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"Sirina, da bist du ja endlich! Ich dachte schon, du würdest vergessen haben, dass ich dich darum gebeten hatte, donnerstags auch auf die Kleinen aufzupassen!", begrüßte mich Chery mit einer Umarmung.
"Tut mir leid, der Bus kam leider nicht pünktlich!", entschuldigte ich mich sofort und stellte meine Tasche auf einen der braunen Personalstühle.
"Ach, das macht doch nichts! Hauptsache du kommst", zwinkerte sie mir zu und gab mir daraufhin ein Blatt Papier.
"Das sind die Abläufe für die einzelnen Tage und dort unten stehen die Abholzeiten von jedem Kind", erklärte sie mir schnell und zeigte zusätzlich auf die einzelnen Abschnitte.
"Aber jetzt wird es erstmal Zeit wieder nach den Kindern zu sehen", sagte sie hektisch und schob mich durch die Tür.
Ich faltete das Blatt Papier und steckte es mir in die Hosentasche, dann sah ich mich etwas um und entdeckte Mia.
Schnell lief ich zu ihr und ließ mich auf den Platz neben ihr nieder. Neugierig schaute ich auf Ihr Bild und erkannte zwei Menschen, dir auf einer Wiese zu spielen schienen.
"Du kannst wirklich gut malen, Mia", lächelte ich sie an, was sie mir einem dankbaren Grinsen erwiederte.
"Wen hast du gemalt?", fragte ich und sah mir die Personen genauer an, doch ich konnte beim besten Willen nicht erkennen, wer die zwei Menschen sind.
"Das bin ich ...", erklärte sie zuerst und zeigte auf eine der Figuren. "... und das ist Liam."
"Wer ist Liam?", hob ich überrascht meine Augenbraue und sah mich um.
"Der braunhaarige Junge da", flüsterte sie und zeigte auf einen der Kinder, die gerade mit Autos spielten.
"Sophie sagt, Jungs sind doof und eklig, aber Liam spielt immer mir mir, wenn wir raus in den Garten dürfen", erzählte sie, während ich den kleinen Jungen weiterhin musterte.
Er hatte dunkelbraunes Haar und dunkelbraune Augen und irgendwie erinnerte er mich an jemanden, doch ich kam einfach nicht drauf.
"Das heißt, ihr seid Freunde?", fragte ich lächelnd nach und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Mia.
Kurz schien sie zu überlegen, da sich ihre Stirn kräuselte, dann sah sie mich wieder an.
"Wenn ich ja sage, muss ich ihn dann heiraten?", stellte sie leise ihre Frage, welche sie nervös machte.
Ich biss mir auf die Lippe, um ein Lachen und gleichzeitig ein Aufseufzen zu unterdrücken, da mich diese Frage mehr als berührte, wie auch zum Lachen brachte, aber woher sollte sie das denn schon wissen?
"Nein", lächelte ich und sah wieder zu Liam. "Ihr seid einfach nur ganz gewöhnliche Freunde."

