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Ich stellte meine Tasche neben mir ab und klingelte.
Adrien öffnete mir die Tür, ein Lächeln erschien auf deinen Gesicht.
"Hey."
Meine Mundwinkel hoben sich etwas. "Hi."
Sein Blick fiel auf die Tasche und automatisch nahm er sie. Dankend nickte ich und folgte ihm über die Treppe des Eingangsbereiches in den oberen Stock.
Adrien führte mich zu einem Zimmer auf der rechten Seite. Ich drehte meinen Kopf nach hinten und sah die große Entfernung zwischen meinem und seinem Zimmer.
"Sirina?"
Ich blinzelte und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Adrien, der in ihrem Gäste- und meinem vorläufigen neuen Zimmer stand.
"Danke für's Hoch bringen", murmelte ich und Adrien lächelte.
Ich merkte, wie meine Beine schwach wurden, sodass ich mich am Bettpfosten stützte.
Adrien räusperte sich und wandte den Blick von mir ab.
"Was haben deine Eltern gesagt?"
Ich schnaubte und schüttelte leicht den Kopf.
"Sie waren gar nicht begeistert und wollten mich zuerst auch nicht gehen lassen", erzählte ich und er nickte verständnisvoll.
"Und doch bist du hier", ergänzte er und ich schmunzelte.
"Ich habe ihnen andauernd gesagt, wie wichtig mir das ist, und schließlich ließen sie mich mit Zähne knirschend weggehen."
Adrien nickte erneut. In seinen Augen sah ich, dass er die Freude, mich hierzuhaben, versteckte. Automatisch färbten sich meine Wangen leicht rosa.
Innerlich konnte ich nur wieder den Kopf über mich schütteln.
"Soll ich dir mit den Sachen helfen?", fragte er schließlich und wies mit einer Kopfbewegung auf meine Reisetasche.
"Ich schaff' das", murmelte ich und lächelte dann. "Aber Danke."
Für einen kurzen Moment war es still in dem Zimmer, denn die Blicke, die wir uns zu warfen, brauchten keine Worte. Ich merkte, wie ich bereits den ersten Schritt auf ihn zu machen wollte, doch ich unterdrückte diese Reaktion sofort, indem ich meine Aufmerksamkeit meiner Tasche schenkte.
"Dann lass ich dich alleine", flüsterte er und ich sah ihm vorsichtig hinterher.
Ich wollte ihn nicht verschrecken, eigentlich wollte ich, dass er noch weiter bleiben würde, doch er ließ den Abstand zwischen uns, damit ich mich nicht überfordert fühlte. Etwas, wofür ich ihm nachhinein wirklich dankbar war.
Als er die Tür hinter sich schloss, ließ ich mich mit dem Rücken auf das weiche Bett fallen. Meine Hände führen über den weichen Seidenstoff.
Ob Adrien auch schonmal hier geschlafen hatte?
Vermutlich nicht, er hatte hier schließlich ein eigenes Zimmer.
Seufzend rieb ich mir über mein Gesicht. Ich hatte keine Ahnung, was mit mir plötzlich los war. Auch wenn er mir die Wahrheit erklärt hatte, hatte er mich immernoch zu tiefst verletzt. Und ich vergaß es sofort, wenn er mir in die Augen sah.
Möglich, dass es diese Bindung zwischen uns war, aber ich hatte ihn ja vor dem allen hier kennen gelernt. Ich wusste nicht einmal, dass wir Mates füreinander waren, geschweige denn, dass es Werwölfe in unserer Welt gab.
Ich setzte mich auf und sah auf die Tasche, die vollgepackt mit meinen Klamotten war.
Schließlich raffte ich mich auf und fing an meine Sachen in den riesigen Schränken zu verstauen, obwohl ich womöglich nicht lange hier bleiben würde.
Das alles dauerte wirklich eine halbe Ewigkeit, bis mich schließlich mein Hunger nach unten in die Küche trieb.
"Hallo, Sirina", begrüßte mich Kimberley und sah mich von der Seite an.
Sie rührte in dem riesigen Topf gerade ihre fertige Soße um - und die duftete herrlich.
Lächelnd trat ich zu ihr.
"Hast du Hunger?"
"Wir wissen doch alle, dass Sirina nie öffentlich zu geben würde, dass sie Appetit hat", scherzte Ruby und trat zu uns.
Ich lachte auf und nickte. " Das stimmt allerdings."
"Deckt ihr schonmal?", fragte Adriens Mutter und wir nickten.
Ruby reichte mir die Teller, die ich sorgfältig verteilte, dann folgte sie mir dem Besteck und Gläsern.
Mir viel auf, dass es im Vergleich zu den Leuten, die hier wohnten, zu wenige gedeckte Plätze waren, doch ich fragte nicht nach.Stattdessen setzten wir uns und begannen mit Aiden und Liam zu speisen.Wir saßen wirklich lange am Tisch und redeten über die unterschiedlichsten Dinge. Ich vergaß förmlich, dass es eine Zeit gab, wo sie mir seelisch weh getan hätten, doch in den Pausen merkte ich, wie sie mich von der Seite ansahen.
Letzten Endes räumten wir auch das dreckige Geschirr zusammen und spülten gemeinsam ab.
Mrs Black wurde durch ihre zwei jüngeren Söhne andauernd abgelenkt, weshalb Ruby und ich alleine in der Küche waren.
Ich nahm mir ein weiteres Glas und trocknete es ab.
Mein Blick schweifte zur Uhr.
Das Mittagessen war wohl eher zum Nachmittagsessen geworden.
Die Gedanken flossen erneut ab.
Es war schon lange her, dass ich Adrien oder seine Freunde gesehen hatte.
Sie mussten wirklich beschäftigt sein, weshalb sie keiner zu stören schien, was auch verständlich war.
"Sag mal", begann ich und Rubys Kopf drehte sich zu mir. "Wo sind die Anderen?"
Ruby zuckte leicht mit den Schultern."Sie sind vermutlich alle in Adriens Büro und arbeiten daran, den bevorstehenden Kampf zu gewinnen."
Ich nickte entgegenkommend und sah in den Eingangsbereich.
Innerlich zog es mich die Treppen hinauf, um in Adriens Nähe zu sein, allerdings hatte er definitiv mit anderen Problemen zu kämpfen.
"So", meinte Ruby und trocknete ihre Hände ab. "Ich muss leider noch weg, kommst du alleine zurecht?"
Ich lächelte sie warm an. "Sicher, geh' ruhig."
Ruby klatschte in die Hände und zwinkerte mir zum Abschied.
Die Zeit vertrieb ich mir zuerst mit der restlichen Erkundung des riesigen Hauses. Wenn ich richtig gezählt hatte, befanden sich hier sechs Schlafzimmer und vier Bäder - nur im ersten Stockwerk.
Dann zwang mich Liam dazu mit ihm fast jedes Spiel seiner Sammlung durchzuspielen, was wirklich eine Menge waren. Irgendwann hatte ich ihn immer wieder absichtlich gewinnen lassen, damit wir zügig voran kamen.
Schließlich war es abends und immernoch kein Zeichen von Adrien.
In meinem Zimmer lief ich bereits wie ein Tiger auf und ab.
Auf der einen Seite wollte ich ihn nicht stören, andererseits weckte mich die Neugier, aber auch Sorge, was er mittlerweile alleine in seinem Büro so lange tat.
Ich lief leise raus auf den langen Flur und blieb vor der hohen Tür stehen.
Seufzend schüttelte ich meinen Kopf.
Was zum Teufel war nur los mit mir?
Zierte ich mich ernsthaft davor zu Adrien zu gehen?
Bevor ich einen klaren Gedanken fassen konnte, klopfte ich an die Tür.
Sofort biss ich meine Zähne zusammen und hielt die Luft an. Mein Verstand realisierte langsam, dass ich tatsächlich geklopft hatte.
Vorsichtig öffnete ich die Tür und spitze hinein.
Adriens Kopf hob sich kurz, doch sein Blick blieb an mir hängen.
Auf seinen Lippen erschien ein sanftes Lächeln.
"Hey", flüsterte ich. Es war so still, dass es allerdings in normaler Lautstärke bei ihm an kam.
"Komm ruhig herein", meinte er und erhob sich von seinem schweren Stuhl.
Ich näherte mich ihm an, bis lediglich sein Schreibtisch zwischen uns stand.
"Was gibt's?"
Gute Frage ... Eigentlich hatte ich keinerlei Hintergedanken, wieso ich bei ihm aufkreuzte. Ich entschied mich daher für die Wahrheit. "I-ich wollte nach dir sehen."
Mein Blick senkte sich leicht, doch ich konnte sehen, dass er mich mit gehobenen Mundwinkeln anstarrte.
Langsam merkte ich, wie meine Wange sich dunkel färbten, weshalb ich zu der große Sideboard-Tafel links von ihm sah.
Ich trat näher an sie heran.
"Was ist das?", fragte ich nach einigen Momenten nach und Adrien räusperte sich.
"Das sind alles Strategien", murmelte er und ich warf einen Blick nach hinten.
"Strategien?"
Er nickte leicht. "Es gibt viel zu beachten. Dadurch, dass unser Territorium so groß ist, müssen wir immer wieder herausfinden, wie sie uns am wenigsten schwächen können. Das nimmt den größten Teil der Zeit ein, die wir hier sind."
Adrien ließ sich auf dem Sessel nieder und atmete fast schon frustriert aus.
Ich sah, dass ihm das alles wirklich zu schaffen machte, und innerlich brach mir das fast mein Herz.
"Aber ich muss mich nunmal als zukünftigen Alpha beweisen", fügte er hinzu.
Es wurde viel von ihm abverlangt, doch das sind nunmal die Aufgaben eines Anführers.
Mein Blick schweifte erneut zur Tafel.
"Für ein Künstler sieht das aber ganz schön chaotisch aus", witzelte ich und Adrien lachte.
Es tat gut, ihn wieder lachen zu sehen.
"Die Aufgabe von Kunst ist es, Chaos in die Ordnung zu bringen", zitierte er mit einem Grinsen und ich schmunzelte.
Ich stützte mich gegen die Kante des Schreibtisches und sah gedankenlos auf den Boden.
Zwischen uns war diese Stille, die eine ruhige Atmosphäre schuf.
Aus Gewohnheit heraus, spielte ich mit meinem Ring, dann kam mir ein Gedanke.
Ich lächelte. "Als ich klein war -", begann ich und Adrien folgte jedem Wort, dass meine Lippen verließen. "- und meine anderen Großeltern noch gelebt haben, war ich oft bei Ihnen zu Besuch.
Besonders, wenn sich meine Grandma fertig machte, liebte ich es, sie dabei zu beobachten. Sie frisierte und schminkte sich manchmal, und dann zog sie ihren Schmuck an. Es waren nicht die teuersten Gegenstände, und doch so kostbar und wundervoll für sie. Ich beneidete sie immer, und konnte es kaum erwarten, selbst etwas so wertvolles besitzen zu können."
Mein Blick senkte sich auf den Ring an meinem Finger.
"Als sie starb, vererbte die mir ihren gesamten Schmuck, allerdings war er schon so alt, dass die meisten Teile kaputt gingen", erzählte ich weiter. "Bis auf eine Kette und diesen Ring."
Er war nicht gerade pompös, sondern eher zierlich und fein.
"Et securitatis praesidium", flüsterte ich und hob meinen Blick erneut. "Schutz und Geborgeheit. Das hätte sie vor ihrem Tod eingraviert lassen."
Die Erinnerungen an meine anderen Großeltern ließen mich immer wieder emotional werden, weshalb ich einige Momente brauchte.
"Sie trug ihn fast jeden Tag, und bevor sie starb, vermachte sie ihn mir mit der Aufgabe ihn zu tragen, wenn ich diesen Schutz von ihr brauchte."
Ich biss mir auf die Lippe und sah den Ring kurz an.
"Ich denke, es ist an der Zeit ihn an denjenigen weiterzugeben, der diesen Schutz jetzt mehr braucht als ich es tue", murmelte ich und hielt ihn Adrien hin.
Er betrachtete das edle Stück und sah mir dann in die Augen. "Er gehört dir, ich -"
Ich lächelte sanft, sodass er abrupt still wurde.
"Sie hätte es so gewollt", meinte ich und Adrien nahm ihn im Stehen entgegen. "Ich weiß, er passt dir nicht, aber -"
"Danke", schnitt er mir das Wort ab und ich nickte.
Er stand mir so nahe, dass ich seine kleinen Sommersprossen erkennen konnte. Dieser Blick, den er mir zuwarf, zog mich wieder in seinen Bann.
Ich unterdrückte den Reflex, ihn berühren zu wollen, indem meine Finger in den Holztisch bohrten.
Adriens Geruch umgab mich und wirkte wie eine Droge auf mich.
Ich konnte das Rauschen meines Blutes durch die Ohren fließen hören.
Plötzlich öffnete sich die Tür und Tristan trat überrascht herein.
Adrien brachte erstmal einen halben Meter Abstand zwischen uns und sah seinen besten Freund an.
"Tut mir leid für die Störung", murmelte er verlegen und kratze sich am Hinterkopf. "Aber ich wollte zu ..."
"Schon gut", meinte ich und drückte mich von dem Schreibtisch weg. " Ich wollte ... sowieso gerade gehen."
Adriens Blick spürte ich in meinem Rücken, sodass ich mich kurz vor der Tür umdrehte und zuerst Tristan und dann ihm ins Gesicht sah.
In seinen Augen spürte ich eine Sehnsucht, die nicht nur von ihm ausging. Das machte mir es noch schwerer, die Tür zu schließen, doch meine Vernunft ließ sie ins Schloss fallen.

PainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt