magen.
Ich warf jedem einzelnen einen unauffälligen Blick zu. Alle schienen irgendwie verhalten in ihrem Essen herum zu stochern.
Komisch
Ich spürte, wie mich jemand beobachtete, also hob ich meinen Blick erneut und sah auf der gegenüberliegenden Seite wie Tristan mir ein kleines Lächeln zuwarf. In seiner Hand spielte er mit dem scharfen Messer.
Ich schenkte ihm kurz meine Aufmerksamkeit und warf ihm ebenfalls ein Lächeln zu, dann widmete ich mich wieder meiner Schüssel.
Und plötzlich, aus dem nichts heraus, warf Adrien seinen Stuhl zurück, packte Tristan am Hals und drückte ihn gegen die Wand. Adrien knurrte laut, während sein Blick Tristan nicht aus den Augen ließ.
Perplex starrte ich auf das absurde Szenario. Dann reagierte ich wieder, stand ebenfalls auf und berührte Adrien am Arm.
"Was machst du da?", fragte ich ihn verwirrt und zwang ihn dazu, mich anzusehen.
Was, verdammt, war heute nur los?
Langsam kam Adrien zu sich und merkte, dass er seinen besten Freund gerade angriff. Er ließ Tristan los und runzelte die Stirn.
"Es ... tut mir leid", flüsterte er und fasste sich an die Stirn. "Ich weiß nicht, was -"
"Du, Idiot", lachte Tristan auf und zog Adrien in eine Umarmung. "Ich wusste es."
Überrascht starrte ich beide an. Ich verstand nicht, was gerade passiert.
"Und du", lenkte Ruby die Aufmerksamkeit wieder auf sich. Sie grinste mich an. "Wieso sagst du mir denn nichts?"
Blinzelnd zog sie mich in eine feste Umarmung.
"Ich bitte dich, das war doch offensichtlich", kommentierte Sarah und aß unbeeindruckt ihr Brötchen weiter. Es schien sie nicht die Bohne zu interessieren, dass ihr Freund gerade angegriffen worden war.
Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch als nichts herauskam, schloss ich ihn wieder.
War das ein schlechter Scherz?
"Dir was sagen?", hörte ich mich fragen.
"Dass eure Bindung endlich vollkommen ist", grinste Tristan und verwuschelte Adriens Haare als wäre er ein kleines Kind.
Automatisch färbten sich meine Wangen eine Farbnuance dunkler.
"Wie kommt ihr darauf?", fragte ich weiter und schaute niemanden besonderes an.
Zwar ertappte mich vermutlich die Röte in meinem Gesicht, doch ich wollte es trotzdem wissen.
"Oh, Sirina", verdrehte Sarah die Augen und hob die Augenbraue. "Dein Mal am Hals."
Aus Reflex berührte ich die Stelle.
"Oder eure ständigen Blicke", warf Felix erstmals ein und lehnte sich gegen die Samtlehne seines Stuhles.
Ich presste die Lippen zusammen. Es war den anderen also auch aufgefallen.
"Oder Adriens ausgeprägter Beschützerinstikt seiner Mate gegenüber", kommentierte Tristan und boxte seinem besten Freund gegen die Schulter. Adrien schnitt eine Grimasse.
"Oder dein Geruch", überlegte Ruby und sah mich von oben bis unten an.
"Mein Geruch? Was stimmt den damit nicht?"
"Du riechst einfach nicht mehr nach dir", erklärte Ruby und zuckte die Schultern.
"Und wie riech ich dann?", fragte ich nach.
"Adrien", entgegneten alle vier gleichzeitig als hätten sie sich abgesprochen.
Ich roch an dem Kragen meines Oberteils, doch so penetrant war der Geruch gar nicht. Okay, man erkannte vielleicht einen ganz leichten Hauch von Adriens Aftershave, doch selbst das war fast nichts.
"Nur Wölfe können solche Gerüche unterscheiden", warf Felix ein, nachdem er meine Gedanken erahnen konnte. "Ein Wolf kann selbst anhand des Geruchs feststellen, zu wem du gehörst."
Ich nickte und sah zu Adrien rüber, der mich ebenfalls beobachtet hatte.
"Wusstest du davon?"
Er zuckte mit den Schultern und steckte die Hände tief in seine Hosentasche.
"Ich wusste, dass sich das Verhalten nach dem Markieren ändern kann. Allerdings hatte ich nicht angenommen, dass es so heftig wird." Er wandte den Blick zu Tristan rüber. "Du hättest mich auch einfach fragen können, anstatt mich in Gedanken zu provozieren."
Der blonde Junge schmunzelte. "Wo bliebe da der Spaß."
"Ich hätte dich umbringen können", warf Adrien ein, doch Tristan schaute ihn nur belustigt an.
"Okay, genug gestritten, ich hol' etwas zum Antoßen", schritt Ruby ein und stand auf.
Stirnrunzelnd sah ich sie an.
"Das muss gefeiert werden", fügte sie hinzu und lief zurück in die Küche.
Wir wollten also wirklich darauf trinken, dass Adrien und ich miteinander geschlafen hatten. Klar, wieso auch nicht?
Es war komisch, dass die anderen ins Geheim wussten, was gestern Nacht zwischen Adrien und mir passiert war. Immerhin wollte ich, dass es niemand erfährt. Das ist nichts, was man hätte in die Welt schreien müssen.
Tröstlich war es auch nicht, dass selbst Adriens Eltern und jeder erdenkliche Wolf sich sicher sein konnte, dass wir Sex hatten.
Ich erschauderte bei diesem Gedanken.
Plötzlich vibrierte mein Handy auf. Es war Joe.
Ich wollte sie unbedingt sprechen. Immerhin konnte ich ihr wenigstens ganz normal beibringen, was gestern Nacht geschehen war, ohne das sie sofort von der Makierung wusste.
Adrien berührte mich leicht am Arm. Meine volle Aufmerksamkeit galt dem Jugen vor mir.
"Es ist Joe, ich hatte ihr versprochen, sie am nächsten Tag anzurufen", erklärte ich und er nickte.
Als ich mich bereits kurz zurückziehen wollte, verstärkte sich der Griff von Adrien kurz, sodass ich ihn wieder ansah.
Wortlos senkte er den Gesicht und drückte mir einem leichten Kuss gegen die Lippen.
Der Anruf sowie der ganze Trubel um uns herum verblasste sofort. Meine ganzen Gedanken flossen in diese zärtliche Berührung. Mein kompletter Körper erzitterte, Gänsehaut folgte darauf.
Ich löste mich kurz von ihm und warf ihm einen Blick zu.
Ich musste mich ermahnen, mich nicht in ihnen zu verlieren.
"Fünf Minuten", flüsterte ich und er nickte widerwillig.
Nach einem kurzen, weiteren Moment der Stille, ließ er mich los.
Ich zog mich schnell in einem ruhigeren Raum zurück und nahm den Anruf endlich an. Ein Wunder, dass Joe so lange durchhalten konnte.
"Guten Morgen, Sonnenschein", begrüßte sie mich und ich lachte auf.
"Morgen. Wer ist denn da schon so gut gelaunt?" Ich hörte sie am anderen Ende schmunzeln.
"Also, erzähl mir alles", fügte ich schnell hinzu und lehnte mich gegen die Wand. "Wer ist er? Was habt ihr den restlichen Abend gemacht? Und die wichtigste Frage, ist er noch zu haben?"
"Sirina", seufzte sie mit einem Grinsen, doch ich wusste, da steckt mehr dahinter. "Er heißt Toby und wird nächstes Schuljahr auf unsere Schule gehen."
"Wie ist er so?", fragte ich nach.
"Ich meine, wir kennen uns ja kaum, aber vom ersten Eimdruck her, wirkt er nett."
"Nett?", wiederholte ich und sie schnaubte. "Das ist alles?"
"Okay, er ist sehr freundlich und wirkt sympathisch", fügte sie hinzu, was mir vorerst aber reichte.
"Wie war euer restlicher Abend?"
Sie überlegte kurz.
"Wir waren noch eine ganze Weile auf dem Ball, ich glaube sogar, bis zum Schluss. Er hatte mich schließlich noch nach Hause gebracht und das war's."
Ich merkte, wie nervös sie war. "Ein echter Gentleman also", kommentierte ich und sie gab einen zustimmenden Laut von sich."Und?"
"Und was?" Joe schien sich ertappt zu fühlen.
"Ich weiß, dass dir noch etwas auf der Zunge liegt", entgegnete ich und sie wurde ganz still. Ich hatte also recht.
Nach einem kurzen Moment der Stille räusperte sie sich.
"Schön, wir haben uns verabredet, okay?", murmelte sie und ich grinste.
"Ich wusste es!"
"Es ist nur ein Kaffee", warf sie schnell ein und ich schmunzelte.
"Wie du meinst."
Ich wusste, dass ihr das gar nicht gefiel, doch es freute mich sie so aufgeregt zu sehen.
Immerhin musste sie sich monatelang das Gequatsche über Adrien anhören, jetzt war ich also endlich dran.
"Okay, Themawechsel", entgegnete sie und ich verstummte.
"Was ist mit Adrien und dir?"
Mein Blick schwankte leicht nach rechts, sodass ich meinen Freund gut im Blickfeld hatte. Er hob seinen Kopf und unsere Blicken verfingen sich.
Vor meinem inneren Auge tanzten plötzlich die Bilder von gestern Nacht auf. Mit wurde plötzlich ganz heiß und meine Wangen glühten auf.
"Sirina? Hallo?", meldete sich Joe wieder und ich ermahnte mich.
"Tut mit leid", murmelte ich und schloss die Augen. Meinen Kopf lehnte ich ebenfalls gegen die kalte Wand.