~

Ungeduldig starrte ich auf die Uhr und dann wieder zu dem dunkelhaarigen Jungen, der much traurig anschaute.
"Glaubst du, sie haben mich vergessen?", flüsterte er und schniefte.
Geschockt riss ich meine Augen auf und schüttelte ungläubig meinen Kopf.
"Nein! Sag' so etwas nicht, Liam! Vielleicht stehen sie gerade im Stau", beruhigte ich ihn und nahm ihn in den Arm.
Liam war das letzte Kind, welches noch nicht spätenstens um 16 Uhr abgeholt werden sollte und da ich nunmal eine Mitarbeiterin des Kindergartens war, blieb ich natürlich bei dem Jungen.
Zwar waren wir die einzigen Menschen, die sich noch im Kindergarten befanden, da Chery mir bereits die Absperrung des Hauses anvertraut hatte und vermutlich weil sie noch zu einen dringenden Termin musste.
Wenn ich die Angehörigen je zu Gesicht bekommen würde, könnte ich für kein gutes friedliches Ende garantieren ...
"Soll ich nochmal deine Eltern anrufen?", fragte ich Liam und sah ihn mitfühlend an.
Er sah mich nur traurig an und zuckte mit seinen kleinen Schultern, da er mehr als überfordert aussah.
Ich atmete kurz ein und nickte leicht.
"Sie kommen bestimmt gleich, das verspreche ich dir", munterte ich den Jungen auf und lächelte zusätzlich, doch seine Stimmung blieb da, wo sie war.
Mein Handy summte plötzlich auf und mein Kopf schoss zu dem Gerät, welches auf dem daneben stehenden Tisch lag.
Ein kleiner Hoffnungsfunke bildete sich nicht nur bei mir, sondern auch bei dem Jungen, der nervös aufzappelte.
Schnell schnappte ich mir mein Handy, doch zu meiner und vor allem Liams Enttäuschung war es nur meine Mom.
"Mom, was gibt's?", fragte ich seufzend in den Hörer und hielt mir das Gerät an mein rechtes Ohr.
"Sirina, Schatz! Wo bleibst du? Ich mach mir schon Sorgen", plapperte sie los, ohne mich zur Sprache kommen zu lassen.
"Ich bin noch im Kindergarten und passe auf einen Jungen auf. Seine Eltern haben ihn noch nicht abgeholt", erzählte ich und ging ein paar Schritte weg von Liam.
"Etwa alleine?", schnappte sie erstaunt nach Luft.
"Ist das etwa so schwer zu glauben?", rollte ich nur mit meinen Augen und sah prüfend nochmal zu dem Jungen, der traurig in die Luft starrte.
Meinem Herz versetzte dieser Anblick einen kleinen Stich, da ich es hasste Kinder so zu sehen.
"Mom, du kannst mich gleich abholen kommen, die Eltern kommen bestimmt jeden Augenblick", entgegnete ich ausatmend und fuhr mir durch mein braunes Haar.
"Gut, ich komme dann gleich, bis dann", murmelte sie schnell und legte auf.
"Ja, bis gleich", flüsterte Ich in die tote Leitung und drückte ebenfalls die rote Taste.
Ich schritt wieder zu dem Jungen, der ungeduldig herum zappelte.
Ich ging in die Hocke und sah ihn traurig an.
Plötzlich hörte ich ein Aufklicken der Tür und keine Sekunde später sprang Liam freudig auf und rannte raus aus dem Saal und rein in den Flur.
Lächelnd stand ich auf und folgte dem Jungen wenig später, als ich vor Schreck fast wieder nach hinten gestolpert wäre, als ich um die Ecke gebogen bin.
"Es tut mir so unendlich leid! Ich hab' versucht mich zu beeilen, aber meine Freundin - Sirina ?", rasselt der gutaussehende Junge nieder, als er endlich aufschaute.
Auf einmal setzte wieder dieses Kribbeln auf der Haut und ein erhöhter Herzschlag ein.
"Adrien?", runzelte ich ungläubig meine Strin und sah wieder zu Liam, der grinsend vor seinem Bruder stand.
Und plötzlich erkannte ich auch diese verblüffende Ähnlichkeit zwischen ihnen, weswegen Liam mir auch so bekannt vorkam.
"Was ... machst du hier?", fragte er immernoch verblüfft und sah mich von oben bis unten an.
"Ich arbeite hier und du ...", gab ich langsam an und sah ihn ebenfalls überrascht an.
"Ich wollte meinen kleinen Bruder abholen", erklärte er und wies zusätzlich auf den kleinen Jungen.
"Ich kann nicht fassen, dass du hier arbeitest, wie lange schon?", fragte er skeptisch und kratzte sich am Hinterkopf.
"Seid fast zwei Wochen", überlegte ich kurz und nickte dann mit meinem Kopf.
"Komisch, dass ich dich erst jetzt treffe", fügte er hinzu und kniete sich zu seinem Bruder.
"Ich ... arbeite nicht die ganze Woche, nur an speziellen Tagen, und seit heute auch immer Donnerstags", erklärte ich schnell und holte Liams Jacke und Rucksack, dann ging ich ebenfalls zu ihm in die Hocke.
"Hier", lächelte ich Liam an und hielt ihn seine Jacke hin, dass er reinschlüpfen konnte.
Dankend zog er sie und seine kleinen Schuhe an, dann nahm er seinen Rucksack und schaute mich grinsend an.
Adrien hatte mich währenddessen die ganze Zeit beobachtet, zwar wollte er es unauffällig machen, doch ich spürte jeden Blick von ihm auf mir.
Schweigend gingen wir zur Tür, während ich mich anzog und den Schlüssel rausholte.
Wir traten alle raus in die Kälte, und wieder spürte ich Adriens Blick in meinem Nacken, während ich absperrte.
Lächelnd drehte ich mich zu den beiden um, dann ging ich wieder kurz in die Hocke zu Liam und richte seine Kaputze.
"Ich hab' dir ja gesagt, jemand kommt bald, aber das nächste mal, rede ich mit deinem Bruder ein ernstes Wörtchen", flüsterte Ich ihm zu, allerdings so, dass mich Adrien noch verstehen konnte.
Als Antwort kicherte Liam auf und nahm mich kurz in den Arm, was ich auch erwiderte. Ich richtete mich wieder auf und schaute auf den Boden, da ich wusste, dass Adrien mich lächelnd anschaute.
"Du kannst wirklich gut mit Kindern", stellte er fest und nickte, als wäre er schwer beeindruckt von mir.
"Ich schätzte schon", lächelte ich auf und sah ihm wieder ins Gesicht.
Diese Augen ...
Ein plötzliches Hupen riss mich auf meinem Gaffen, denn ich hatte vollkommen vergessen, dass meine Mom mich abholen wollte und sie offenbar schon da war.
"Meine Mutter ... wartet, also ...", sagte ich gedehnt und schaute in die Richtung, wo das Auto geparkt hatte.
"Gut ... ähm ... dann bis morgen ... denke ich", stotterte Ich nervös, doch Adrien schien die Situation nicht zu stören.
"Dann wohl bis morgen", schmunzelte er über mich und steckte seine Hände in die Hosentaschen, was ihn noch jugendlicher und sexier machte.
Schüchtern ging ich an den beiden vorbei und steuerte auf den Wagen meiner Mutter zu, doch ich wusste, dass er mir hinterherschaute.

PainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt