54

7.2K 278 7
                                    

Obwohl es noch nicht einmal spät abends war, fuhren wir in der Dunkelheit. Das ließ mich immerhin daraus schließen, dass wir Richtung Norden gefahren sind.
Wenn man sich umsah, erkannte man eine Menge Schnee, ein paar Berge und Bäume - sonst nichts.
"Ich versprech's, wir sind fast da", meinte Adrien zu mir und bog nach rechts ab.
Ich hatte mich schon gefragt, woher er wusste, wohin er fahren musste, denn ein Navi sah ich hier nicht.
Nach ein paar Straßen hielt er tatsächlich an, und ich erkannte nichts, rein gar nichts.
"Wo sind wir, Adrien?", hauchte ich und betrachtete den weißen Schnee neben dem Auto.
Wenigstens erkannte ich noch weitere Autos. Das hieß, dass wir nicht vollkommen alleine im Nirgendwo waren.
"Ich zeig's dir", grinste er und stieg mit mir aus.
Er übergab mir einen Schüssel und nahm selber zwei Taschen.
Mit einer Kopfbewegung leitete er mich in eine Richtung.
Nach ein paar Meter in der Dunkelheit erkannte ich ein kleineres Gebäude.
Ich steckte den Schlüssel in das Schloss, drehte ein paar mal und öffnete die Tür.
Das Häuschen erhellte sich und ich trat in die Wärme.
Neugierig sah ich mich um.
Es war süß. Klein, modern, gemütlich. Es gab alles, was man für ein Wochenende hier brauchte. Links ein kleines Bad, rechts ein Wohnzimmer. Wenn man ganz nach vorne lief, war ein halb abgetrenntes Schlafzimmer.
Ein Bett stand in der Mitte, umhüllt von Glaswänden und einer Glasdecke.
Man konnte meilenweit schauen, es war einfach unglaublich.
Ich ging näher an ein Fenster, um alles noch schärfer sehen zu können.
"Was sagst du?", flüsterte Adrien ins Zimmer und legte die Taschen auf den Boden.
Ich drehte mich zu ihm um und suchte nach Worten.
"Es ist ... wunderschön."
Adrien atmete zufrieden aus und nahm mich in den Arm.
"Wie hast du das gefunden?", murmelte ich gegen seine Brust. Ein paar Zentimeter dahin schlug sein Herz kräftig gegen meine Schläfe.
"Mein Geheimnis", grinste er und etwas in meinem Magen zog sich zusammen.
Ich war mir absolut sicher, Adrien würde etwas vor mir verheimlichen - angefangen von seiner Trennung zu Claire bishin zu unserer Beziehung.
Apropo Trennung ...
"Adrien?"
"Hm?", brummte er in mein Haar.
Ich brachte einige Zentimeter zwischen uns.
"Ich weiß, dass dieses Thema absolut aus dem nichts kommt und du mir erst dann davon erzählen kannst, wenn du möchtest, aber ..."
Ich stammelte und Adriens Blicke wurden sanfter.
"Wieso hast du dich von Claire getrennt?", flüsterte ich und wich seinem Blick aus.
Adrien runzelte die Stirn und fuhr sich durch sein dunkles Haar.
Er ließ sich extrem viel Zeit bei seiner Antwort, was mich noch mehr verunsicherte.
"Ich habe sie einfach nicht mehr so geliebt, wie am Anfang", meinte er neutral.
Ich nickte verständnisvoll.
Und das war eines seiner großen Geheimnisse?
Er liebte sie nicht mehr.
Vielleicht hatte Claire doch Unrecht, vielleicht kam sie einfach nicht über ihn hinweg.
Ich sah ihn wieder in sein hübsches Gesicht, doch in seinen Augen merkte ich, dass er über etwas nachdachte.
Die Trennung von Claire war sicherlich nicht einfach, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass das der einzige Grund für das Beenden ihrer Beziehung war.
Nicht, weil ich Adrien nicht glaubte, das tat ich, doch seine Reaktion kam mir nicht wirklich echt vor.
"Und jetzt lass uns nicht mehr über Claire sprechen", murmelte er und gab mir ein Kuss auf den Scheitel.