"Also? Was ist mit euch? Wie war's gestern noch?", wiederholte sie etwas präziser.
"Naja, also", stammelte ich und biss mir auf die Unterlippe.
Das konnte doch nicht so schwer sein ...
"Zuerst sind wir zu ihm gefahren und haben uns unterhalten."
"Und?" Sie zog das Wort lang, weil ich wusste, dass sie ungeduldig auf den Höhepunkt wartete.
"Und", machte ich weiter. "Wir haben uns geküsst."
"Und?"
Ich biss mir auf die Zunge und versuchte mein Lächeln zu unterdrücken.
"Und", setzte ich also zum dritten mal.
Ich holte Luft und entließ diese gleich wieder aus meinen Lungen. "Wir haben miteinander geschlafen."
Es laut auszusprechen, machte es nochmal viel realer.
Zuerst kam keine Antwort von ihr, doch nach etwa drei Sekunden der Ruhe folgte ein Schrei.
Ich unterdrückte ein Lachen, was mir jedoch nicht ganz gelang.
"Ohh, ich wusste es!", trällerte sie freudig und ich runzelte leicht die Stirn. "Ich wusste, dass ihr wieder zu einander findet!"
Ich konnte mir Joes Gesichtsausdruck ganz genau vorstellen. Sie würde gerade über beide Ohren grinsen und mir diesen 'Ich-hab's-dir-doch-gesagt'-Blick zuwerfen.
"Ich will alle Details hören", forderte sie mich auf. "Alle, hörst du."
Mein Grinsen konnte ich einfach nicht abstellen. Joe war wirklich sehr neugierig. Und auch wenn sie meine beste Freundin ist, würde ich die ein oder anderen Dinge nicht ganz preisgeben.
"Können wir das auf später verlegen? Alle warten schon darauf, dass ich wieder an den Tisch komme", warf ich stattdessen ein.
Ich wollte nicht unbedingt jetzt mit den ganzen Details raushauen. Immerhin befand ich mich unter Werwölfen, die alle ein ziemlich gutes Gehör hatten.
"Du kannst mir doch nicht so eine Nachricht überbringen und dann auflegen", schnappte sie gespielt empört nach Luft. Meine Mundwinkel hoben sich leicht.
"Ich weiß", lächelte ich und biss mir auf die Unterlippe. "Ich verspreche dir, wir gehen heute zusammen Mittagessen, in Ordnung?"
Ich sah im Augenwinkel wie Adrien auf mich zu kam. Eigentlich konnte ich mir ziemlich sicher sein, dass er unser Gespräch mitgehört hatte, trotzdem verhielt er sich ausgelassen.
Ob er Tristan und Felix womöglich auch alles über unsere Nacht erzählen würde?
Zähne knirschend gab Joe ein zustimmenden Laut von sich.
"Okay, ich muss auflegen", murmelte ich schnell, bevor mir Adrien das Handy wegnahm und mich sanft gegen die Wand drückte. Er hielt sich das Telefon gegen die Ohrmuschel und studierte mein Gesicht dabei.
"Joe, es tut mir leid, aber ich muss Sirina jetzt entführen", entgegnete er und ich schmunzelte.
"Ich richte es ihr aus. Okay, gut. Bis dann."
"Das war nicht sehr nett", meldete ich mich zu Wort und wies auf mein Handy, dass er immernoch in der Hand hielt.
Adrien grinste mich an. Seine Hand umschloss mein Hinterkopf, was mir sofort einen Schauer einjagte.
"Du verzeihst mir sicherlich", wisperte er leise und streifte meine Lippen dabei.
Ein kleiner Seufzer verließ unkontrolliert meinen Mund. Ich genoss den kurzen Moment der Zuneigung zwischen uns.
"Ach und eins noch", fügte er hinzu und fuhr mir seinem Zeigefinger die Ränder meiner Lippen nach. "Erzähl Joe nicht alles bis ins kleinste Detail."
Ich öffnete meine Augen erneut und grinste ihn an.
"Angst, dass wir über dich ablästern?", flüsterte ich und fuhr mit meiner Hand seinen Nacken entlang.
Adrien schüttelte lächelnd den Kopf.
"So weit ich mich erinnern konnte, warst du mehr als zufrieden", wandte er und hob die Augenbrauen.
Meine Wangen färbten sich vermutlich eine Farbnuance dunkler.
Mit einem Siegergrinsen strichen seine Finger meine Wange entlang. Mein Körper reagierte sofort mit Gänsehaut auf seine Berührung.
"Ich liebe dich, Sirina Malone", raunte er, sodass meine Knie weich wurden.
Meine Mundwinkel hoben sich von ganz alleine.
"Ich liebe dich auch", flüsterte ich zurück und spielte mit seinem Haar. "Und jetzt küss mich endlich", forderte ich endlich auf. Adrien schien keinen zweiten Gedanken daran zu verschwenden und senkte seine wundervollen Lippen auf meine.

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