~

Ich lachte auf.
"Du willst mit sagen, dass du ihn nicht gut fandest?", fragte ich erneut und nahm einen Löffel voller Eis.
Er rümpfte lächelnd die Nase.
"Selbst die Schauspieler waren nicht von ihrer Rolle überzeugt", murmelte er und rutschte näher zu mir, doch ich setzte mich auf um ihn besser ansehen zu können.
Erschrocken riss ich die Augen auf.
"Adrien!"
Ich schlug gegen seine harte Brust.
"Das kannst du doch nicht ernst meinen!"
Adrien lachte auf und meine Hand bebte unter seinem Oberkörper.
"Du nimmst mich auf den Arm, oder?", lächelte er.
"Nein!", meinte ich verdutzt und schüttelte meinen Kopf. "Man muss den Film einfach lieben!"
Adrien grinste mich an und sah mich von unten bis oben an.
Wir hatten uns beide bereits bettfertig gemacht und unterhielten uns bereits seit Stunden über die unterschiedlichsten Dinge, mit Eiscreme.
Ich hatte selbst die Zeit ganz vergessen, aber dem Wald zu zuschauen, wie die Nacht ihn umgab, war einfach atemberaubend schön.
"Zwing mich dazu", hauchte er und ich zog spielend eine Augenbraue nach oben.
Ich biss mir auf die Lippe und näherte mich ihm langsam.
Grinsend stellte er das Eis ab und rutschte auf seinen Rücken runter.
Ich kletterte über ihn drüber, bis mein Gesicht ein paar Zentimeter vor seinem Gesicht schwebte.
Vorsichtig landeten seine Hände an meiner Taille um mich zu stützen.
Quälend langsam streiften meine Lippen die Seinen.
"Ändert das deine Meinung?", flüsterte ich und ich merkte, wie Adriens Mundwinkel nach oben zuckten.
"Noch nicht, aber es geht in die richtige Richtung", wisperte er zurück.
Meine Hand vergrub sich in seinem schwarzen Haar, meine Stirn berührte die seine. Sein Atem kitzelte meine Wangen. Unsere Lippen vereinten sich aber noch nicht.
Es gefiel mir Adrien so leiden zu sehen, hilflos gegenüber mir. Weil ich wusste, dass ich eine seiner Schwächen war.
"Es wird besser", hauchte er. Ich merkte in seiner Stimme, dass er ungeduldig wurde.
Zufrieden drückte ich ihm den ersehnten Kuss aus die Lippen.
Glücksgefühle stiegen langsam auf, bevor sie mit einem mal explodierten. In meinem Magen flogen Schmetterlinge auf und ab, es wurde plötzlich so heiß in diesem Zimmer.
Unsere Zungen rangen miteinander, bis ich Adrien sanft auf die Lippe biss.
Ich wusste, wie empfindlich er war.
Als Antwort knurrte er und setzte sich auf, sodass ich auf seinem Schoß saß.
Lächelnd fuhr ich mit meiner Anderen Hände über seine starken Schultern.
Ohne einen richtig klaren Gedanken zog ich ihm sein T-Shirt aus, aber auch Adrien griff nach dem Saum meines Oberteils.
So viel nackte Haut war gar nicht gut.
Es war so unmenschlich heiß, ich glaubte sogar, die Fenster würden beschlagen.
Mein Kopf setzte komplett aus.
"Jetzt bin ich überzeugt", atmete Adrien grinsend und ich lachte.
Unsere Lippen verschmolzen wieder miteinander.
Adriens Hände gingen auf Erkundungstour, angefangen von meinem Rücken und meinem BH, bis hin zu meinem Hintern.
Adrien drückte mir abwechselnd Küsse auf meine Mundwinkel, was mich zum Lächeln brachte.
Ich strich meine Haare zurück und setzte meine Lippen an seinem Hals an.
Gleich daneben fühlte ich, wie seine Pulsader gegen die dünne Haut pochte.
Es war ein berauschendes Gefühl ihm so nahe zu sein.
Schließlich waren es Adriens Lippen, die von meinem Kiefer zu meinem Hals wanderten. Seine Zunge berührte ein paar mal meine empfindliche Stelle, weshalb ich heftig einatmete.
Egal, was heute Nacht passieren würde, es wäre vollkommen in Ordnung. Ich hatte Gefühle für Adrien, die stärker nicht sein konnten. Auch, wenn ich vor ein paar Wochen gesagt hatte, ich würde es lieber langsam angehen wollen, fühlte ich eine Gier, die nach mehr verlangte.
Ich lachte kurz auf, weil Adriens Lippen mich kitzelten. Ich glaubte wirklich, ich würde im siebten Himmel schweben.
Doch mit einem Augenblick änderte sich alles.
Adrien zog sein Kopf zurück und wandte den Blick von mir ab. Mit seinen Händen rieb er heftig über seine Augen.
"Adrien", flüsterte ich und blinzelte ein paar mal. "Was ist los?"
Ich wollte seine Hände von seinem Gesicht nehmen, doch er schüttelte sie ab.
"Nicht!", entgegnete er hastig und rückte ein Stück weg von mir.
Keine Ahnung, wie ich es wieder geschafft hatte, die Situation zu ruinieren, aber irgendwas war passiert.
"Ist alles in Ordnung?", fragte ich besorgt und versuchte ihm in die Augen zu schauen, doch er wich mir mit seinem Blick aus.
"Hab' ich irgendetwas falsch gemacht?", wisperte ich, doch er antwortete einfach nicht.
Das hieß wohl, dass ich irgendetwas verbrochen hatte ...
"Ich muss kurz ...", murmelte er schließlich und schob mich von seinem Schoß runter.
Blitzschnell stand er auf und verließ das Zimmer, während ich ihm dabei überfordert zu sah.
Ich atmete tief ein und aus.
Was zur Hölle war das?
Ich schluckte. Mein Mund war staubtrocken.
Hatte er eine Allergie? Ein Problem mit zu viel Nähe?
Wieso reagierte er so heftig?
Vor ein paar Sekunden war ich noch der glücklichste Mensch, aber jetzt war einfach nur leer.
Fühlte Adrien sich gegenüber mir doch abgeneigt? Wollte er gar nicht weiter gehen? Dabei war ich mir sicher, dass wir beide die Momente genossen hatten.
Fragen über Fragen, die ich nicht beantworten konnte.
Irgendetwas verheimlichte er mir, irgendwas, dass er mir nicht erzählen wollte. Weil er Angst vor meinem Urteil hatte? Oder meiner Reaktion?
Ich kaute frustriert auf meiner Unterlippe rum. Ich war mir sicher, dass Adrien vorerst nicht so früh kommen würde, also legte ich mich auf meine Seite des Bettes und zog die Decke bis hoch zu meiner Nase.
Egal, was auch immer dieses Geheimnis war, es trieb einen Keil zwischen uns und je länger er schwieg, desto dünner würde der Faden, der alles zusammenhielt.

PainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt